28. März 2011
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International

Schriftsätze mit Leidenschaft: Secondment in Brasilien

Brasilien boomt und ist stolz: 2014 kommt die Fußballweltmeisterschaft nach Brasilien und im Jahr 2016 wird Brasilien als erstes südamerikanisches Land in Rio de Janeiro die Olympischen Spiele ausrichten. Bis dahin könnte Brasilien zu den fünf größten Wirtschaftsmächten der Welt zählen, wenn es die anstehenden Herausforderungen wie den Ausbau der heimischen Industrie und die Modernisierung der maroden Infrastruktur meistert. Matthias Schlingmann verbringt sein Secondment für CMS Hasche Sigle in Brasilien und stellt sich den rechtlichen Herausforderungen in diesem spannenden Umfeld. Ein Bericht aus Rio de Janeiro:

Vier Monate Secondment bei der brasilianischen Kanzlei BM&A (Barbosa Müssnich & Aragão) liegen vor mir, als ich Mitte Januar bei Minusgraden in Hamburg aufbreche. Brasilien begrüßt mich schon in Frankfurt: „Brasilien erwartet Dich“ steht auf den großen Werbewänden, die den Tunnel zwischen den Abfluggebäuden im Flughafen säumen. Die Vorfreude auf  Brasilien, das ich zum ersten Mal schon während Studiums bereist habe und das mich seitdem immer wieder in seinen Bann gezogen hat, steigt.

In Rio de Janeiro, der cidade maravilhosa („wundervolle Stadt“), angekommen,  geht es am nächsten Morgen zum ersten Mal zum neuen Arbeitsplatz. Die Begrüßung im 32. Stock mit Ausblick auf Zuckerhut und Christusstatue ist herzlich, wie es die Art der cariocas (so werden die Einwohner von Rio de Janeiro genannt) ist. Und eins fällt sofort auf: es wimmelt auf den Fluren von jungen Leuten, die zugleich Ehrgeiz und brasilianische Lebensfreude versprühen.  Nach Studium und Referendariat erst mit Ende 20 oder Anfang 30 als Rechtsanwalt in das Berufsleben zu starten, wie es in Deutschland üblich ist - hier schlicht unvorstellbar.  Wenn brasilianische Juristen mit Anfang 20 als Rechtsanwälte ins Berufsleben starten, haben sie schon während des Studiums durchgehend als Praktikanten in Kanzleien gearbeitet. Wer es sich leisten konnte, hat an das Studium noch ein Jahr in den USA oder Europa drangehängt.

Wenige Tage später die erste Besprechung mit brasilianischen Kollegen und Mandanten. Nach ausführlicher Begrüßung mit Händeschütteln, Schulterklopfen und Umarmungen geht es bald hoch her: Man fällt sich nur zu gerne ins Wort; aus der Besprechung wird eine Vielzahl von Besprechungen mit wechselnden Beteiligten, die gleichzeitig und miteinander vermischt im selben Raum stattfinden; aus der Diskussion einer Formulierung eines Schriftsatzentwurfs wird eine mit Leidenschaft und Inbrunst geführte Debatte, bei der zunächst alles so aussieht, als würde in Kürze aus dem Wortgefecht eine handfeste Auseinandersetzung entstehen; wenig später jedoch lachen alle Beteiligten zufrieden über die so gemeinsam entwickelte außergewöhnliche Formulierung, klopfen  sich wieder gegenseitig auf die Schultern und verabschieden sich, sich wieder gegenseitig umarmend, voneinander.

Ende Februar – inzwischen habe ich mich in Rio de Janeiro gut eingelebt – besuche ich die IBA-Konferenz “Olympic-Size Investments: Business Opportunities and Legal Framework”. Der zur Begrüßung vorgeführte Bewerbungsfilm Rio de Janeiros für die Olympischen Spiele 2016 beeindruckt und bei der Behandlung eines Themenmix aus Finanzierungs-, Kapitalmarkt-, Steuer-, Gesellschafts- und Handelsrecht wird deutlich, was Brasilien in den nächsten Jahren vorhat: Mindestens 680 Milliarden Euro sollen in Infrastrukturprojekte investiert werden. Brasilien braucht nicht nur für die Weltmeisterschaft neue Fußballstadien. Geplant sind auch ein Hochgeschwindigkeitszug zwischen Sao Paulo und Rio de Janeiro, Investitionen in den Nahverkehr, der Ausbau von Flughäfen und erhebliche Investitionen in die städtische Infrastruktur, besonders in Rio de Janeiro. Bei der Finanzierung der Projekte wird die staatliche Brasilianische Entwicklungsbank (BNDES) eine tragende Rolle spielen, aber auch ausländische Finanzierer sind willkommen. Ausländischen Investoren stehen in Brasilien verschiedene Wege offen, sei es in Form von Direktinvestitionen, durch Gründung eines brasilianischen Tochterunternehmens oder in Form des Erwerbs einer Beteiligung an einem brasilianischen Unternehmen. Wegen des gelinde gesagt schleppend funktionierenden Gerichtssystems werden Schiedsverfahren, ein sich in Brasilien in den letzten Jahren rasant entwickelnder Bereich, der ganz vorherrschende Streitschlichtungsmechanismus für sich im Zusammenhang mit Investitionen ergebende Streitigkeiten sein. Nachdem Brasilien im Jahr 2002 das Übereinkommen zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 (die so genannte New York Convention) ratifiziert hat, stand Brasilien – gemessen an der Beteiligung brasilianischer Unternehmen – bei Verfahren des Schiedsgerichts der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) bereits im Jahr 2008 weltweit an dritter Stelle.

Nach vielen interessanten Vorträgen und neuen Bekanntschaften raucht der Kopf. Da ist ein Bad in den erfrischenden Atlantikwellen am Strand von Ipanema genau das richtige. Dazu noch eine agua de coco (Kokusnusswasser, das direkt aus der grünen Kokosnuss getrunken wird) und schon sind Körper und Geist wieder fit, um am Wochenende nicht den beginnenden Straßenkarneval mit seinen Sambarhythmen und tanzenden Menschenmengen zu verpassen.

Tags: BNDES Brasilien New York Convention Rio de Janeiro Secondment Serie