10. März 2025
ärztliche Behandlung Rabatt
Wettbewerbsrecht (UWG)

Pauschale Rabatte für ärztliche Behandlungen?

Das Kammergericht Berlin hat entschieden: Ärzte dürfen nicht mit Aussagen wie „30 % Rabatt auf deine nächste Faltenunterspritzung“ werben!

Was bereits das Landgericht Berlin festgestellt hatte (LG Berlin, Urteil v. 30. November 2021 – 91 O 21/21 und Urteil v. 17. Mai 2022 – 102 O 47/22), hat nun auch das Kammergericht Berlin in einem aktuellen Urteil bestätigt (KG Berlin, Urteil v. 28. Januar 2025 – 5 U 13/22): Sowohl die pauschale Gewährung eines Rabattes für eine ärztliche Behandlung als auch die vorgelagerte Werbung mit der Gewährung eines solchen Rabatts verstößt gegen § 5 Absatz 2 Satz 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).

Kammergericht Berlin gibt Unterlassungsanspruch eines Wettbewerbsverbands statt

Dem vorgenannten Urteil des Kammergerichts lag ein Rechtsstreit zwischen einem bekannten Wettbewerbsverband und einem Unternehmen zugrunde, das bundesweit ärztliche Leistungen im Bereich der Schönheitsmedizin anbietet. Der Wettbewerbsverband hatte Werbeaussagen des Unternehmens, die der oben genannten Aussage ähnelten, als unlauter beanstandet und das Unternehmen auf Unterlassung der Bewerbung und Gewährung derartiger Pauschalrabatte für ärztliche Behandlungen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ in Anspruch genommen.

Bereits im Jahr 2021 hat das Landgericht Berlin (Urteil v. 30. November 2021 – 91 O 21/21) erstinstanzlich festgestellt, dass das Rabattangebot des beklagten Unternehmens gegen § 5 GOÄ und damit gegen für alle Ärzte* zwingendes Preisrecht verstößt. Dementsprechend hat es das Unternehmen verurteilt, es zu unterlassen, Rabatte für ärztliche Leistungen zu bewerben und/oder die Rabatte entsprechend der Bewerbung zu gewähren. Zu Recht, wie das Kammergericht kürzlich erkannt hat.

Beworbene Schönheitsbehandlungen fallen in den sachlichen Anwendungsbereich der GOÄ

Dabei ging das Kammergericht zutreffend von der Anwendbarkeit der GOÄ aus. Maßgeblich für den sachlichen Anwendungsbereich der GOÄ ist nach § 1 Abs. 1 GOÄ allein, ob es sich um eine „berufliche Leistung der Ärzte“ handelt. Dieser Begriff ist weit zu verstehen und umfasst alle beruflichen Leistungen eines Arztes, unabhängig davon, ob diese medizinisch notwendig oder nicht zur Heilung einer Gesundheitsstörung erforderlich sind, so das Kammergericht. Daher fällt auch die ärztliche Tätigkeit lediglich zu ästhetischen Zwecken unter den Begriff der „beruflichen Leistungen der Ärzte“.

Das Kammergericht hielt es für unerheblich, dass bei den beworbenen ambulanten Schönheitsbehandlungen das Unternehmen (eine GmbH) selbst (und nicht die behandelnden Ärzte) die Behandlungsverträge mit den Patienten abgeschlossen hat. Es verwies dabei auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach nach dem weiten Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ („berufliche Leistung der Ärzte“) und vor allem dem Sinn und Zweck der in der GOÄ enthaltenen Vorschriften ambulante ärztliche Leistungen auch dann nach der GOÄ abzurechnen sind, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person oder einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) abgeschlossen wird und die Leistungen durch Ärzte im Anstellungs- oder Beamtenverhältnis erbracht werden (BGH, Urteil v. 4. April 2024 – III ZR 38/23).

Pauschale Rabatte stehen mit den durch § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ vorgegebenen Honorarbemessungskriterien nicht in Einklang 

Nach Ansicht des Kammergerichts steht die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ der pauschalen Gewährung eines Rabattes für eine ärztliche Behandlung entgegen. Denn nach dieser Vorschrift bemessen sich die Gebühren innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens nach den individuellen Umständen des Einzelfalls. Das Kammergericht führt hierzu weiter aus, dass sich der Regelung entnehmen lässt, dass die Kriterien zur billigen Bestimmung der Gebühr einzelfall- und leistungsbezogen sind. Die pauschale Rabattgewährung ist mit einer einzelfall- und leistungsbezogenen Abrechnung unvereinbar, selbst wenn sich die Gebühr letztlich noch innerhalb des Gebührenrahmens bewegt, so das Kammergericht.  

