18. Oktober 2017
Mobile Payment Deutschland
Banking & Finance Digitale Transformation E-Commerce Recht

Mobile Payment in Deutschland – oder „Kann ich bei Ihnen auch mit meiner Jacke zahlen?″

Mobile Payment nimmt in Deutschland zu. Dabei hat die Ausgestaltung der rechtlichen Infrastruktur Einfluss auf die Akzeptanz und weitere Verbreitung.

Der Markt für Zahlungsinstrumente galt lange Zeit nicht zu Unrecht als wenig innovationsfreudig. Nachdem Kredit- und EC-Karten (heute: girocards) in der Breite der Gesellschaft angekommen waren, geschah lange Zeit wenig bis nichts.

Doch in den vergangenen Jahren hat der digitale Wandel einen schier unablässigen Strom von Innovationen erzeugt. Begünstigt durch die Allgegenwart von Internet und Smartphones, sind es vor allem technologiegetriebene Unternehmen, die mit ihren häufig auf eine möglichst bequeme und schnelle Zahlungsabwicklung abzielenden Geschäftsmodellen in Wettbewerb zu den traditionellen Zahlverfahren getreten sind.

Mobile Payment als großer Wachstumsmarkt – auch in Deutschland

Insofern überrascht es nicht, dass das Marktsegment des mobilen Bezahlens („Mobile Payment“) große Wachstumsraten verzeichnet. Dabei handelt es sich um ein Bezahlverfahren, das unter Einbezug eines mobilen Endgeräts – also vor allem Smartphones oder Tablets – stattfindet. Einer von PwC durchgeführten Marktstudie zufolge sollen in Deutschland die Erlöse aus Mobile-Payment-Transaktionen von zurzeit etwa 8 Mio. Euro bis zum Jahr 2020 auf über 1 Mrd. Euro steigen.

Weil ein Zahlungssystem bereits dann als mobil bezeichnet wird, wenn es irgendwo ein mobiles Endgerät einbezieht, sind die Erscheinungsformen äußerst vielfältig. Ihnen ist jedenfalls gemein, dass ihr innovatives Element typischerweise die Initiierung und Autorisierung des Bezahlvorgangs – am Front-End – betrifft. Die Zahlungsabwicklung erfolgt hingegen meist unter Rückgriff auf etablierte, kontogestützte Kanäle (Lastschrift, Überweisung, Kreditkarte, Abrechnung über Handyrechnung, die wiederum über Lastschrift beglichen wird etc.) am Back-End.

Beispiel Proximity Payment: „Ich hab‘ grad kein Bargeld dabei, kann ich bei Ihnen auch mit meiner Jacke zahlen?“

Ein anschauliches Beispiel für ein mobiles Bezahlsystem bildet die mobile Nahzahlung („Proximity Payment“). Dabei wird der Zahlungsvorgang dadurch eingeleitet, dass der Kunde einen bestimmten Gegenstand innerhalb einer bestimmten Reichweite an ein Lesegerät an der Ladenkasse hält. Bei diesem Gegenstand kann es sich entweder – noch ganz klassisch – um die girocard oder Kreditkarte oder – moderner – das Smartphone, die Smartwatch oder aber – derzeit noch etwas futuristisch anmutend – irgend einen anderen Alltagsgegenstand wie z.B. die Jacke handeln.

Der Datentransfer zwischen Karte, Smartphone oder Gegenstand und Lesegerät erfolgt dabei etwa mittels Near-Field-Communication (NFC). Diese Technologie ermöglicht die kontaktlose Übertragung von Daten über eine kurze Distanz und gelangt insbesondere auch bei der immer häufiger genutzten kontaktlosen Kartenzahlung zum Einsatz. Alternative Systeme setzen demgegenüber auf Quick-Response-Codes (QR-Code), die dann vom Kassierer eingescannt werden müssen oder Signale (sog. Beacons), die mittels Bluetooth übermittelt werden.

Gegenüber diesen alternativen Wegen des Datenaustausches scheint sich jedoch die NFC-Technologie für Proximity Payments allmählich durchzusetzen. Je nach Bank können im Wege des Proximity Payment Beträge von bis zu EUR 25 bezahlt werden, ohne dass die Eingabe einer PIN erforderlich ist. Aus Sicherheitsgründen sind jedoch in der Regel die so möglichen Transaktionen auf eine bestimmte Anzahl und ein bestimmtes Tageslimit begrenzt.

Nahezu unbegrenzt sind dagegen die Ideen für Einsatzmöglichkeiten von Proximity Payments: sie reichen von der schon angesprochenen Jacke, mit dem der Kaffee auf dem morgendlichen Weg zur Arbeit gezahlt wird, über das Auto, das bei der Ausfahrt aus der Tiefgarage selbstständig die angefallene Parkgebühr zahlt bis zum U-Bahn-Ticket, das beim Betreten der U-Bahn mittels Schuh bezahlt wird.

Durchbruch der mobilen Bezahlverfahren lässt in Deutschland noch auf sich warten

Im Gegensatz zu einigen anderen Ländern – insbesondere den skandinavischen – nutzt in Deutschland noch keine kritische Masse das Mobile Payment. So machen in Deutschland nur rund 900.000 Personen überhaupt von der Möglichkeit des mobilen Zahlens Gebrauch.

