Verschärfte Anforderungen auf EU-Ebene und nationale Bußgeld- und Strafregelungen nehmen Unternehmen in die Pflicht und erfordern angepasste Strategien und Kontrollen.
Wir können seit einiger Zeit beobachten, dass die Ahndung von Verstößen gegen Exportkontrollvorschriften verschärft wird. Hintergrund dafür ist in erster Linie die anhaltende militärische Aggressivität Russlands gegenüber der Ukraine. Um die Fähigkeit Russlands zur Fortsetzung des illegalen Waffenkriegs zu unterbinden, erließ die EU seit der Krim Annexion im Jahr 2014 restriktive Maßnahmen zum Schutz der Ukraine.
EU schnürt weiteres Paket, um Sanktionsumgehungen zu verhindern und hat Auswirkungen auf die nationalen Straf- und Bußgeldvorschriften
Nachdem Anfang des Jahres Handelsdaten veröffentlicht wurden, wonach bestimmte Produkte, beispielsweise Kugel- und Rollenlager auf einem ähnlich hohen Niveau wie vor dem Krieg von Russland importiert werden, hat die EU-Kommission mit einem neuen Sanktionspaket reagiert. Am 24. Juni 2024 wurde das 14. Sanktionspaket veröffentlicht.
Dieses widmet sich vor allem der Umgehung der EU-Sanktionen durch die Mitgliedsstaaten und statuiert dafür ein erhöhtes Straf- und Bußgeldrisiko. Diese Verschärfungen beleuchtet der vorliegende Beitrag, ergänzend aber auch die Regelungen im deutschen Recht, welche durch einen vorliegenden Referentenentwurf modifiziert werden und damit nur die Aktualität dieses Themas unterstreicht.
Bekämpfung der Sanktionsumgehung im 14. Russland-Sanktionspaket
Das 14. Sanktionspaket bringt wesentliche Ergänzungen zu den beiden zentralen Sanktionsverordnungen der EU Nr. 269/2014 und Nr. 833/2014 mit sich. Ziel ist es mit einem erhöhten Straf- und Bußgeldrisiko die Sanktionsumgehung zu bekämpfen.
Eine einheitliche Beschreibung oder konkrete Definition für den Begriff der Sanktionsumgehung gibt es nicht. Darunter lässt sich allgemein aber jede Handlung verstehen, die auf einen Erfolg abzielt, der jedoch sanktioniert ist und daher durch eine andere – nicht sanktionierte – Maßnahme erreicht werden soll.
Erweitert werden durch das 14. Sanktionspaket die bisherigen Sanktionen bezüglich der Umgehungsverbote (1), Konzernhaftung (2) und besonderer Pflichten zu so genannten Common High Priority Gütern (CHP Items), (3).
Umgehungsverbote werden weiter ausgeweitet
Umgehungsverbote sind Maßnahmen, die darauf abzielen, die Umgehung der bestehenden Sanktionen zu verhindern. Solche Verbote finden sich bisher in Art. 9 der VO 269/2014 und Art. 12 der VO 833/2014. Demnach dürfen keine Tätigkeiten ausgeübt werden, mit denen unter anderem das Einfrieren der Gelder gelisteter Personen (Art. 2 der VO 269/2014) oder die Güterausfuhr nach Russland (Art. 2 der VO 833/2014) oder andere verbotenen Tätigkeiten umgangen werden.
Auch wenn bisher sowohl das unmittelbare als auch das mittelbare Handelsgeschäft mit Russland in Bezug auf konkret gelistete Güter verboten ist und damit bereits Umgehungsverbote bestehen, sind in der Realität die Importee nach Russland in der Summe weitgehend gleichgeblieben. Dies führt die EU-Kommission auf Sanktionsumgehung durch Wirtschaftsbeteiligte zurück.
