21. Februar 2011
Wettbewerbsrecht (UWG)

Wenn der Wettbewerber den Geldhahn zudrehen lässt

…kann es unangenehm werden. Unternehmen müssen in Zukunft mit dem Gebrauch eines recht „scharfen Schwerts″ durch ihre Konkurrenten rechnen:

War es bislang in der deutschen Rechtsprechung umstritten, ob Wettbewerber gegen die vorzeitige Gewährung von Beihilfen vorgehen können, hat der Bundesgerichtshof nun diese Frage in einem wegweisenden Urteil (Az. I ZR 136/09) bejaht. Demnach kann nach den Vorschriften über die unerlaubte Handlung (BGB) und des Wettbewerbsrechts (UWG) Auskunft, Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz verlangt werden, wenn eine Beihilfe trotz Anmeldepflicht frühzeitig vor einer Genehmigung durch die Europäische Kommission gewährt wird.

Aufgrund des so genannten Durchführungsverbots aus Art. 108 Abs. 3 S. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV – früher Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG) dürfen anmeldepflichtige Beihilfen erst nach einer Genehmigung durch die Europäische Kommission gewährt werden. Wird eine Beihilfe vorzeitig gewährt und damit das Durchführungsverbot verletzt, so kann die Europäische Kommission selbst nur in Ausnahmefällen von den Mitgliedstaaten die einstweilige Rückforderung der Beihilfe bis zum Erlass der endgültigen Kommissionsentscheidung verlangen. Der Europäische Gerichtshof weist daher die Aufgabe der einstweiligen Rückforderung vorzeitig gewährter Beihilfen in ständiger Rechtsprechung den Gerichten der Mitgliedstaaten zu und betont, dass gerade die Wettbewerber des Begünstigten die Möglichkeit haben müssten, die einstweilige Rückforderung vor nationalen Gerichten durchzusetzen.

In Deutschland war es in den vergangenen Jahren dennoch umstritten, ob Wettbewerber ihre Ansprüche gerichtlich geltend machen können. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 hatte das OLG München Ansprüche eines Wettbewerbers noch abgelehnt. Seinerzeit ging es um Klagen privater Krematoriumsbetreiber, welche sich gegen Steuervergünstigungen zugunsten von Konkurrenten zur Wehr setzen wollten. Das OLG München begründete damals seine ablehnende Haltung damit, dass das Durchführungsverbot kein Schutzgesetz sei, welches die Rechte der Wettbewerber schütze (EuZW 2004, 127). In letzter Konsequenz hätte dieses Urteil nicht nur das „Aus″ für Konkurrentenklagen vor Zivilgerichten bedeutet. Mangels Klagebefugnis wäre auch der Weg zu den Verwaltungsgerichten versperrt gewesen.

In der Folgezeit kam es zu weiteren Klagen. In dem nun entschiedenen Fall wehrte sich die Lufthansa gegen Konditionen, die der Flughafen Frankfurt-Hahn der Fluggesellschaft Ryanair eingeräumt hatte und bewertete diese als unzulässige Beihilfe. Die Lufthansa argumentierte, dass der Flughafen aufgrund der Beteiligungsverhältnisse ein öffentliches Unternehmen sei, dessen Handeln dem Staat zuzurechnen sei. Die Lufthansa verlangte daher Auskunft über die Ryanair gewährten Vorteile und die Unterlassung, Ryanair „Marketing Support″ oder sonstige Zuschüsse zu gewähren. Landgericht und Berufungsgericht hatten die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hatte angenommen, es bestehe keine Grundlage für Ansprüche der Klägerin gegen den Flughafen. Insbesondere komme das EU-beihilfenrechtliche Durchführungsverbot nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht. Ob der Flughafen tatsächlich Beihilfen an Ryanair gewährt habe, bedürfe deshalb keiner Entscheidung.

Der Bundesgerichtshof hat nun das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben. Es komme nämlich in Betracht, dass die Ansprüche der Lufthansa auf deliktsrechtlicher Grundlage (§ 823 Abs. 2 BGB) begründet seien. Das beihilferechtliche Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV sei ein Schutzgesetz, das auch im Interesse der Konkurrenten des Beihilfeempfängers bestehe. Darüber hinaus sei es auch eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), so dass Verstöße gegen das Verbot wegen Rechtsbruchs unlauter seien. Wer gegen das Durchführungsverbot verstoße, könne daher delikts- und wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung, Auskunft, Beseitigung der Beeinträchtigung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden.

Das Berufungsgericht hat nunmehr zu prüfen, ob die Ryanair eingeräumten Konditionen staatliche Beihilfen sind, die der Europäischen Kommission anzumelden waren. Dabei wird es insbesondere darauf ankommen, ob die entsprechenden Handlungen des Flughafens dem Staat zurechenbar sind, ob andere Fluggesellschaften dieselben Konditionen wie Ryanair erhalten konnten und ob sich der Flughafen wie ein privater Marktteilnehmer verhalten hat. Sollte das Berufungsgericht Beihilfen feststellen, darf es nicht darüber entscheiden, ob sie genehmigt werden können. Diese Beurteilung obliegt dann allein der Europäischen Kommission. Die Kommission habe zwar bereits ein Beihilfeprüfverfahren eingeleitet, so der Bundesgerichtshof, das Verfahren vor dem Berufungsgericht sei aber nicht auszusetzen, bis die Europäische Kommission eine Entscheidung getroffen habe.

Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs liegt erstmalig eine höchstrichterliche Rechtsprechung vor, welche den Wettbewerbern von Beihilfenempfängern erlaubt, vor nationalen Gerichten gegen eine unrechtmäßige vorzeitige Beihilfengewährung vorzugehen. Bislang waren gerade Zivilgerichte derartigen Konkurrentenklagen gegenüber häufig ablehnend eingestellt gewesen. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass künftig bei der Gewährung von nicht angemeldeten Beihilfen ein weiteres Risiko besteht. Drohte bislang vor allem die Vertragsnichtigkeit nach § 134 BGB, ist zukünftig in verstärktem Maße auch auf Klagen von Konkurrenten zu achten.

(Siehe auch Bundesgerichtshof, Pressemitteilung Nr. 28/2011 vom 10. Februar 2011)

Tags: Art. 108 AEUV Beihilfe BGH Durchführungsverbot I ZR 136/09 Konkurrentenklage Marketing Support Rückforderung von Beihilfen Ryanair § 4 Nr. 11 UWG § 823 BGB