20. Mai 2020
Investitionskontrolle Gesundheitssektor
Real Estate

Investitionskontrolle greift nach dem Gesundheitssektor

Am 20.5.2020 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ("BMWi") die Investitionskontrolle für Unternehmen des Gesundheitssektors verschärft.

Wollen sich Nicht-EU-Investoren mit mindestens 10% der Stimmrechte an deutschen Impfstoff- und Antibiotikaherstellern, Herstellern von medizinischer Schutzausrüstung oder Herstellern von Medizingütern zur Behandlung hochansteckender Krankheiten beteiligen, müssen sie dies künftig dem BMWi melden. Eröffnet das BMWi ein Prüfverfahren, kann es den Erwerb untersagen oder die Freigabe von Bedingungen abhängig machen.

Welche Zielunternehmen sind betroffen?

Die 15. Änderungsverordnung der AWV steht ganz im Licht der aktuellen COVID-19-Pandemie und soll in vergleichbaren Krisensituationen zur Aufrechterhaltung eines funktionierenden Gesundheitssystems beitragen. Betroffen sind daher Unternehmen die

  • persönliche medizinische Schutzausrüstungen (wie z.B. Masken) entwickeln oder herstellen;
  • wesentliche Arzneimittel oder deren Ausgangs- und Wirkstoffe entwickeln, herstellen, in Verkehr bringen oder Inhaber einer entsprechenden arzneimittelrechtlichen Zulassung sind;
  • Medizinprodukte, die zur Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von lebensbedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheiten bestimmt sind, entwickeln oder herstellen;
  • bestimmte In-vitro-Diagnostika im Zusammenhang mit lebensbedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheiten entwickeln, herstellen oder liefern.

Welche Transaktionen sind betroffen?

Die Meldepflicht besteht, wann immer ein Nicht-EU-Investor unmittelbar oder mittelbar wesentliche Vermögenswerte oder mindestens 10% der Stimmrechte am deutschen Unternehmen erwirbt.

Der Begriff des mittelbaren Erwerbs ist dabei durchaus erklärungsbedürftig: Ein mittelbarer Erwerb liegt immer schon dann vor, wenn irgendwo in der Gesellschafterstruktur des Erwerbers ein Nicht-EU-Gesellschafter direkt oder indirekt mindestens 10% der Stimmrechtsanteile hält. Erfasst ist damit z.B der Erwerb eines deutschen Unternehmens A durch ein deutsches Unternehmen B, wenn am erwerbenden Unternehmen B ein Nicht-EU-Ausländer 10% der Stimmrechtsanteile hält. Noch überraschender: Die Stimmrechtsanteile werden nicht konsolidiert. Der vorbeschriebene Fall wäre also sogar dann erfasst, wenn der Nicht-EU-Ausländer lediglich 10% der Stimmrechtsanteile an einer deutschen Zwischengesellschaft hält, die wiederum mindestens 10% der Stimmrechtsanteile am erwerbenden Unternehmen B hält.

Was ändert sich sonst noch?

Im Hinblick auf die betroffenen Sektoren hat sich eine nicht Corona-bedingte Änderung eingeschlichen: Eine Meldepflicht besteht künftig auch für Erwerbe von Unternehmen, die Dienstleistungen zur Sicherstellung der Störungsfreiheit und Funktionsfähigkeit staatlicher Kommunikationsinfrastrukturen erbringen (BDBOS).

Eher von klarstellender Natur sind zwei weitere Regelungen:

Für Asset Deals wird geklärt, dass auch der Erwerb eines abgrenzbaren Betriebsteils oder aller wesentlichen Betriebsmittel eines solchen Betriebsteils einen von der Investitionskontrolle erfassten „Erwerb“ darstellen.

Es wird ausdrücklich klargestellt, dass auch investorenspezifische Kriterien bei der Prüfung Berücksichtigung finden.

Beides war schon in der Vergangenheit weitgehend Praxis. Allerdings lässt die Liste zu beachtender investorenspezifischer Kriterien befürchten, dass die oft nur zu mutmaßende Gefahr der staatlichen Einflussnahme auf ausländische Investoren künftig noch mehr Gewicht gewinnen wird.

Was ist nicht geschehen?

Die vielleicht wichtigste Nachricht für die Wirtschaft: Die Neuregelungen gelten nur für die konkret benannten Unternehmen aus dem Gesundheitssektor und erstrecken sich nicht auf die vorgelagerte Wertschöpfungskette.

Der Referentenentwurf sah noch vor, dass neben den Herstellern der gesundheitsrelevanten Produkte selbst auch Hersteller von Komponenten, Vorprodukten oder Herstellungsanlagen solcher Produkte und darüber hinaus sogar die Hersteller von Herstellungsanlagen oder Technologien für die Herstellung von Vorprodukten oder Komponenten erfasst werden. Gegen diese letztlich uferlose Ausdehnung gab es zu Recht starke Kritik aus der Industrie, so dass diese Erweiterungen schließlich nicht übernommen wurden.

Ebenfalls (noch) nicht umgesetzt wurde die im Referentenentwurf noch vorgesehene Erstreckung der Meldepflicht auf den Erwerb an Unternehmen, die kritische Rohstoffe gewinnen oder weiterverarbeiten. Hier gilt aber wohl: aufgeschoben ist nicht aufgehoben – mit einer Erfassung dieser Unternehmen ist in den folgenden Änderungen zu rechnen.

Was wird noch geschehen?

Die 15. Änderung der AWV ist nur ein Zwischenakt, der Corona-bedingt vorgezogen wurde. Die eigentlichen Änderungen in der Investitionskontrolle stehen noch aus und werden mit der AWG-Novelle und einer weiteren AWV-Änderung in Kürze folgen.

Zu den dann geplanten Änderungen gehören insbesondere

  • eine Absenkung des Prüfstandards, infolgedessen Beschränkungen für Investitionen schon dann möglich sein werden, wenn nur eine „voraussichtliche Beeinträchtigung“ von Sicherheitsinteressen besteht – bislang ist noch eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung erforderlich;
  • eine Erweiterung der meldepflichtigen Erwerbe auf weitere Industrien; betroffen sein hiervon könnten etwa deutsche Kernindustrien wie die Robotik, aber auch künstliche Intelligenz, Halbleiter, Nano- oder Biotechnologie oder Quantentechnologie;
  • ein möglicherweise sogar strafrechtlich sanktioniertes Vollzugsverbot für meldepflichtige Erwerbe.

Die früher einmal recht zahnlose deutsche Investitionskontrolle wird dann endgültig ein ernstzunehmender Faktor in nahezu allen M&A Transaktionen sein. Investoren und Unternehmen, die Investoren suchen, werden sich darauf einstellen müssen, neben der Fusionskontrolle künftig ein weiteres Prüfverfahren bei ihren Transaktionen einzuplanen.

Tags: Außenwirtschaft AWV Gesundheitssektor Investitionskontrolle