„Will mein Schuldner nicht zahlen – oder kann er es schlicht nicht?“ Diese Frage treibt viele Gläubiger um. Doch wenn klar wird, dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt, bleibt oft nur ein letzter Ausweg: der Insolvenzantrag.
Viele Unternehmer kennen das Problem: Ein Kunde zahlt trotz fälliger Rechnung nicht. Möglicherweise wurde die Rechnung übersehen, oder es bestehen Unstimmigkeiten, die einer Zahlung entgegenstehen. Es könnte sich auch lediglich um eine vorübergehende Zahlungsstockung handeln, bei der der Schuldner innerhalb kurzer Zeit (in der Regel drei Wochen) wieder in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Doch wenn sich herausstellt, dass der Schuldner dauerhaft zahlungsunfähig ist, stellt sich die Frage, welche Schritte als Nächstes sinnvoll sind.
Der Gläubigerinsolvenzantrag: Ein gangbarer Weg?
Ein möglicher Weg ist der Insolvenzantrages durch den Gläubiger. Während ein solcher Antrag in Deutschland weniger gebräuchlich ist, als in anderen europäischen Ländern, ist er rechtlich zulässig und keineswegs verwerflich. Der Gläubiger muss hierfür in der Regel auch nicht zunächst eine erfolglose Einzelzwangsvollstreckung gegen den Schuldner durchlaufen Allerdings unterwirft sich der Gläubiger mit diesem Schritt den Regeln der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung (§ 1 InsO). In der Praxis bedeutet das, dass die verfügbaren Vermögenswerte des Schuldners anteilig unter den Gläubigern aufgeteilt werden. Die Göße des „Kuchenstücks“ hängt von der Masse des Schuldnervermögens, der Anzahl der Gläubiger und der Höhe der Forderungen ab.
Voraussetzungen für einen Gläubigerantrag
Nach § 14 Abs. 1 InsO kann ein Gläubiger grundsätzlich dann einen Insolvenzantrag stellen, wenn er seine Forderung sowie den Insolvenzgrund – zumeist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners – , glaubhaft macht und ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Zulässigkeit eines Gläubigerinsolvenzantrages strengen Anforderungen unterliegt. Diese dienen dem Schutz des Schuldners vor missbräuchlichen Anträgen. Wie hoch die Anforderungen an einen solchen Insolvenzantrag im Einzelfall sind bzw. wie streng die Voraussetzungen hierfür geprüft werden, kann von Insolvenzgericht zu Insolvenzgericht erheblich variieren. Der Gläubigerantrag ist zulässig, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Bestehen einer Forderung: Der Gläubiger muss glaubhaft machen, dass eine Forderung gegen den Schuldner besteht (§ 294 ZPO). Idealerweise ist die Forderung bereits tituliert – etwa durch ein Urteil – denn durch die Vorlage des Titels wird das Bestehen der Forderung bereits hinreichend nachgewiesen. Andernfalls ist der Forderungsgrund schlüssig darzulegen und der Bestand der Forderung durch geeignete Unterlagen glaubhaft zu machen. Dies können insbesondere Verträge, Buchungsbestätigungen, Rechnungen, Zahlungsaufforderungen oder -vereinbarungen oder Korrespondenz zu der Forderung (per E-Mail oder Textnachricht) sein. In der Praxis üblich und hilfreich ist es darüber hinaus, das Zustandekommen der Forderung und ihre Fälligkeit im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung zu bestätigen. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten: Eine falsche eidesstattliche Versicherung zieht strafrechtliche Konsequenzen nach sich (§ 156 StGB).
- Vorliegen eines Insolvenzgrundes: Weiter ist es erforderlich, einen allgemeinen Insolvenzgrund glaubhaft zu machen. Dies kann entweder die Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sein – jedoch nicht die bloß drohende Zahlungsunfähigkeit, die ausschließlich vom Schuldner selbst geltend gemacht werden kann. Da Gläubiger in der Regel keinen direkten Einblick in die Vermögensverhältnisse des Schuldners haben, gestaltet sich der Nachweis eines Insolvenzgrundes in der Praxis oft schwierig. Es genügt aber, wenn der Gläubiger überzeugende Indizien vorlegt.
Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 17 InsO) kann beispielsweise durch eine Fruchtlosigkeitsbescheinigung eines Gerichtsvollziehers glaubhaft gemacht werden, was allerdings voraussetzt, dass zuvor eine erfolglose Zwangsvollstreckung stattgefunden hat. Alternativ können auch andere Belege, wie etwa Ausdrucke von E-Mails, Textnachrichten oder ähnliche Dokumente, die Zahlungsunfähigkeit stützen. Besonders aussagekräftig sind Erklärungen des Schuldners, in denen er angibt, nicht mehr in der Lage zu sei, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen, beispielsweise Gehälter, zu bedienen.
Schwierigkeiten treten vor allem dann auf, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit nur mündlich eingeräumt hat und keine Zeugen diese Aussage bestätigen können. In solchen Fällen kann der Gläubiger dem Insolvenzgericht eine eidesstattliche Versicherung vorlegen, um die Zahlungsunfähigkeit glaubhaft zu machen.
- Rechtsschutzinteresse: Schließlich muss ein besonderes Rechtsschutzinteresse vorliegen, also ein berechtigtes eigenes Interesse des Gläubigers an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Es ist regelmäßig bereits dann gegeben, wenn dem Gläubiger eine Forderung gegen den Schuldner zusteht und er den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Die Höhe der Forderung spielt in aller Regel keine Rolle.
