15. April 2016
Know-how-Schutz-Richtlinie
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Know-how-Schutz-Richtlinie: EU beschließt einheitlichen Rechtsschutz für Geschäftsgeheimnisse

Know-how-Schutz-Richtlinie: Meilenstein zur EU-weiten Rechtsvereinheitlichung, neue Herausforderung für Unternehmen, notwendiges Rechtsvehikel für die Digital Economy.

Der Weg war lang und der Titel des Vorhabens sperrig: Nach fast fünf Jahren Vorlaufzeit hat das EU-Parlament per Abstimmung vom 14.04.2016 die Richtlinie „über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung″ (COM(2013)0813 – C7-0432/2013 – 2013/0402 (COD)) beschlossen. Die mediale Berichterstattung auf der Schlussgeraden über befürchtete Beschränkungen von Whistleblowern und der Pressefreiheit hatte die eigentlichen Ziele der Richtlinie fast überschattet.

Ziele der Know-how-Schutz-Richtlinie

Die Know-how-Schutz-Richtlinie zielt auf eine effektivere Abschreckung von Industriespionage und von Geheimnisverrat. Die Rechtsvereinheitlichung soll das Vertrauen der Geschäftstreibenden in den Rechtsschutz ihrer Geschäftsgeheimnisse stärken und Anreize für grenzüberschreitende Innovationsaktivitäten im EU-Binnenmarkt liefern.

Anlass

Zwei aktuelle Trends waren der Treiber für die Know-how-Schutz-Richtlinie: Einerseits die steigende Bedeutung von Geschäftsgeheimnissen in einer zunehmend informationsbasierten Geschäftswelt; andererseits die verschärfte Bedrohungslage für geheime Informationen in einer arbeitsteiligen und vernetzten Wirtschaft.

Ein Rechtsschutzdefizit sah die EU darin, dass die aktuellen Regeln der EU-Mitglieder höchst unterschiedlich ausgestaltet sind und kein einheitliches Schutzniveau gewährleisten. Hinzu kommt, dass sich die Rechtszersplitterung auf nationaler Ebene fortsetzt, wie sich am Beispiel Deutschland zeigt: Gegenwärtig gibt es kein übergreifendes Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen; die maßgeblichen Regelungen sind über verschiedene Rechtsgebiete und Normen hinweg verteilt. Insgesamt hinkt die rechtliche Infrastruktur zum Rechtsschutz von Geschäftsgeheimnissen derjenigen der klassischen Immaterialgüterrechte hinterher.

Inhalte

Zu den wichtigsten Elementen der Rechtsangleichung zählen insbesondere folgende Bereiche:

  1. Definition eines Geschäftsgeheimnisses: Die Richtlinie legt fest, was europaweit einheitlich unter einem „Geschäftsgeheimnis″ („Trade Secret″) – als Überbegriff für vertrauliches Know-how und vertrauliche Geschäftsinformationen – zu verstehen ist. Hierunter fallen nur solche Informationen, die
    a) geheim sind,
    b) deshalb einen kommerziellen Wert aufweisen und
    c) Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen des Geheimnisträgers sind (Art. 2).
    Gerade das letztgenannte Definitionskriterium bringt im Vergleich zur derzeit in Deutschland geltenden Rechtslage zusätzliche Anforderungen für Unternehmen mit sich. In den Genuss des Rechtsschutzes kommen diese künftig nur noch, wenn sie hinreichende Maßnahmen zum Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse ergriffen haben und diese auch nachweisen können. Was im Einzelnen zu tun ist, erfahren Sie am Ende dieses Beitrags.
  2. Verletzungstatbestände und Ausnahmen: Im materiell-rechtlichen Hauptteil (Kapitel II) legt die Richtlinie fest, welche Handlungen als rechtmäßig (Art. 3) und als rechtswidrig (Art. 4) anzusehen sind und welche Ausnahmen gelten (Art. 5). Im Einzelnen geht es dabei jeweils um die Tatbestände des Erwerbs, der Nutzung und der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen.
    Bemerkenswert aus deutscher Sicht ist, dass das sog. Reverse Engineering als zulässig eingeordnet wird. Die (noch) geltende Rechtslage verbietet in vielen Fallkonstellationen die Rückwärtsanalyse auf dem Markt frei erhältlicher Produkte zur Erkundung der darin verborgenen Betriebsgeheimnisse. Auch hier sind Unternehmen gefordert, sich vertraglich abzusichern, soweit dies praktisch möglich und von den nationalen Gesetzgebern erlaubt wird.
  3. Schutz in Gerichtsverfahren: Schließlich normiert die Richtlinie den Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Gerichtsverfahren (Art. 9). Vorgesehen sind verschiedene Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit, die bis zur Beschränkung des Kreises derjenigen Prozessbeteiligten reichen, die Zugang zu Anhörungen und Dokumenten haben.
    Aufgegeben wurde aber die im ursprünglichen Richtlinienentwurf noch vorgesehene Möglichkeit eines sog. In-camera-Verfahrens, welches sogar den kompletten Ausschluss der gegnerischen Partei erlaubt hätte.
    Nicht gänzlich beseitigt wird dadurch der für Geheimnisschutzprozesse typische Zielkonflikt: Danach steht die jeweils beweisführende Partei vor der Wahl, entweder ihr Geheimnis zu verlieren (durch eine substantiierte Darlegung ihrer Geschäftsgeheimnisse zur Begründung oder Abwehr eines Anspruchs) oder den Verletzungsprozess selbst (weil Informationen zurückgehalten werden, um zu vermeiden, dass diese offenkundig werden).
    Dennoch bedeuten die Regelungen eine klare Verbesserung zur gegenwärtigen Rechtslage in Deutschland, wo ein Geheimnisschutz in Zivilverfahren nur sehr rudimentär vorgesehen ist. Im Einzelnen bleibt gerade in diesem Bereich abzuwarten, wie der vorhandene Umsetzungsspielraum durch den nationalen Gesetzgeber ausgefüllt wird.

