Die Novellierung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie vereinfacht Genehmigungsverfahren weiter. Zum 1. Juli 2024 war das nächste Paket umzusetzen.
Die erneuerbaren Energien sind für die Energiewende unverzichtbar. Der Anteil von erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch der Europäischen Union soll bis zum Jahr 2030 bei 45 % liegen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist am 20. November 2023 die Erneuerbare-Energien-Richtlinie III, oftmals kurz „RED III“ genannt, in Kraft getreten (Richtlinie (EU) 2023/2413). Die Novellierung sieht unter anderem umfassende Maßnahmen vor, um Genehmigungsverfahren im Bereich der erneuerbaren Energien vereinfachen und zu beschleunigen. Genehmigungsverfahren werden an dem Prinzip „Energieeffizienz an erster Stelle“ ausgerichtet. Verfahrenserleichterungen bei der Genehmigung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien hatte die Europäische Union bereits im Dezember 2022 mit der EU-Notfall-Verordnung eingeführt, diese erfolgten jedoch unter dem Eindruck der Gaskrise und wurden zeitlich begrenzt. Mit der RED III werden die Verfahrenserleichterungen verstetigt und erweitert.
Schrittweise Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie
Die Richtlinie muss von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Bereits am 16. Mai 2024 hat der Bundestag als Teil des sog. Solarpakets I Regelungen in Kraft gesetzt, die besonders zeitnah umzusetzen waren. Dies betrifft die Überführung von bestehenden Windenergiegebieten an Land in sogenannte – durch die RED III eingeführte –Beschleunigungsgebiete. Darüber hinaus verlängerte das Paket die Geltungsdauer des Artikel 6 der EU-Notfall-Verordnung um ein Jahr bis zum 30. Juni 2025. Demnach können die durch die EU-Notfall-Verordnung geschaffenen Erleichterungen für Genehmigungsverfahren zunächst weiter angewendet werden.
Im Gesetzgebungsverfahren des Bundes befinden sich derzeit Erleichterungen für die Ausweisung und Zulassung von Windenergieanlagen auf See und für den Stromtransport, die im Folgenden näher vorgestellt werden. Der in das parlamentarische Verfahren eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie in den Bereichen Windenergie auf See und Stromnetze und zur Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes umfasst die planungs- und genehmigungsrechtlichen Erleichterungen der RED III. Außerdem werden Regelungen der Industrieemissionen-Richtlinie für Wasserstoff-Anlagen umgesetzt. Die in dem Gesetzesentwurf zunächst noch mit enthaltene Änderung des Bundesbedarfsplans für den Ausbau der Übertragungsnetze wurde im Ausschuss für Klimaschutz und Energie aus dem ursprünglichen Gesetzesentwurf herausgelöst.
Ein drittes Gesetzespaket zur Umsetzung der Richtlinie im Bereich Windenergie an Land und Solarenergie steht noch aus. Derzeit existiert nur ein Referentenentwurf vom 3. April 2024.
Noch gar nicht angestoßen ist augenscheinlich die Anpassung der Zielvorgaben von erneuerbaren Energien in den einzelnen Sektoren. Die diesbezügliche Umsetzungsfrist der RED III läuft zum 21. Mai 2025 ab.
Neue planerische Ausweisungen und Wegfall umweltbezogener Anforderungen
Der Ausbau der erneuerbaren Energien im Bereich Windenergie auf See und Stromnetze soll insbesondere durch neue Flächen(typen-)ausweisungen beschleunigt werden. Dies sind zum einen Beschleunigungsflächen (nunmehr auch in § 5 WindSeeG-E geregelt), d.h. Flächen, die für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen auf See besonders geeignet sind. Beschleunigungsflächen sollen im Flächenentwicklungsplan überall dort ausgewiesen werden, wo voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Erhebliche Umweltauswirkungen sind nur Auswirkungen auf die Erhaltungsziele im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG (Erhaltungsziele nach der Habitat- und Vogelschutzrichtlinie) und auf die besonders geschützten Arten nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 BNatSchG. Ausschlussgründe für die Ausweisung als Beschleunigungsfläche sind die Lage in einem besonders sensiblen Gebiet (insb. Vorranggebiet Seetaucher und Vorbehaltsgebiet Schweinswale), in der Ostsee, einem Natura 2000-Gebiet, einem Vogelzugkorridor, einem geschützten Meeresgebiet nach § 57 BNatSchG oder innerhalb eines Bereichs mit acht Kilometern Breite um die genannten Gebiete herum.