Doch Versuche, Mobile Payment – insbesondere dem Proximity Payment – zum Durchbruch zu verhelfen, gibt es einige. Eine Vielzahl von Start-Ups und alten Hasen der Digitalbranche versuchen sich auf dem Markt zu etablieren, wobei erste Anbieter wie Paymey, SQWallet und zuletzt die Otto-Tochter Yapital den deutschen Markt nach einem kurzen Gastspiel bereits wieder verlassen haben und die Giganten der Digitalbranche (Apple, Google, Samsung & Co) noch in den Startlöchern stehen. Ganz so einfach ist es also nicht, die vorausgesagten Wachstumspotentiale des Mobile Payment zu heben; so wurde auch der Start von ApplePay in Deutschland mehrfach verschoben.

Die rechtliche Infrastruktur für Mobile Payments in Deutschland

Neben technischen Faktoren hat auch die Ausgestaltung des Rechtsrahmens entscheidenden Einfluss auf die weitere Marktentwicklung mobiler Bezahlsysteme. Im Zentrum der rechtlichen Infrastruktur steht dabei das Aufsichtsrecht für Zahlungsdienste (Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz, ZAG) und das Privatrecht über Zahlungsdienste (§§ 675c-676c BGB). Diese Regelungen wurden vor allem durch die EU-Zahlungsdienste-Richtlinie (Payment Services Directive, RL 2007/64/EG 46) eingeführt, die kürzlich durch die Zweite Zahlungsdienste-Richtlinie (Payment Services Directive 2, PSD2, RL 2015/2366/EU) ersetzt wurde.

Die Regelungen der PSD2 sind mit dem Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie in deutsches Recht umgesetzt worden. Ziel ist insbesondere die Verbesserung des Wettbewerbs bei Zahlungsdiensten, zugleich soll aber auch der Schutz der Verbraucher verbessert werden.

Für Mobile Payment Anbieter sind dabei insbesondere die geänderten Regelungen zur Kundenauthentifizierung von großer Bedeutung. Von ihnen wird im Interesse der Betrugs- und Missbrauchsvorbeugung zukünftig verlangt, dass die Identitätsfeststellung des zahlungsauslösenden Kunden durch zwei verschiedene Komponenten erfolgt, die aus drei möglichen Kategorien stammen: Wissen (z.B. Passwort), Besitz (z.B. Mobiltelefon) und Inhärenz (z.B. Fingerabdruck, Iris-Scanner, Gesichtserkennung). Die Komponenten müssen unabhängig voneinander bestehen, d.h. die Verletzung eines Elementes darf nicht das jeweils andere Element beeinflussen.

In welcher Form die jeweiligen Anbieter diese Vorgabe umsetzen und welchen Einfluss dies auf die Benutzerfreundlichkeit der einzelnen Bezahlmodelle haben wird, bleibt allerdings noch abzuwarten. Möglicherweise verhilft aber auch der neue europäische Rechtsrahmen zur Echtzeitüberweisung (Instant Payment), bei der Überweisungsbeträge bis zu EUR 15.000 dem Empfänger innerhalb von zehn Sekunden auf dessen Konto gutgeschrieben sein sollen, dem Mobile Payment in Deutschland weiter auf die Sprünge.

Das Thema Datenschutz als weitere Herausforderung für den Erfolg von Mobile Payment

Zahlungs- und Kreditkartendaten gelten als besonders schützenswerte personenbezogene Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes. Daher sind neben aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Rahmen selbstverständlich auch datenschutzrechtliche Aspekte von großer Bedeutung. Insbesondere der sichere Umgang mit Daten ist für Verbraucher in Deutschland der wichtigste Faktor bei der Entscheidung, ob und wann sie nachhaltig die Möglichkeiten des Mobile Payment nutzen, so dass die Akzeptanz und Verbreitung und damit der Erfolg von Mobile Payment in Deutschland ganz eng mit dem Thema Datenschutz verknüpft sein wird.

Unabhängig von dieser Frage ist es jedoch klar abzusehen, dass Mobile Payment in der ein oder anderen Weise in Zukunft zu unserem Alltag gehören wird, auch wenn es zu dem beschriebenen „Ich hab kein Bargeld dabei, kann ich bei Ihnen mit meiner Jacke zahlen?″ jedenfalls in Deutschland noch etwas Zeit brauchen wird.

Die Blogreihe nimmt die fortschreitende Entwicklung im bargeldlosen Zahlungsverkehr zum Anlass, zunächst die unterschiedlichen Arten der bargeldlosen Zahlungsinstrumente und ihre Bedeutung in der Praxis vorzustellen. Nachdem wir uns in unserem letzten Blogbeitrag den Klassikern der Zahlungsarten „Kartenzahlung, Überweisung, Lastschrift″ gewidmet haben, geht es in diesem Blogbeitrag um die mögliche Zukunft des Zahlens, wenn man gerade mal kein Bargeld dabei hat. In den nächsten Teilen stellen wir weitere ausgewählte Zahlungsarten näher vor.

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