13. Dezember 2024
übertragbare Dienstbarkeit Energiewende
Real Estate

Beschleunigte Energiewende durch übertragbare Dienstbarkeiten?

Die Übertragbarkeit von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten wurde durch die Änderung des § 1092 BGB ausgeweitet, um die Energiewende voranzutreiben.

Im Rahmen der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 25. September 2015 hat sich Deutschland bestimmten Nachhaltigkeitszielen verpflichtet, insbesondere Ziel 7 – die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien. Um dieses Ziel rechtzeitig zu erreichen, wurde das im Jahr 2023 entworfene „Gesetz zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen“ am 4. Juli 2024 verabschiedet und am 16. Oktober 2024 im Bundesgesetzblatt verkündet. Der Gesetzgeber möchte durch die Änderungen den Ausbau erneuerbarer Energien vereinfachen und damit zugleich beschleunigen.

Das Gesetz soll den Anteil erneuerbarer Energien erhöhen

Mit dem Gesetz wird unter anderem ein Betreiberwechsel durch die nunmehr gesetzlich vorgesehene Übertragbarkeit von Dienstbarkeiten für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien erleichtert. Für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien werden in der Praxis regelmäßig beschränkte persönliche Dienstbarkeiten im Sinne des § 1092 BGB zugunsten des Anlagenbetreibers bestellt, um zu gewährleisten, dass die Anlagen sonderrechtsfähig bleiben und um das Recht des Betreibers, das betroffene Grundstück für den Betrieb der Anlagen zu nutzen, auch dinglich abzusichern. Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten waren bislang jedoch gemäß § 1092 Abs. 1 S.1 BGB grundsätzlich nicht übertragbar. Daher musste bisher für den Fall des Betreiberwechsels oder eines Vertragseintritts der finanzierenden Bank auf teils komplizierte Vertragsgestaltungen und das Grundbuch füllende Vormerkungen zur Sicherung des Anspruchs eines neuen Betreibers/der finanzierenden Bank auf Neubestellung inhaltsgleicher Dienstbarkeiten zurückgegriffen werden.

Das neue Gesetz bezweckt durch die Einführung weiterer Ausnahmen zu Übertragbarkeit von Dienstbarkeiten in § 1092 Abs. 3 S.1 BGB, diese Hindernisse zu beseitigen und dadurch den Ausbau von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien zu fördern.

Weitere Ausnahmen von der Unübertragbarkeit in § 1092 Abs. 3 BGB aufgenommen

§ 1092 Abs. 3 S.1 BGB, der die Ausnahmen vom Grundsatz der Unübertragbarkeit von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten regelt, wurde daher wie folgt verändert:

  • Struktur der Regelung: Die bisherige Fließtextstruktur wurde in eine nummerierte Aufzählung der Ausnahmetatbestände geändert, was jedoch lediglich der Übersichtlichkeit dient und zunächst keine inhaltliche Änderung zur Folge hat.
  • Inhaltliche Änderungen: Die Übertragbarkeit von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten, die juristischen Personen oder rechtsfähigen Personengesellschaften zustehen, wurde durch die neu eingefügten Nummern 1 und 2 erweitert, auf Fälle, in denen die Dienstbarkeit dazu berechtigt, ein Grundstück zu nutzen für Anlagen zur Nutzung von Wasserkraft, Windenergie, solarer Strahlungsenergie, Geothermie, Umweltwärme oder Energie aus Biomasse (Nr. 1) oder Anlagen zur elektrochemischen Herstellung von Wasserstoff oder zur Erzeugung von Strom aus Wasserstoff (Nr. 2).
  • Sprachliche Änderungen: Der Wortlaut des § 1092 Abs. 3 S.1 BGB (n. F.) wurde zudem dahingehend angepasst, dass das Wort „nutzen“ statt „benutzen“ verwendet wird, was ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich eine sprachliche Anpassung sein soll. Diese angepasste Formulierung kann aber auch als Klarstellung dahingehend verstanden werden, dass nicht nur Benutzungsdienstbarkeiten im Sinne von §§ 1090 Abs. 1, 1018 Var. 1 BGB erfasst sind, sondern jede Art von Dienstbarkeiten, einschließlich Unterlassungs- und Ausschlussdienstbarkeiten am Anlage- oder an Nachbargrundstücken.

Reichweite des Begriffs der Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien nicht eindeutig

Obwohl in vielen Fällen der Ausnahmetatbestand des § 1092 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 (n. F.) eindeutig Anwendung findet, stellt sich bei manchen Konstellationen die Frage, ob diese noch von § 1092 Abs. 3 S.1 Nr.1 (n.F.) umfasst sind. Dies betrifft beispielsweise Flächen für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen oder auch Flächen für Batteriespeicher sowie sonstige Infrastruktur, die zur Netzeinspeisung erforderlich ist, insbesondere Umspannwerke, Übergabestationen, Kabel und Wege.

