8. November 2012
Restrukturierung und Insolvenz

Der weite Weg zum besseren Image des Insolvenzverfahrens

Nichts bewegt die Insolvenzrechtspraxis derzeit mehr als das „ESUG″ und dessen Auswirkungen auf die Insolvenzkultur in Deutschland. Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG, BGBl. 2011, Teil 1 Nr. 64, S. 2582) hat zum Ziel, die Insolvenzordnung sanierungsfreundlicher zu gestalten. Schuldner sollen einen Anreiz erhalten, Insolvenzanträge frühzeitig zu stellen und das Insolvenzverfahren zur Sanierung zu nutzen. Die Reform wird das bisherige Image des Insolvenzverfahrens als Endstation positiv verändern. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg.

Schuldner, Gläubiger, Gerichte und Berater befinden sich bei der Anwendung des ESUG derzeit in einem Findungsprozess. Auch das Umdenken in den Köpfen der Beteiligten wird Zeit benötigen. Noch hat die Vermeidung des „Schreckgespenstes“ Insolvenz oberste Priorität, wenn ein Unternehmen in die Krise gerät. Dabei steht den Schuldnern unterstützend zu den operativen auch eine Vielzahl rechtlicher Instrumente zur Verfügung. Allerdings muss das rechtliche Mittel der Wahl sorgsam ausgesucht und gestaltet sein, um den Weg für die Sanierung des Unternehmens ebnen zu können.

Die überwiegende Zahl der Insolvenzanträge ist auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zurückzuführen. Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dabei sieht die Rechtsprechung es als unschädlich an, wenn diese Zahlungsunfähigkeit innerhalb von drei Wochen beseitigt wird oder lediglich maximal 10% der fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt werden können. Um die Zahlungsfähigkeit jederzeit feststellen und Gegenmaßnahmen rechtzeitig ergreifen zu können, sind die geschäftsführenden Organe angehalten, die Liquidität der Gesellschaft laufend anhand von Liquiditätsplänen zu überwachen. Zeichnet sich eine drohende Zahlungsunfähigkeit ab, so sind Stundungsvereinbarungen mit Vertragspartnern zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit denkbar. Aber auch die Aufnahme neuer Kredite und Zufuhr von liquiden Mitteln durch Gesellschafter können die Gesellschaft wieder in die Lage versetzen, ihre fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die bloße Existenz einer Patronatserklärung ist dagegen in der Regel nicht ausreichend. Erst wenn die notwendigen Mittel durch den Patron tatsächlich zur Verfügung gestellt werden, können diese bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit berücksichtigt werden.

Die komplexe zweistufige Prüfung der Überschuldung als Insolvenzgrund stellt hohe Anforderungen an die geschäftsführenden Organe und macht in der Regel die Hinzuziehung eines qualifizierten externen Beraters unumgänglich. Nach derzeit geltendem Überschuldungsbegriff gilt der Schuldner als überschuldet, wenn das Vermögen des Schuldners bei Ansatz von Liquidationswerten die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (rechnerische Überschuldung) und eine positive Fortführungsprognose für das Unternehmen nicht festgestellt werden kann. Im Gegensatz zur Liquiditätsplanung wird die Prüfung der Überschuldung die geschäftsführenden Organe nicht laufend beschäftigen. Eine handelsbilanzielle Überschuldung sollte aber zum Anlass genommen werden, das Thema näher zu beleuchten und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Erhöhung des Stammkapitals, eine Zahlung in die Rücklage, harte Patronatserklärungen oder Rangrücktrittserklärungen der Gläubiger können taugliche Mittel darstellen, um die drohenden Überschuldung wirksam zu bekämpfen. Die Anforderungen an die Ausgestaltung dieser Mittel befinden sich im Fluss und müssen daher sorgsam auf den Einzelfall zugeschnitten werden. Gerade bei der Rangrücktrittserklärung ist derzeit im Hinblick auf mögliche steuerliche Auswirkungen Vorsicht geboten.

Dr. Alexandra Schluck-Amend/Dr. Sabina Krispenz

Tags: ESUG Gesetzgebung Rangrücktrittserklärung Überschuldung Zahlungsunfähigkeit