16. Februar 2011
Vorsicht! Ich sehe Indianer hinter dem Hügel...
Datenschutzrecht

Aufsichtsbehörden: Konzertierte Aktion gegen Videoüberwachung in Einkaufszentren

Gerichtsurteile zu datenschutzrechtlichen Fragen sind vielfach Mangelware. Im Hinblick auf die Videoüberwachung könnte sich dies nun bald ändern: Denn auf eine Untersagungsverfügung des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten hat die Betreibergesellschaft mehrerer Einkaufszentren angekündigt, vor dem Verwaltungsgericht gegen die Verpflichtung zum Abbau einiger Videokameras klagen zu wollen. Der Fall könnte über das in Rede stehende Alstertal-Einkaufszentrum in Hamburg hinaus grundlegende Bedeutung erlangen.

Was ist passiert? Bislang liegen zu dem Fall nur Medienberichte vor – der Internetauftritt der Aufsichtsbehörde in Hamburg ist seit einem datenschutzrechtlichen Eigentor im Zusammenhang mit dem Webtracking seit geraumer Zeit „im Aufbau″. Nach diesen Berichten (etwa hier und hier) hatte die ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG als Betreiberin u.a. des Alstertal-Einkaufszentrums außerhalb der vermieteten Ladenflächen Videokameras installiert und diese etwa auf die Eingangsbereiche, die Rolltreppen oder die Gänge und die Gastronomiebereiche gerichtet. Vereinzelt ist auch die Rede von Videokameras an den Eingängen zu Mitarbeitertoiletten und -umkleiden; dies wird von der Betreibergesellschaft allerdings bestritten.

Die Aufsichtsbehörde in Hamburg hat – mutmaßlich nach erfolglosen Gesprächen mit dem Betreiber – nun zum schärfsten Schwert in ihrem Sanktionsrepertoire gegriffen und eine Untersagungsverfügung nach § 38 Abs. 5 BDSG gegen einen Teil der zur Videoüberwachung eingesetzten Kameras erlassen. Dem Vernehmen nach handelt es sich um eine konzertierte Aktion mehrerer Aufsichtsbehörden, und die Hamburger Behörde hat den ersten „Musterfall″ initiiert.

Das in der Sprache des Datenschutzrechts ″Beobachtung mit optisch-elektronischen Einrichtungen″ genannte Kontroll- und Überwachungsinstrument war zuletzt im Zusammenhang mit der Novellierung des Beschäftigtendatenschutzes (dazu bei uns hier, hier und hier) wegen einer geplanten neuen Bestimmung in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Die Aufsichtsbehörde vertritt in ihrer Verfügung nun eine einschränkende Auslegung zur Zulässigkeit der Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen nach § 6 b BDSG. Ausgangspunkt ist dabei das verfassungsrechtlich garantierte Recht des Einzelnen, sich in der Öffentlichkeit unbeobachtet zu bewegen (zur BVerfG-Entscheidung hier).

Die Betreibergesellschaft beruft sich demgegenüber auf die in § 6 b Abs. 1 BDSG ausdrücklich genannten Umstände, unter denen eine Videoüberwachung zulässig ist. Sie begründet den Betrieb auch der jetzt in Rede stehenden Kameras mit der Sicherheit von Kunden und Einzelhändlern. Die Kameraaufzeichnungen würden nach wenigen Tagen automatisch überschrieben, und eine Auswertung finde nur in bestimmten Fällen, etwa bei der Begehung von Straftaten statt. Überdies sei die Videoüberwachung nach § 6 b Abs. 2 BDSG an jedem Eingang kenntlich gemacht.

Das von der Betreibergesellschaft jetzt angekündigte gerichtliche Vorgehen gegen die Verfügung der Behörde ist insoweit konsequent – mehr noch: Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung wird das Verwaltungsgericht wohl auch dem unbestimmten Rechtsbegriff des „berechtigten Interesses″ in § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG klarere Konturen verleihen müssen. Ein Vertreter des Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz, der Aufsichtsbehörde im benachbarten Schleswig-Holstein, setzt sich in der Legal Tribune Online (offenbar in Kenntnis der Untersagungsverfügung) detailliert mit den offenen Rechtsfragen auseinander und schließt sich – wenig verwunderlich – der Rechtsauffassung seiner Hamburger Kollegen an. Zu Recht merkt er abschließend an, dass die Untersagungsverfügung „wegen der potenziell von der Entscheidung betroffenen Anzahl von Einkaufszentren und der dringend klärungsbedürftigen Rechtsfragen zur Videoüberwachung öffentlicher Räume von überregionaler Bedeutung″ sei.

Die von der Betreibergesellschaft angekündigte gerichtliche Auseinandersetzung könnte in der Tat zu einer erhöhten Rechtssicherheit für viele Unternehmen (auch jenseits der Immobilienbranche) führen, die aus unterschiedlichen Gründen auf die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume zurückgreifen.

Anekdotische Schlussbemerkung: Glaubt man Wikipedia, wurde die erste Videoüberwachungsanlage 1942 von Siemens in Peenemünde zur Überwachung von Raketen installiert. Mittlerweile gilt Großbritannien als  ″Videoüberwachungs-Weltmeister″ mit angeblich 500.000 Kameras alleine im Raum London und 4,2 Millionen Kameras landesweit. Fälle wie der gerade geschilderte scheinen dazu beizutragen, dass die Überwachungsintensität hierzulande auch in Zukunft weitaus geringer bleibt.

Tags: Alstertal Einkaufszentrum Beschäftigtendatenschutz ECE Hamburgischer Datenschutzbeauftragter Musterverfahren öffentliche Flächen Rechtsprechung zum Datenschutz Verwaltungsgerichte Videokameras videoüberwachung