Ein Rechtsschutzinteresse besteht ausnahmsweise nicht , wenn der Gläubiger vom Schuldner umfangreiche Sicherheiten erhalten hat, wie etwa Grundschulden, Hypotheken oder Sicherungsübereignungen, die bei Verwertung ausreichen würden die Forderung des Gläubigers vollständig zu befriedigen. Auch bei sogenannten Druckanträgen – also Anträgen, die lediglich dazu dienen, den Schuldner zur Zahlung zu bewegen – verneint die Rechtsprechung in der Regel ein Rechtsschutzinteresse. Liegt ein solches Rechtsschutzinteresse nicht vor, wird der Gläubigerantrag als unzulässig abgewiesen.
Vorsicht bei „Druckanträgen″
Wird ein Insolvenzantrag primär gestellt, um den Schuldner unter Druck zu setzen, drohen erhebliche rechtliche und finanzielle Risiken:
- Stuft das Insolvenzgericht den Insolvenzantrag als missbräuchlich ein, kann dies zur Abweisung und zur Kostenhaftung des Gläubigers führen.
- Führt der ausgeübte „Druck″ dazu, dass der Schuldner die Forderung doch noch begleicht, könnte diese Zahlung in einem späteren Insolvenzverfahren des Schuldners als insolvenzrechtlich anfechtbar eingestuft werden.
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn der Schuldner nach Stellung des Gläubigerinsolvenzantrags die Forderung begleicht. In diesem Fall ist der Gläubiger nicht verpflichtet, das Verfahren weiterzuführen, sondern kann entscheiden, ob er die Sache für erledigt erklärt. Einige Insolvenzgerichte haben in der Vergangenheit aus der Tatsache, dass der Gläubiger kein Interesse mehr an einem Insolvenzverfahren hatte, den Schluss gezogen, es handele sich um einen Druckantrag, und ihm deshalb die Kosten des Verfahrens auferlegt. Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss v. 24. September 2020 – IX ZB 71/19) hat allerdings inzwischen klargestellt, dass die bloße Erledigungserklärung nicht automatisch auf einen Druckantrag hindeutet. Hierzu müssen zusätzlich weitere Umstände vorliegen.
Sonderfall: Gläubigerinsolvenzantrag bei Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen
Seit dem 1. Januar 2021 haben Schuldner im Falle einer drohenden Zahlungsunfähigkeit durch das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) die Möglichkeit, eine vereinfachte Restrukturierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens vorzunehmen. Um den Restrukturierungsprozess zu schützen, kann der Schuldner die Anordnung sogenannter Stabilisierungsmaßnahmen beantragen. Solange solche Maßnahmen bestehen, wird ein Gläubigerinsolvenzantrag vom Insolvenzgericht nicht geprüft; das Verfahren wird kraft Gesetzes ausgesetzt (§ 58 StaRUG). Dies gilt sowohl für Anträge, die vor der Anordnung der Stabilisierungsmaßnahme gestellt wurden, als auch für solche, die nach deren Erlass eingereicht werden. Gegen die Aussetzung des Verfahrens kann der Gläubiger nicht unmittelbar vorgehen. Der einzige Ausweg besteht darin, die Beendigung der Stabilisierungsmaßnahme zu beantragen (§ 59 Abs. 2 StaRUG). Dies ist insbesondere dann relevant, wenn der Schuldner nicht nur drohend zahlungsunfähig, sondern zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Gläubiger mit seiner Forderung selbst von dem Restrukturierungsverfahren betroffen ist.
Insolvenzantrag durch den Gläubiger: Risikofaktor Kostenhaftung
Was kostet es den Gläubiger, einen Insolvenzantrages zu stellen? Es kann sehr ungünstig sein, wenn der Insolvenzantrag abgewiesen wird, etwa weil die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. In dem Fall trägt der Gläubiger nicht nur die anfallenden Gerichtskosten, sondern könnte sich unter Umständen gegenüber dem Schuldner schadensersatzpflichtig machen. Wenn das Vermögen des Schuldners nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens abzudecken (§ 26 InsO) wird der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen. Das gilt auch, wenn im Verlauf des eröffneten Insolvenzverfahrens einer Verfahrenseinstellung mangels Masse erfolgt (§ 207 InsO). Der Gläubiger, der den Insolvenzantrag gestellt hat, haftet dann als sogenannter Zweitschuldner für die Kosten des Vorverfahrens mit (§ 23 Abs. 1 S. 1 GKG). Die Antragsgebühr bemisst sich dabei nach dem Wert der geltend gemachten Forderung, beträgt aber mindestens EUR 180,00.
Um nicht in eine Sackgasse zu geraten, sollte ein Gläubigerinsolvenzantrag daher nur nach sorgfältiger Vorbereitung gestellt werden. Dabei ist es wichtig zu prüfen, ob der Schuldner voraussichtlich in der Lage sein wird, die Verfahrenskosten zu tragen. Ein Gläubigerinsolvenztrag sollte daher stets als „ultima ratio″ betrachtet werden.
Tilgung der Insolvenzforderung
Auch wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist der Gläubiger noch nicht am Ziel. Die Insolvenzgläubiger müssen ihre Insolvenzforderungen zur sogenannten Insolvenztabelle (§ 175 InsO) anmelden. Diese Forderungen werden vom Insolvenzverwalter auf Bestand, Höhe und Rang geprüft. Abschließend wird die angemeldete Forderung entweder festgestellt oder sie wird dem Grunde oder der Höhe nach (gegebenenfalls auch vorläufig) bestritten. Wird die Forderung bestritten, sind möglicherweise weitere Schritte erforderlich, um die Forderung zur Insolvenztabelle feststellen zu lassen, damit der anmeldende Gläubiger an der Verteilung der Masse teilhaben kann. Handelt es sich um eine nicht titulierte Forderung, die von dem Insolvenzverwalter bestritten wird, dann muss der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle erheben.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.