23. Januar 2012
Markenrecht

Wenn der djay mit dem eJay zum Gemeinschaftsmarkengericht geht

Markenverletzung ja oder nein? An der Beantwortung dieser Frage hängt oft viel. Sehr viel und noch mehr hängt daran, wenn die Möglichkeit der Verletzung einer Gemeinschaftsmarke im Raum steht. Denn die dafür zuständigen Gemeinschaftsmarkengerichte können über die Frage der Gemeinschaftsmarkenverletzung ein in der gesamten Europäischen Union wirkendes Urteil aussprechen (wir berichteten). Die Entscheidung der Gemeinschaftsmarkengerichte betreffen also einen Wirtschaftsraum mit 27 Staaten und rund 500 Millionen Einwohnern. Eines der 19 deutschen Gemeinschaftsmarkengerichte, die sich dieser Aufgabe stellen müssen, ist das LG Stuttgart. Man urteilt dort also nicht nur schwäbisch, sondern auch europäisch!

Im Rahmen eines Verfügungsantrags machte die Verfügungsklägerin eine Verletzung ihrer Gemeinschaftsmarken „eJay″ (Wortmarke, CTM 1518422) und „eJay″ (Wort-/Bildmarke, CTM 1532068) durch die Verwendung der Bezeichnung „djay″ geltend. Die Bezeichnung „djay″, die markenrechtlich nicht geschützt war, werde von der Verfügungsbeklagten für identische Waren und Dienstleistungen verwendet. Dies führe dazu, dass die Bezeichnung „djay″ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b) der Gemeinschaftsmarkenverordnung mit den „eJay″-Marken in Verbindung gebracht werde. Insoweit sei der Verfügungsbeklagten im gesamten Territorium der Europäischen Union die Nutzung der Bezeichnung „djay″ zu verbieten.

Das LG Stuttgart war jedoch von der angeblichen markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht zu überzeugen (LG Stuttgart, Urteil vom 25.06.2010, Az.: 41 O 28/10 KfH). Denn die Bezeichnung „djay″ wecke in erster Linie Assoziationen an einen Disc-Jockey. Dieser Eindruck sei so eindringlich, dass eine Verwechslung mit der Bezeichnung „eJay″ ausgeschlossen sei. Denn die Bezeichnung „djay″ werde immer als abgekürzte Bezeichnung für einen Disc-Jockey verstanden, wohingegen die Bezeichnung „eJay″ als reiner Fantasiebegriff eingeordnet werde. Dies gelte auch dann, wenn man in Betracht ziehe, dass man die Bezeichnung „eJay″ als Bezeichnung für einen elektronischen Disc-Jockey (also einen e-Disc-Jockey) halten könne. Zudem unterscheide sich auch die Schreibweise der sich gegenüberstehenden Zeichen in markanter Weise dadurch, dass bei den „eJay″-Marken der zweite Buchstabe als Großbuchstabe ausgestaltet sei, was sprachlich derzeit außergewöhnlich und auffallend sei. Bei einer Gesamtabwägung scheidet daher eine Verwechslungsgefahr zwischen der Bezeichnungen „eJay″ und „djay″ auch bei Waren- und Dienstleistungsidentität aus.

Das LG Stuttgart lässt sich also weder ein „X″ für ein „U″ noch ein „d″ für ein „e″ vormachen. Allerdings zeigt die Entscheidung auch, dass Fantasiebezeichnungen markenrechtlich ambivalent sein können: Einerseits haben vor allem Fantasiebezeichnungen das Potential zu starken Marken. Denn solchen Fantasiebezeichnungen fehlen jegliche beschreibende Inhalte, so dass eine Einschränkung des markenrechtlichen Schutzbereiches in aller Regel nicht zu befürchten ist. Andererseits birgt dies bei Kollisionen von Fantasiemarken mit „sprechenden Marken″ (wie im vorliegenden Fall) gewisse Risiken. Denn bei der „sprechenden Marke″ schwingt stets ein gewisser Bedeutungsgehalt mit, der das Verständnis der Marke beeinflusst („djay″ wird assoziiert mit Disc Jockey). Dagegen kann eine Fantasiebezeichnung wie „eJay″ im vorliegenden Fall den Kürzeren ziehen.

Nichtsdestotrotz lohnt sich in aller Regel das Investment in Fantasiebezeichnungen, um die Grundlage für eine starke Marke zu schaffen. Letztlich kommt dies auch in der vorliegenden Auseinandersetzung zum Ausdruck: Der Verfügungsklägerin war es in dem sich anschließenden Berufungsverfahren nicht mehr gelungen, den von ihr vorgeschlagenen Streitwert in Höhe von EUR 250.000,00 zu reduzieren. Denn die Fantasiebezeichnung „eJay″ hatte es bereits zu einem Wikipedia-Eintrag gebracht… Neben anderen Aspekten war dies dem OLG Stuttgart ein Gegenstandswert in Höhe von EUR 250.000,00 für die angebliche Verletzung der „eJay″-Marken wert (Beschluss des OLG Stuttgart vom 08.02.2011, Az.: 2U 129/10).

Tags: 41 O 28/10 KfH djay eJay Fantasiebegriff Gegenstandwert Gemeinschaftsmarke Gemeinschaftsmarkengericht Markenverletzung Prozessrecht Verwechslungsgefahr