Einordnung

Insgesamt stärkt die Know-how-Schutz-Richtlinie den Rechtsschutz gegenüber Know-how-Verletzungen, ohne dabei das in Deutschland geltende Grundkonzept des Schutzes zu verändern: Nach wie vor ist kein exklusiver Schutz immaterieller Vermögensgüter selbst vorgesehen. Es besteht lediglich ein Zugangsschutz hinsichtlich der um die betreffenden Informationen errichteten Geheimsphäre.

Enttäuscht sein werden all diejenigen, welche sich von der Richtlinie Hilfestellungen für die Rechtsfragen der Digital Economy, einschließlich der sog. Industrie 4.0 erhofft haben: Zwar handelte der Richtliniengeber durchaus in der Absicht, die Bedrohungslage einzudämmen, die sich für Know-how infolge der Digitalisierung ergeben. Gleichzeitig wirft die Richtlinie in diesem Kontext mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Insbesondere schweigt der Text dazu, ob auch geheime Daten – als Transportmittel oder Grundelemente einer Information – vom gesetzlichen Schutzbereich erfasst werden.

Kritisch hinterfragt werden kann auch, ob die Anforderung der Werthaltigkeit einer Information (Art. 2 (1) (b)) im Zeitalter von Big Data zeitgemäß ist, wo Wertschöpfungspotentiale sich aus der Akkumulation von Daten/Informationen ergeben, auf deren Einzelwert es dabei gerade nicht ankommt. Vollkommen ungeklärt bleiben außerdem Zuordnungsfragen, die sich vor allem im Kontext der sog. Predictive Maintenance stellen. In der Praxis ist es dort oftmals gerade die Gretchenfrage, welcher der beteiligten Akteure die „rechtmäßige Kontrolle″ (Art. 2 (1) (c)) über die jeweiligen Daten/Informationen hat.

Die Ursache für diese Lücken liegt auf der Hand. Definitionsvorlage für den Begriff der Geschäftsgeheimnisse war Art. 39 II des TRIPS-Übereinkommens. Jenes ist über 20 Jahre alt und stammt also aus einem analogen Zeitalter. Die auf den Schutz angewiesenen Unternehmen müssen sich diesem Anachronismus stellen. Sie kommen nicht umhin, die rechtlichen Herausforderungen des digitalen Zeitalters mit dem „neuen″ Instrumentarium zu bewältigen. Dass dies eine anspruchsvolle Aufgabe ist, zeigen die intensiven Diskussionen um ein vermeintliches „Dateneigentum„, die – auch in der Praxis – regelmäßig auf die Grundlagen des Know-how-Schutzes zurückführen.

Konsequenzen

Binnen der nächsten zwei Jahre müssen die EU-Mitgliedsländer die Know-how-Schutz-Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Die Unternehmen haben mit Blick auf die gegenwärtige Rechtslage in Deutschland weitaus weniger Zeit, sich auf die kommenden Änderungen vorzubereiten. Nicht zu unterschätzen ist der zeitliche Vorlauf, den die unternehmensweite Implementierung der von der Richtlinie für den Rechtsschutz verlangten „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen″ erfordert.

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Tags: Geschäftsgeheimnisse Know-how-Schutz Know-how-Schutz-Richtlinie