Der Wortlaut der Norm beantwortet dies nicht eindeutig; entscheidend ist also, wie weit der Begriff „Anlagen zur Nutzung“ zu verstehen ist.

Die bisherigen Ausnahmen für Anlagen, die der Fortleitung von Elektrizität, Gas, Fernwärme, Wasser, Abwasser, Öl oder Rohstoffen dienen, waren eng zu verstehen. Es sollte lediglich die unmittelbare Fortleitung erfasst sein, nicht aber verbundene Maßnahmen. Überträgt man dieses enge Verständnis auf die neu geregelte Ausnahme in § 1092 Abs. 3 S.1 Nr.1 (n.F.), so wären die oben genannten Fälle wohl eher nicht erfasst, da sie sind keine Anlagen zur unmittelbaren Nutzung erneuerbarer Energien darstellen. Ein solch enges Verständnis würde jedoch dem Zweck des Gesetzes – der Vereinfachung des Ausbaus erneuerbarer Energien – widersprechen. 

Es wird daher vorgeschlagen, den Wortlaut weit auszulegen und alle wirtschaftlich mit der Nutzung erneuerbarer Energien verbundenen Maßnahmen einzubeziehen. Auch in den Gesetzgebungsmaterialen wird angedeutet, dass eine weite Auslegung im Sinne des Gesetzeszwecks erfolgen sollte, obwohl teilweise Zweifel an der Möglichkeit einer solch weiten Auslegung des Wortlauts geäußert werden. Insbesondere für Flächen für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen oder auch Flächen für Batteriespeicher dürfte die Anwendbarkeit von § 1092 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 (n. F.) daher sehr zweifelhaft sein, wohingegen Infrastruktur wie Übergabestationen etc. eher erfasst sein dürften. 

Nicht umsonst hat der Bundesverband WindEnergie in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf im Juli 2023 gefordert, dass zum einen eine Klarstellung dahingehend aufgenommen wird, dass sämtliche Nebenanlagen und Infrastruktur ebenfalls erfasst sein sollen und für Speicher, wie z. B. Batteriespeicher, aufgrund ihrer zunehmenden – auch wirtschaftlichen – Relevanz ebenfalls ein Ausnahmetatbestand geschaffen wird. Zwar bezog sich dies noch auf die ursprüngliche Formulierung, in der die Ausnahme für „Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien“ gelten sollte und der nunmehr verwendet Begriff der „Anlagen zur Nutzung“ weiter sein dürfte. 

Da jedoch weiterhin Diskussionspotenzial besteht, wäre eine Klarstellung – zumindest in der Gesetzesbegründung – durchaus förderlich gewesen. Denn um etwaige Unsicherheiten zu vermeiden, ist zu erwarten, dass in der Praxis insbesondere für Grenzfälle weiterhin sicherheitshalber eine Gestaltung über die bisher verwendeten Vormerkungskonstellationen erfolgen wird.

Bedeutung für die Praxis geringer als erhofft?

Zwar bietet das Gesetz deutliche Vereinfachungen beim Betreiberwechsel für Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien, dennoch sollten Betreiber aber nicht vorschnell auf Vormerkungen verzichten. Denn zum einen gelten die Änderungen gemäß Art. 229 § 69 EGBGB lediglich für Dienstbarkeiten, deren notarielle bzw. öffentlich beglaubigte Eintragungsbewilligung nach dem 17. Oktober 2024 erfolgt ist, sodass die Vorschrift für bereits bestehende Dienstbarkeiten keine Neuerungen mit sich bringt. Zum anderen findet die Abtretbarkeit keine Anwendung mehr, wenn die Anlage auf eine natürliche Person als Betreiber übergeht, denn für solche gilt die Ausnahme von der Unübertragbarkeit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit eindeutig nicht, da diese sich nur auf juristische Personen oder rechtsfähige Personengesellschaften bezieht. Zusätzlich bestehen weiterhin Unsicherheiten über den Umfang des Begriffs der „Anlage zur Nutzung“ erneuerbarer Energien und es bleibt abzuwarten, ob eine tatsächliche Vereinfachung durch eine zweckorientierte Auslegung erreicht wird oder ob die bisherige Praxis der zusätzlichen Bestellung von Vormerkungen beibehalten werden muss.

Tags: Energiewende Real Estate & Public übertragbare Dienstbarkeit