22. Januar 2015
Damm
Real Estate

Noch ein Dammbruch bei der Umweltverbandsklage? BVerwG lässt Revision wegen Frage der Europarechtswidrigkeit der Präklusion zu

Umweltverbände haben momentan gute Aussichten, die Anfechtung von Vorhabengenehmigungen und Planfeststellungsbeschlüssen bis zum BVerwG zu treiben.

Standen dem Erfolg der Umweltverbände bisher häufig die deutschen Präklusionsvorschriften entgegen, haben Umweltverbände vorerst gute Aussichten, die Anfechtung von Vorhabengenehmigungen und Planfeststellungsbeschlüssen ungeachtet rechtzeitiger und substantiierter Einwendungen bis zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu treiben.

Anders als bisher hält das BVerwG die dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) seit letztem Jahr vorliegende Frage, ob die deutschen Präklusionsvorschriften mit Europarecht vereinbar sind, für offen und klärungsbedürftig. Es hat die Revision eines Umweltverbandes mit Beschluss vom 05. Januar 2015 zugelassen (Az. 7 C 1/15).

Bedeutung der Präklusion (= Einwendungsausschluss)

Vorschriften wie § 10 Abs. 3 BImSchG bzw. für Umweltverbände insbesondere § 2 Abs. 3 UmwRG regeln, dass Betroffene und auch Umweltverbände bereits in den jeweiligen Genehmigungs- bzw. Planfeststellungsverfahren Rechtsverstöße geltend machen müssen. Dabei gelten für Umweltverbände schärfere Anforderungen an den inhaltlichen Tiefgang der Einwendungen als für Privatpersonen.

Genügen die Einwendungen den Anforderungen nicht oder wird die dafür vorgesehene Frist versäumt, sind die Einwendungen auch im späteren Gerichtsverfahren ausgeschlossen (= präkludiert). Sie können also nicht mehr zur Aufhebung der Genehmigungs- bzw. Planfeststellungsentscheidung führen.

In der Praxis haben Präklusionsvorschriften erhebliche Bedeutung. Insbesondere auch Umweltverbandsklagen scheiterten häufig daran, dass die einzelnen Belange nicht rechtzeitig oder nicht substantiiert genug gerügt worden waren.

Umweltverbände: Präklusionsvorschriften europarechtswidrig

Umweltverbände stoßen sich schon lange an den Präklusionsvorschriften und ihren den Einwendungsausschluss begründenden Fristen (je nach Verfahren vier Wochen, ein Monat bzw. ein Monat plus zwei Wochen). Sie haben erreicht, dass die EU-Kommission derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem EuGH führt (Rs. C-137/14). Sie bemängeln nicht nur, dass es überhaupt Präklusionsvorschriften gibt, die die Durchsetzung materieller Rechte von einer rechtzeitigen und substantiierten Stellungnahme im Verwaltungsverfahren abhängig machen. Gerade bei komplexen Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren halten Umweltverbände die Zeiträume, in denen Antragsunterlagen ausliegen und innerhalb derer zugleich die Einwendungen formuliert werden müssen, für unzureichend.

Geänderte Haltung des BVerwG zur Europarechtskonformität der Präklusion?

Das BVerwG hatte bisher die Präklusionsvorschriften für europarechtskonform gehalten (z. B. Beschluss vom 14.07.2011, Az. 9 A 12/10 sowie Urteil vom 29.09.2011, Az. 7 C 21.09).

Mit seiner jüngsten Entscheidung vom 05. Januar 2015 lässt es die Revision eines Umweltverbandes zu, weil offen und grundsätzlich klärungsbedürftig sei, ob die Präklusionsregelungen wie in § 10 Abs. 3 BImSchG bzw. § 2 Abs. 3 UmwRG gegen die UVP- und IVU-Richtlinie bzw. die Aarhus-Konvention verstoßen.

Das Verfahren betrifft einen Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt vom 28. November 2013 (Az. 2 L 157/12). In diesem hatte das OVG Sachsen-Anhalt unter Verweis auf die bisherige Rechtsprechung des BVerwG zur Europarechtskonformität der Präklusionsregelungen sämtliche Einwendungen für ausgeschlossen gehalten und die Klage als unzulässig abgewiesen.

Konsequenzen für Vorhabenträger

Zukünftig dürfte damit zu rechnen sein, dass die Verwaltungsgerichte die Präklusionsregelungen jedenfalls bis zu einer Entscheidung des EuGH bzw. des BVerwG vorsorglich nicht mehr anwenden bzw. die betreffenden Verfahren aussetzen. Für betroffene Vorhabenträger dürfte daher vermehrt zu erwägen sein, ob und wie behauptete Rechtsverstöße vorsorglich geheilt werden können, um möglichst schnell eine Entscheidung und damit Investitionssicherheit zu erhalten.

Tags: Einwendungsausschluss Europarechtskonformität Planfeststellungsbeschluss Präklusion Umweltverbände Vorhabenträger