Seit 25 Jahren bietet die InsO verschiedene Werkzeuge, um Gläubiger bestmöglich befriedigen und gleichzeitig Unternehmen nachhaltig sanieren zu können.
Die Insolvenzordnung (InsO) feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Mit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1999 wurde ein grundlegender Wandel im deutschen Insolvenzrecht vollzogen. Zuvor orientierten sich die Regelungen der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung primär an der Verwertung des schuldnerischen Unternehmens, was häufig zu dessen Zerschlagung führte. Dabei kam es in vielen Fällen zu einer signifikanten Entwertung des Vermögens, was die Aussichten auf eine vollständige Befriedigung der Gläubiger weiter minimierte.
Zwar handelt es sich auch bei der InsO um ein Verfahren zur Schuldenregulierung, das auf die Verwertung des Vermögens des Schuldners abzielt, jedoch berücksichtigen die Regelungen der InsO die Erkenntnis, dass durch die Restrukturierung von Unternehmen eine unnötige Vernichtung von Werten vermieden werden kann. Das Ziel der InsO, die „bestmögliche Gläubigerbefriedigung“ zu erreichen, wird demnach in den Kontext der Werterhaltung und Arbeitsplatzsicherung gestellt.
Was war neu mit der Einführung der Insolvenzordnung?
Die Insolvenzordnung brachte zahlreiche Neuerungen, die das Insolvenzverfahren flexibler und effizienter machten:
- (drohende) Zahlungsunfähigkeit: Um der sogenannten Massearmut entgegenzuwirken und die Eröffnung von Verfahren zu vereinfachen, wurde durch die InsO ein engerer Maßstab für die Zahlungsunfähigkeit angelegt. Zudem wurde die „drohende Zahlungsunfähigkeit″ als neuer weiterer Insolvenzgrund eingeführt. Diese Regelung zielt darauf ab, eine frühzeitige Verfahrenseröffnung zu ermöglichen und die Gläubiger aktiv einzubeziehen, um zu verhindern, dass potenzielle Restrukturierungsmöglichkeiten durch den unkontrollierten Zugriff einzelner, gut abgesicherter Gläubiger gefährdet werden.
- Insolvenzplanverfahren: Das Insolvenzplanverfahren ist als eine Variante des Insolvenzverfahrens dem Verwertungsverfahren gleichgestellt. Es ermöglicht, Schuldner und Gläubiger auf einen Plan zu verpflichten, der das Unternehmen wirtschaftlich stabilisiert. Das Insolvenzplanverfahren bietet flexible Lösungen, wie etwa Schuldenschnitte oder Kapitalmaßnahmen, und erlaubt so eine maßgeschneiderte Restrukturierung.
- Eigenverwaltung: Ein weiteres zentrales Element der InsO ist die Eigenverwaltung. Hierbei bleibt die Geschäftsführung eines Unternehmens während des Insolvenzverfahrens im Amt und führt das Unternehmen weiter, jedoch unter Aufsicht eines Sachwalters. Die Eigenverwaltung bietet der Unternehmensleitung mehr Handlungsspielraum und stärkt die Position des Unternehmens bei der Restrukturierung.
- Verbraucherinsolvenz: Auch Privatpersonen profitieren seit der Einführung der InsO von einem klar geregelten Insolvenzverfahren. Mit der Verbraucherinsolvenz wurde ein Weg geschaffen, wie überschuldete Privatpersonen wieder auf die Beine kommen können.
Mit diesen Neuerungen wurde der Grundstein für eine stärkere und flexiblere Restrukturierungspraxis gelegt. Unternehmen erhielten neue Werkzeuge, um wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bewältigen, ohne sofort auf die Zerschlagung zusteuern zu müssen.
Flexiblere Restrukturierungsmöglichkeiten durch das ESUG
Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der InsO war die Einführung des Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) im Jahr 2012. Dieses Reformpaket baute vor allem die Eigenverwaltung, bei der die Geschäftsleitung im Insolvenzverfahren die Zügel weiter in der Hand hält, als ein zentrales Restrukturierungsinstrument aus. Bis zur Einführung der Regelungen durch das ESUG war die Eigenverwaltung aufgrund der hohen Hürden und eines unterstellten Missbrauchspotenzials („es wird der Bock zum Gärtner gemacht“) selten bis gar nicht genutzt worden. Seit Inkrafttreten des ESUG können Unternehmen die Eigenverwaltung nun schon im vorläufigen Insolvenzverfahren beantragen, was Planungssicherheit und Handlungsspielraum erheblich vergrößert hat.