Auf den Beschleunigungsflächen können Windenergieanlagen auf See beschleunigt zugelassen werden (§ 70a WindSeeG-E), einerseits durch strenge Fristen für die Zulassungsbehörden, andererseits durch echte, materiell-rechtliche Erleichterungen für die Vorhabenzulassung. Insbesondere sind grundsätzlich weder eine UVP noch eine FFH-Verträglichkeitsprüfung gem. § 34 Abs. 1 BNatSchG noch eine artenschutzrechtliche Prüfung gem. § 44 Abs. 1 BNatSchG durchzuführen. Grundsätzlich wird die Prüfung der Umweltauswirkungen „hochgezont“ und bereits auf Ebene der Ausweisung der Beschleunigungsgebiete angelegt. Stattdessen ist nach der Zulassung (nur) ein behördliches Überprüfungsverfahren (Screening) vorgesehen, bei dem geprüft wird, ob das Vorhaben höchstwahrscheinlich erhebliche unvorhergesehene nachteilige Umweltauswirkungen angesichts der ökologischen Empfindlichkeit des Gebiets haben wird, die bei der SUP des Flächenentwicklungsplans und der im Einzelfall durchzuführenden FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 36 BNatSchG nicht ermittelt wurden, und nach dem gegebenenfalls weitere Minderungsmaßnahmen festgelegt werden. Auch dafür sind Fristen vorgesehen. Außerdem müssen schon bei der Ausweisung der Beschleunigungsfläche im Flächenentwicklungsplan Minderungsmaßnahmen festgelegt worden sein. Zudem wird auch für die Bauphase gesetzlich vermutet, dass ein Verstoß gegen artenschutzrechtliche Zugriffsverbote grundsätzlich nicht vorliegt – eine wichtige Erweiterung im Vergleich zu der Vorgängerregelung in der EU-Notfall-Verordnung.
Zum anderen sollen onshore wie offshore durch die Erneuerbare-Energien-Richtlinie III neu eingeführte Infrastrukturgebiete festgelegt werden können (§ 12j EnWG-E), um die Zulassung und den Betrieb von Energieleitungen an Land und von Offshore-Anbindungsleitungen nebst Konvertern zu vereinfachen. Die Infrastrukturgebiete werden nach Durchführung einer SUP und ggf. einer FFH-Verträglichkeitsprüfung in einem neu geschaffenen Infrastrukturgebieteplan festgelegt, der auch Minderungsmaßnahmen enthalten muss. Für Vorhaben in Infrastrukturgebieten entfallen nach dem Entwurf die UVP, die FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG und die artenschutzrechtliche Prüfung nach § 44 Abs. 1 BNatSchG. Diese Aspekte spielen auch bei der Abwägung und bei der Abarbeitung der Eingriffsregelung soweit möglich keine Rolle (§ 70b WindSeeG-E, § 43n EnWG-E). Zudem wird auch für die Bauphase gesetzlich vermutet, dass ein Verstoß gegen artenschutzrechtliche Zugriffsverbote grundsätzlich nicht vorliegt. Es sind jedoch verpflichtende Minderungsmaßnahmen anzuordnen und zeitnah durchzuführen, deren Wirksamkeit ebenfalls in einem behördlichen Überprüfungsverfahren geprüft wird. Außerdem muss der Vorhabenträger eine zusätzliche Ausgleichszahlung in nationale Artenhilfsprogramme leisten. Auch für Vorhaben in Infrastrukturgebieten ist ein behördliches Screening nach der Zulassung vorgesehen.
EU-Notfall-Verordnung geht vor – jedenfalls teilweise
Die Geltungsdauer wesentlicher Teile der EU-Notfall-Verordnung wurde jüngst um ein Jahr – bis zum 30. Juni 2025 – verlängert. Bis zum Ablauf der Umsetzungsfristen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie ist die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren also durch die EU-Notfall-Verordnung sichergestellt. Der Charakter der EU-Notfall-Verordnung als Interimsinstrument bleibt durch die zeitliche Begrenzung weiter erhalten. Jedenfalls bis zum 30 Juni 2025 (derzeitiger Ablauf der Geltung der EU-Notfall-Verordnung) gelten die Erleichterungen des Genehmigungsverfahrens nach der EU-Notfall-Verordnung und nach der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, soweit sie bereits umgesetzt werden mussten, grundsätzlich nebeneinander. Die Voraussetzungen und der anzulegende Prüfungsmaßstab in Art. 6 EU-Notfall-Verordnung und der novellierten Erneuerbare-Energien-Richtlinie unterscheiden sich dabei teilweise.
