Das Bundeskartellamt hat am 19. Februar 2025 seine Sektoruntersuchung zu Raffinerien und Kraftstoffgroßhandel abgeschlossen.
Im Wesentlichen beschreibt der Abschlussbericht längst bekannte Strukturen und Phänomene in den Bereichen Raffinerien, Kraftstoffgroßhandel und Tankstellengeschäft. Das Bundeskartellamt ist schon seit den Ölpreiskrisen der 1970er Jahre den Marktstrukturen und Verhaltensweisen im Mineralölsektor auf der Spur – im Wesentlichen ergebnislos. Auch die aktuellen Erkenntnisse des Bundeskartellamtes belegen keine Kartellabsprachen und keinen Missbrauch von marktbeherrschenden Stellungen. Sie zeugen lediglich von einem anhaltenden Störgefühl, dass die Bedingungen für den Wettbewerb auf den Mineralölmärkten schwierig sind. Ansatzpunkt sind aktuell die üblichen Preisnotierungen über Platts und den OMR und die Häufigkeit der Änderung von Tankstellenpreisen.
Um das Störgefühl zu beseitigen, ruft das Bundeskartellamt nun nach dem Gesetzgeber und erwägt, das ihm überlassene „neue Instrument für Maßnahmen zum Schutze des Wettbewerbs“ zu ergreifen (§ 32 f. GWB).
Bundeskartellamt auf der Suche nach perfektem Wettbewerb im Mineralölmarkt?
Als Rechtsanwalt, der sich seit über 20 Jahren für verschiedene Mandanten mit dem Thema Raffinerien, Großhandel, Tankstellen und Heizölabsatz beschäftigt, fragt man sich, ob das Bundeskartellamt seine Ressourcen effizient einsetzt oder ob das Bundeskartellamt abermals den untauglichen Versuch unternimmt, den perfekten Wettbewerb auf teilweise internationalen Mineralölmärkten nach deutschen Maßstäben zu schaffen – das Ganze vor dem Hintergrund tendenziell rückläufiger Geschäftsmodelle und einer zunehmenden Entkopplung des Rohölgeschäfts vom Raffineriegeschäft und des Raffineriegeschäfts vom Handels- und Tankstellengeschäft.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, führt in der mitgelieferten Pressemitteilung des Amtes insbesondere Folgendes aus:
Die Untersuchungen haben erneut gezeigt, dass die Bedingungen für einen funktionierenden Wettbewerb im Mineralölbereich in Deutschland schwierig sind. Es besteht eine große Importabhängigkeit beim Bezug von Rohöl, die Märkte sind geprägt von vertikaler Integration und gegenseitigen Abhängigkeiten der Mineralölgesellschaften und es besteht eine hohe Markttransparenz auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette.
Die Importabhängigkeit beim Bezug von Rohöl ist nicht neu, die vertikale Integration wird demgegenüber zunehmend geringer: Die Inhaber der Tankstellennetze von Esso verfügen über keine Raffineriebeteiligung. JET ist nicht mehr mit dem Explorationsgeschäft von ConocoPhillips verbunden. Die JET-Tankstellen sollen verkauf werden. BP hat sich von mehreren Raffineriebeteiligungen getrennt und betreibt das Heizöl-Endverbrauchergeschäft über ein Joint Venture mit dem Mittelständler OKTAN. TOTAL hat sein deutsches und niederländisches Tankstellennetz verkauft. Inwieweit eine relevante gegenseitige Abhängigkeit der Mineralölunternehmen bestehen soll, bleibt unklar. Allein gemeinsam betriebene Pipelines oder Tauschgeschäfte begründen keine Abhängigkeiten, die auf die Preise bei der Tankstelle durchschlagen. Markttransparenz ist im Grunde etwas Gutes.
Das Bundeskartellamt hat sogar eine eigene Markttransparenzstelle geschaffen, um die Markttransparenz bei den Tankstellenpreise zu erhöhen. Auch der Abschlussbericht problematisiert, dass die immer häufiger werdenden Preisänderungen an der Tankstelle zu einer zunehmenden Intransparenz führen würden.
Was will das Bundeskartellamt nun? Preistransparenz kritisieren, weil diese ein Parallelverhalten im angeblichen Oligopol begünstigt oder fehlende Preistransparenz kritisieren, weil dies von Verbrauchern beanstandet wird?
Untersuchungen und Verfahren des Bundeskartellamtes wegen Kartellrechtsverstößen sind regelmäßig ergebnislos verlaufen
Das Bundeskartellamt befasst sich schon sehr lange mit den relevanten Märkten. Beispielsweise stellt es im Tätigkeitsbericht 1978 fest, dass Preissenkungen Ausdruck anhaltenden Wettbewerbs seien. Im westeuropäischen Vergleich würden die Preise in Deutschland nur in Großbritannien und Luxemburg unterschritten. Im Tätigkeitsbericht 1979/80 heißt es, das Bundeskartellamt habe geprüft, ob durch das Ausmaß oder den Zeitpunkt der Erhöhungen die marktbeherrschenden Unternehmen gesetzten Grenzen zulässiger Preiseerhöhungen überschritten worden seien. Dabei habe sich gezeigt, dass die Preisproblematik im Mineralölbereich durch die Instrumente des Kartellgesetzes allein nicht gelöst werden könnten. Untersuchungen und Verfahren des Bundeskartellamtes wegen zu niedriger Preise oder gar Preisscheren zu Lasten freier Tankstellen sind regelmäßig ergebnislos verlaufen.
Der jetzt vorliegende Abschlussbericht verweist hinsichtlich des Tankstellengeschäfts erneut auf die „Spritpreisverordnung“ in Österreich, nach der Preiserhöhungen an österreichischen Tankstellen nur einmal täglich um 12:00 Uhr mittags zulässig sind. Außerdem verweist der Bericht erneut auf Westaustralien, wo Preisänderungen an Tankstellen nur einmal täglich um 6:00 Uhr morgens zulässig sind und dann für 24 Stunden nicht geändert werden dürfen.
Mit diesen Modellen hat sich das Bundeskartellamt schon 2012 beschäftigt. Schon damals gab es weder für die österreichische „Spritpreisbremse“ noch für die westaustralische „24-Stunden-Regelung“ Untersuchungen, die von einer positiven wettbewerblichen Wirkung des Regulierungskonzept ausgehen würden. Auch der aktuelle Abschlussbericht vermerkt, dass es bisher keine Studien gibt, ob eines der beiden Systeme vorzugswürdig seien. Hier regt der Abschlussbericht weitere Untersuchungen an. Wo soll das hinführen?
Stein des Anstoßes auf den Großhandelsmärkten sind nunmehr insbesondere die Preisnotierungssysteme von Platts und OMR. Hier geht es im Grundsatz um Meldungen von Preisen getätigter Transaktionen auf Großhandelsebene. Die Preisnotierungssysteme bilden die Marktpreise ab. Diese Marktpreise werden ihrerseits weiteren Geschäften zu Grunde gelegt. Das Bundeskartellamt sieht hier Kollusionsrisiken und Manipulationsrisiken. Solche Risiken bestehen regelmäßig auf transparenten Märkten, in denen Marktteilnehmer Informationen austauschen.
Weshalb und mit welchen Mitteln hier das Bundeskartellamt oder gar der Gesetzgeber tätig werden wollen oder sollen, bleibt unklar. Klar ist allerdings, dass weitere Untersuchungen erhebliche Ressourcen in Anspruch nehmen würden und ggf. zu weiteren bürokratischen Maßnahmen führen würden. Die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens darf bezweifelt werden.