14. Dezember 2011
geh auf, Du Schlupfloch
Kartellrecht

Schlupflöcher für Kartellsünder sollen gestopft werden

„Die Schlupflöcher für Kartellsünder müssen geschlossen werden″, meint Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, in einem Interview mit der FAZ. „Neue Urteile des Bundesgerichtshofes″, so Mundt weiter, „machen es den an einem Kartell beteiligten Unternehmen sehr einfach, sich dem Bußgeld und der Haftung zu entziehen″. Bereits „relativ simple Konstruktionen″ würden reichen, damit Kartellsünder nicht mehr greifbar sind.

Er bezieht sich damit auf zwei BGH-Entscheidungen (übrigens keine Urteile, sondern Beschlüsse), die die Rechtsnachfolge bei der kartellrechtlichen Bußgeldhaftung betreffen und in den wesentlichen Passagen übereinstimmen. Konzentrieren wir uns auf die bekanntere Entscheidung „Versicherungsfusion″ (AZ KRB 55/10) . Das Bundeskartellamt hat 2005 Bußgelder wegen Kartellabsprachen in der Industrieversicherung erlassen, unter anderem gegen die Gerling-Gesellschaft GKA. Im Zuge der Gerling-Übernahme durch den Talanx-Konzern wurde GKA 2007 auf die HDI-Gerling Industrie Versicherung AG verschmolzen, in die auch der HDI-Geschäftsbereich Industrieversicherungen eingebracht wurde. Diese Verschmelzung bewirkte zugleich das Erlöschen von GKA, von der somit nichts mehr zu holen war.

Verständlich, dass sich das Bundeskartellamt nunmehr an die HDI-Gerling Industrie Versicherung AG wandte, aber auch zu Recht? Nein, sagt der BGH und begründet dieses Ergebnis so: Eine Erstreckung der bußgeldrechtlichen Haftung auf eine andere juristische Person kann nur unter zwei Voraussetzungen stattfinden. Erstens muss die betreffende juristische Person Gesamtrechtsnachfolgerin der Organisation geworden sein, deren Organ die Tat begangen hat. Dies ist im Versicherungsfall zu bejahen: Die HDI-Gerling Industrie Versicherung AG ist durch die Umwandlung Gesamtrechtsnachfolgerin von GKA, deren Vorstand die Tat begangen hat, geworden.  Zweitens muss zwischen der früheren und der neuen Vermögensverbindung „nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Identität oder nahezu Identität″ bestehen. Und daran fehlt es hier. Denn es hat mehr oder minder eine Fusion zwischen Gleichen gegeben. Bezogen auf die Zahl der Versicherungsverträge macht das ehemalige GKA-Vermögen rund 28% des Vermögens der HDI-Gerling Industrie Versicherung AG aus, bezogen auf die Bruttobeitragseinnahmen  42% und bezogen auf den Wert der Kapitalanlagen  56%. Damit sind die alte und die neue Vermögensverbindung zu unterschiedlich, um  zumindest nahezu wirtschaftlich identisch zu sein.

So richtig zufrieden ist der BGH mit diesem Ergebnis nicht, wird damit doch, wie es am Ende der Entscheidung heißt, Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, „eine drohende bußgeldrechtliche Sanktion durch die gezielte Wahl gesellschaftsrechtlicher Gestaltung zu umgehen″. Aber das müsse de lege lata hingenommen werden, da der Wortlaut des § 30 OWiG eine zwingende Grenze setze. Für besonders Interessierte, die die Vorschrift nachlesen: Entscheidend ist das Wörtchen „diese″. Der BGH und mit ihm – natürlich – das Bundeskartellamt sehen nun den Gesetzgeber aufgefordert, Abhilfe zu schaffen. Wie das geschehen soll, darüber wird noch gegrübelt. Klar ist bisher nur, dass eine entsprechende Ausgestaltung „durchaus komplex″ ist, so das Bundeskartellamt in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf zur 8. GWB-Novelle. Von wegen also „simpel″ das Ganze …

Tags: 8. GWB-Novelle BGH Bußgeldhaftung Gesetzgebung HDI-Gerling Kartell Kartellrecht Rechtsnachfolge Rechtsprechung Verschmelzung Versicherungsfusion