12. Juni 2015
Lebensmittelverpackungen: Himbeere drauf - Himbeere drin?
Wettbewerbsrecht (UWG)

Lebensmittelverpackungen: Nur wo Himbeere drin ist, darf auch Himbeere drauf 

EuGH verschärft Anforderungen an die Gestaltung von Lebensmittelverpackungen: Gesamtbetrachtung aller Informationen auf der Etikettierung erforderlich!

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer aktuellen Entscheidung (C 195/14) vom 4. Juni 2015 das lebensmittelrechtliche Irreführungsverbot verschärft und die Anforderungen an die Gestaltung von Lebensmittelverpackungen erhöht: Auf Anfrage des Bundesgerichtshofs (BGH) urteilten die Luxemburger Richter, dass die Aufmachung eines Lebensmittels die Verbraucher auch dann nicht über dessen Zutaten täuschen dürfe, wenn die Zutaten in der Zutatenliste zutreffend angegeben würden.

Verpackung zeigte Himbeeren und Vanille – obwohl diese nicht enthalten waren

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (BVV) hatte die Teekanne GmbH & Co. KG wegen irreführender Angaben auf einer Lebensmittelverpackung auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Auf der Verpackung des von Teekanne vertriebenen Früchtetees „FELIX HIMBEER-VANILLE ABENTEUER″ befanden sich Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten sowie die Hinweise „nur natürliche Zutaten″ und „Früchtetee mit natürlichen Aromen“. Dies hielt der BVV deshalb für unzulässig, weil der Tee zwar natürliche Zutaten und Aromen, aber weder Bestandteile von Vanille oder Himbeere noch deren Aromen enthielt.

LG Düsseldorf und OLG Düsseldorf vertraten unterschiedliche Auffassungen

Das Landgericht Düsseldorf gab dem BVV in erster Instanz Recht und stufte die Tee-Verpackung vor diesem Hintergrund als irreführend ein. Das OLG Düsseldorf wies die Klage dagegen ab. Zur Begründung führte es aus, dass aus der – auf der Verpackung ebenfalls abgedruckten – Zutatenliste eindeutig hervorgehe, dass die verwendeten natürlichen Aromen nicht aus Himbeeren und Vanille gewonnen würden, sondern lediglich danach schmeckten. Eine richtige und vollständige Zutatenliste genüge nach der Rechtsprechung des EuGH aber, um eine Irreführung der Verbraucher auszuschließen.

BGH fragt EuGH ob die Zutatenliste ausreicht

Auf die Revision des BVV setzte der BGH das Verfahren schließlich aus und bat den EuGH um Klärung, ob die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln nach der Europäischen Richtlinie über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln (2000/13/EG) den unzutreffenden Eindruck erwecken dürfe, dass eine bestimmte Zutat vorhanden sei, weil eine Irreführung durch die korrekte Zutatenliste abgewendet werde.

Die Anfrage machte deutlich, dass die Karlsruher Richter an der Lauterkeit der „Teekanne“-Verpackung zweifelten: Angesichts deren eindeutiger Aufmachung, so der BGH, hätten die Verbraucher keine Veranlassung, die Zutatenliste überhaupt zu prüfen.

EuGH verschärft Anforderungen an die Aufmachung von Lebensmittelverpackung

Der EuGH hat sich diesen Zweifeln angeschlossen und seine Rechtsprechung zum lebensmittelrechtlichen Irreführungsverbot verschärft: Noch unter Geltung der Vorgängerrichtlinie 79/112/EWG vom 18. Dezember 1978 hatte der EuGH zwischen 1995 und 2000 in drei Entscheidungen eine abweichende Auffassung vertreten. Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung der Erzeugnisse richteten, würden zunächst das Zutatenverzeichnis lesen. Die Gefahr, dass sie durch die Produktaufmachung irregeführt werden könnten, sei daher zu vernachlässigen.

An dieser Auffassung hält der EuGH nun nicht mehr fest: Die Luxemburger Richter schlossen sich in ihrer aktuellen Entscheidung der Sichtweise des BGH an. Sie bekräftigten, dass das Verbot der irreführenden Etikettierung aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13/EG dahingehend auszulegen sei, dass eine Irreführung nicht allein durch zutreffende Angaben in der Zutatenliste ausgeschlossen werden könne.

Vielmehr sei im Rahmen einer Gesamtwürdigung auf alle Informationen auf der Etikettierung abzustellen. Hierzu zählten alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf das Lebensmittel bezögen und die auf dessen Verpackung angebracht seien. Für den Fall, dass sich diese Angaben von den Angaben in der Zutatenliste unterschieden, sei jeweils im Einzelfall zu bestimmen, ob der Durchschnittsverbraucher – trotz korrekter Angaben in der Zutatenliste – durch die Verpackung insgesamt in die Irre geführt werde.

Fazit: Irreführung auch bei korrekter Zutatenliste möglich

Der EuGH hat das Irreführungsverbot für Angaben auf Lebensmittelverpackungen verschärft und die rechtlichen Anforderungen an deren Gestaltung erhöht. Angesichts dieser Neuorientierung ist davon auszugehen, dass der BGH die – dem Ausgangsverfahren zugrundeliegende –„Teekanne“-Verpackung für irreführend erklären wird.

Wenngleich die für die Entscheidung des EuGH maßgebliche Richtlinie 2000/13/EG mittlerweile außer Kraft getreten ist, spricht viel dafür, dass der EuGH auch in Zukunft an seiner neuen Rechtsprechung festhalten und das nunmehr geltende Irreführungsverbot in Art. 7 Abs. 1 der Europäischen Lebensmittelinformationsverordnung (EU) Nr. 1169/2011 entsprechend auslegen wird. Mit anderen Worten: Nur wo Himbeere drin ist, darf in Zukunft auch Himbeere drauf.

Tags: Irreführung Lebensmittelverpackungen Wettbewerbsrecht