Ebenfalls durch das ESUG eingeführt wurde das sog. Schutzschirmverfahren, dass es kriselnden Unternehmen erlaubt, in Eigenregie einen Insolvenzplan zu entwickeln und umzusetzen. Hierbei bleibt die Geschäftsführung im Amt und erhält Schutz vor Vollstreckungen durch Gläubiger, während das Unternehmen in Ruhe restrukturiert werden kann. Das Verfahren ist vor allem dann sinnvoll, wenn bereits ein belastbares Restrukturierungskonzept vorliegt, das zeitnah umgesetzt werden kann.
StaRUG – Präventive Restrukturierung außerhalb der Insolvenz
Flankiert wird die InsO seit 2021 durch das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG). Das StaRUG richtet sich an Unternehmen, die zwar noch nicht zahlungsunfähig sind, aber bereits in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken. Es ermöglicht Unternehmen, frühzeitig Verhandlungen mit ihren Gläubigern zu führen, um eine außergerichtliche Restrukturierung einzuleiten. Der Vorteil: Unternehmen können sich durch das StaRUG vor einer formellen Insolvenz schützen, was sowohl rechtliche als auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt.
Internationale Vorbildfunktion der Insolvenzordnung
Die InsO hat sich als eines der besten Insolvenzrechte in Europa etabliert und diente zahlreichen Ländern als Vorlage, darunter Österreich, die Schweiz und die Niederlande. Der Erfolg der InsO zeigt sich nicht nur in der positiven Entwicklung von Unternehmenssanierungen in Deutschland, sondern auch in der Anerkennung ihrer Prinzipien auf internationaler Ebene.
Das Insolvenz-Stigma: Ein noch ungelöstes Problem
Trotz der Vielzahl an neuen und modernen Restrukturierungsinstrumenten bleibt das Stigma einer Insolvenz in Deutschland ein großes Hindernis. Viele Geschäftsleiter zögern, frühzeitig Hilfe zu suchen, weil sie eine Insolvenz als persönliches Scheitern empfinden. Diese Wahrnehmung führt noch immer dazu, dass Maßnahmen zur Restrukturierung zu spät ergriffen werden, wodurch wertvolle Zeit und Chancen verloren gehen.
Während in anderen Ländern, wie den USA, ein gescheitertes Unternehmen eher als Lernprozess betrachtet wird, haftet in Deutschland der Insolvenz oft noch der Makel des Versagens an. Dabei ist es entscheidend, sich frühzeitig Unterstützung zu holen und die bestehenden Instrumente wie Eigenverwaltung, Schutzschirmverfahren oder StaRUG zu nutzen, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Die frühzeitige Nutzung dieser Möglichkeiten erhöht die Chancen auf einen erfolgreichen Neustart erheblich.
Blick in die Zukunft: Weitere Entwicklungen in der Sanierungspraxis
Die Einführung der Insolvenzordnung vor 25 Jahren hat die Unternehmenssanierung in Deutschland revolutioniert. Sie bietet heute eine Vielzahl von Werkzeugen, um Krisenunternehmen nachhaltig sanieren zu können. Trotz dieser Fortschritte bleibt jede Restrukturierung eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Verantwortung, Fingerspitzengefühl und eine klare Strategie erfordert. Dennoch gibt es weiterhin Potenzial für Verbesserungen und Anpassungen. In Zukunft wird der Instrumentenkasten für Sanierungen wahrscheinlich noch umfangreicher werden. Ein Beispiel dafür ist das geplante Pre-Pack-Verfahren der EU, das die Übernahme und Fortführung eines Unternehmens in einem Insolvenzverfahren erheblich beschleunigen könnte. Entscheidend wird jedoch bleiben, dass das Stigma der Insolvenz weiter abgebaut wird, um Unternehmen frühzeitig die Chance auf einen erfolgreichen Neustart zu geben.
Dieser Blogbeitrag markiert den Beginn unserer neuen Blogserie „InsO-Einmaleins“. Ziel der Reihe ist es, Ihnen einen umfassenden Überblick zu den grundlegenden Themen der Insolvenzordnung zu bieten. In den kommenden Beiträgen werden wir den Ablauf des Insolvenzverfahrens erläutern, zeigen, wie Sie Insolvenzbekanntmachungen suchen können, und erklären, wie ein Insolvenzantrag sowie das Insolvenzeröffnungsverfahren ablaufen. Darüber hinaus werden wir die Rolle der Gläubiger beim Insolvenzantrag, das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis beleuchten und die Folgen der Verfahrenseröffnung behandeln. Des Weiteren werden wir uns mit der Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren, den Unterschieden zwischen Insolvenzforderungen und Masseforderungen sowie den Wahlrechten des Insolvenzverwalters auseinandersetzen. Weitere Themen umfassen die Aus- und Absonderungsrechte, die Grundlagen der Insolvenzanfechtung, die Aufrechnung in der Insolvenz und die vorläufige Eigenverwaltung.