Der deutsche Gesetzgeber hat dieses Problem in dem jetzt geplanten Gesetz erkannt und das Konkurrenzverhältnis geregelt – bislang allerdings nur für die Bereiche Windenergie auf See und Stromnetze. Danach haben in Deutschland während des Geltungszeitraums der EU-Notfall-Verordnung grundsätzlich deren Regelungen Vorrang vor den Planungs- und Genehmigungsregeln der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (§ 72a Abs. 3 Satz 4 WindSeeG-E).
Ein Schritt in die richtige Richtung, aber Fragen bleiben
Mit der Novellierung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie beschreitet die EU dauerhaft neue Wege bei der Zulassung von Erneuerbare-Energien-Anlagen. Die Regelungen enthalten weitreichende Erleichterungen des materiellen Rechts. Damit werden die schon aus der EU-Notfall-Verordnung bekannten Erleichterungen fortgeschrieben und verstetigt.
Im Hinblick auf die materiell-rechtlichen Erleichterungen gehen die geplanten Regelungen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie über die EU-Notfall-Verordnung hinaus. So gibt es etwa erstmalig Erleichterungen beim Habitatschutzrecht. Zudem wurden offensichtliche Unzulänglichkeiten der bisherigen Regelungen der EU-Notfall-Verordnung beseitigt, z.B. die Problematik, dass der Artenschutz zwar im Genehmigungsverfahren nicht zu prüfen, aber in der Bauausführung trotzdem uneingeschränkt zu beachten war.
Es gibt aber trotzdem noch Handlungsbedarf. An mehreren Stellen scheinen die Regelungen im Energiewirtschaftsgesetz für Vorhaben an Land und im Küstenmeer und die Regelungen im Windenergie-auf-See-Gesetz für Vorhaben in der AWZ noch zu wenig aufeinander abgestimmt. So kann etwa der Vorhabenträger von der zuständigen Behörde verlangen, dass diese auf die Aufstellung eines Infrastrukturgebieteplans für sein Vorhaben verzichtet – dies ist bislang allerdings nicht für Offshore-Anbindungsleitungen vorgesehen, ohne, dass dafür ein sachlicher Grund erkennbar wäre. Die Erleichterungen für die Bauphase wurden ebenfalls im Anwendungsbereich des Windenergie-auf-See-Gesetzes nicht vollständig übernommen.
Weiterhin kann angemerkt werden, dass der obligatorische Verzicht auf die UVP innerhalb der Beschleunigungs- und Infrastrukturgebiete nicht immer zielführend sein muss, da eine UVP – soweit vorgesehen – die Akzeptanz der Projekte fördern könnte. Besser wäre hier eine Wahlmöglichkeit zwischen Screening, nach dem erforderlichenfalls lediglich zusätzliche Minderungsmaßnahmen festgelegt werden, und UVP.
Umsetzungsfrist inzwischen abgelaufen
Die Regeln zur Verfahrensbeschleunigung mussten bis zum 1. Juli 2024 umgesetzt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat das geplante Umsetzungsgesetz nicht mehr vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet und die Frist damit verpasst. Da er jedoch kürzlich den zeitlichen Anwendungsbereich der EU-Notfall-Verordnung bis zum 30. Juni 2025 verlängert hat, bleibt die durch den Gesetzgeber verpasste Umsetzungsfrist zum 1. Juli 2024 einstweilen ohne größere Folgen.
Wann die geplanten Neuerungen tatsächlich kommen und wie sie sich in der Praxis auswirken, wird sich zeigen. Um Rechtssicherheit für Vorhabenträger und Behörden zu schaffen, sollte der Gesetzgeber in Bezug auf die verbleibenden Unklarheiten aber nicht bis dahin abwarten, sondern diese bestenfalls noch im Gesetzgebungsverfahren adressieren – die Gelegenheit dazu hat er jetzt.