Diese recht knappe Begründung des Kammergerichtes überzeugt und steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ. Die Vorschrift bestimmt durch Vorgabe der Kriterien für die Bestimmung der Gebühren innerhalb des durch § 5 Abs. 1 GOÄ vorgegebenen Gebührenrahmens im Interesse des zahlungspflichtigen Patienten die Transparenz der privatärztlichen Liquidation und zielt auf eine angemessene und leistungsgerechte Vergütung ab (vgl. LG München I, Urteil v. 19. Dezember 2019 – 17 HK O 11322/18; LG Berlin, Urteil v. 17. Mai 2022 – 102 O 47/22). Eine „richtige“ Abrechnung müsste somit zu dem gleichen Ergebnis für die gleiche Leistung kommen. Hiermit ist die pauschale Gewährung eines Rabatts für die ärztliche Behandlung unvereinbar. Denn der Rabatt führt im Ergebnis dazu, dass der Arzt bzw. Unternehmen, das den Behandlungsvertrag abgeschlossen hat, für seine Leistungen weniger berechnet, als hierfür angemessen wäre (vgl. LG Berlin, Urteil v. 17. Mai 2022 – 102 O 47/22).

Das Kammergericht stellt in seinem Urteil weiter fest, dass aus der Unvereinbarkeit einer pauschalen Rabattgewährung mit den sich aus § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ ergebenden Abrechnungskriterien zugleich folgt, dass auch eine der Behandlung vorgelagerte Werbung mit der Gewährung eines solchen Rabatts für eine in den Anwendungsbereich des § 5 GOÄ fallende ärztliche Leistungen unzulässig ist. Denn eine andere Sichtweise wäre mit dem Anliegen des Gesetzgebers, im Interesse eines funktionierenden Gesundheitswesens den (Preis-)Wettbewerb unter den Ärzten zu regeln und gleiche rechtliche Voraussetzungen für die auf diesem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen, unvereinbar.

Pauschale Rabatte sind nicht nach § 2 GOÄ zulässig

Nach der überzeugenden Auffassung des Kammergerichts ist eine pauschale Rabattgewährung auch nicht nach der Vorschrift des § 2 GOÄ, auf welche sich das beklagte Unternehmen berufen hatte, zulässig. Die Vorschrift erlaubt zwar unter den dort genannten Voraussetzungen eine von § 5 GOÄ abweichende Vereinbarung über die Gebührenhöhe. Der Abschluss einer Vereinbarung ist jedoch nur im Einzelfall zulässig und erfordert nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GOÄ neben der Einhaltung der Schriftform grundsätzlich eine persönliche Absprache zwischen Arzt und Patient, an welcher es bei der generellen Preisgestaltung bzw. Rabattgewährung des Unternehmens fehlt. 

Fazit: Abmahnrisiko bei Werbung mit pauschalen Rabatten für ärztliche Behandlungen

Nach dem Urteil des Kammergerichts Berlin wurde nunmehr erstmals durch obergerichtliche Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren geklärt, dass für ärztliche Leistungen keine pauschalen Rabatte beworben oder angeboten werden dürfen. Da auch das OLG Frankfurt in einem Eilverfahren der Auffassung war, dass ein pauschaler Rabatt auf ärztliche Behandlungskosten ohne individuelle Absprache zwischen Arzt und Patient sowohl gegen § 5 GOÄ als auch gegen das UWG verstößt (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 9. November 2023 – 6 U 82/23 und FD-MedizinR 2024, 810090, Anm. Braun), sollten Ärzte bzw. die sie beschäftigenden Unternehmen, die die Behandlungsverträge mit den Patienten abschließen, von der Bewerbung und Gewährung von Rabatten auf ärztliche Leistungen absehen. Andernfalls setzen sie sich der Gefahr von Abmahnungen und ggf. Schadensersatzansprüchen ihrer Wettbewerber aus. 

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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