Diese Umgehungen waren bislang nur bei wissentlichem und vorsätzlichem Handeln sanktioniert. Ziel der Ergänzung der Umgehungsverbote ist es durch einen erweiterten Sorgfaltsmaßstab das Verbot der Sanktionsumgehung weiter zu verschärfen.
Dazu erhalten die bereits bestehenden Verbote der Teilnahme an Umgehungsaktivitäten nach dem 14. Sanktionspaket nun den Zusatz, wonach ein Verstoß auch ohne absichtliches Anstreben des Zwecks der Umgehung vorliegen kann. Es handelt sich damit um eine klarstellende Ergänzung, dass bereits der bedingte Vorsatz für eine Sanktionsumgehung ausreicht. Neben dem bisher bestraften vorsätzlichen Umgehen (dolus directus 1. und 2. Grades), wird nun auch ein bedingter Vorsatz (dolus eventualis) mit Buß- und Strafgeldern versehen.
Für Unternehmen bedeutet dies, dass es nun nicht mehr ausreicht, sich auf eine fehlende Kenntnis an der Teilnahme von Umgehungsgeschäften zu berufen. Der strengere Sorgfaltsmaßstab erweitert dabei sogar die Handlungspflichten insofern, dass Risikoanalysen anhand von öffentlich zugänglichen Informationen durchgeführt werden müssen. Stehen Informationen öffentlich zur Verfügung, die nicht berücksichtigt werden, wird dies als bewusstes „Sich-Verschließen“ vor Informationen gewertet, was wieder einer Kenntnis gleichgesetzt wird. Es kommt damit zu einer deutlichen Erweiterung des Sorgfaltsmaßstabs.
Ausweitung auch auf Ebene der Konzernhaftung
Sanktionsumgehungen erfolgen darüber hinaus durch Exporte unter Beteiligung von Tochtergesellschaften europäischer Unternehmen in Drittländern. Deshalb müssen zukünftig Maßnahmen zur besseren Kontrolle ausländischer Tochterunternehmen von EU-Unternehmen ergriffen werden, damit diese keine verbotenen Aktivitäten mehr ausüben. Mit der sog. Konzernhaftung wird zur Unterstützung dieses Ziels das Risiko für eine straf- oder bußgeldrechtliche Inanspruchnahme einer inländischen Muttergesellschaft auf Geschäfte ausländischer Tochterunternehmen mit Russlandbezug erweitert.
Bisher bestand die Möglichkeit für deutsche Muttergesellschaften sich weitgehend aus den Geschäften der ausländischen Tochterunternehmen ohne EU-Bezug herauszuhalten. Das lag daran, dass die Muttergesellschaften nur in Verantwortung genommen wurden, wenn die Mutterunternehmen steuernd Einfluss auf die Tochtergesellschaften nehmen konnten und tatsächlich nahmen. Wurde der Einfluss beendet, konnten die Handlungen der Tochter der Muttergesellschaft nicht zugerechnet werden. Zwar gelten die EU-Sanktionen immer noch lediglich für juristische Personen, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet oder eingetragen wurden. Neu ist aber, dass die Muttergesellschaften ihren steuernden Einfluss nutzen müssen, um die Umgehung von Sanktionen durch Verlagerung sanktionierter Maßnahmen in Drittstaaten zu vermeiden, wenn sich die Tochtergesellschaften in ihrem Eigentum (Halten von mind. 50 % der Anteile oder Mehrheitsbeteiligung) oder unter ihrer Kontrolle (z.B. durch Befugnis, Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen) befinden.
Um dem entgegenzuwirken, wurde mit dem 14. Sanktionspaket Art. 8a VO 833/2014 eingeführt. Demnach können Wirtschaftsbeteiligte in der EU nun unter Umständen für Handlungen ausländischer Tochterunternehmen in ihrem Eigentum (mind. 50 %) oder unter ihrer Kontrolle haften. Um dies zu vermeiden, muss die Muttergesellschaft nach besten Kräften (best effort) sicherstellen, dass Tochtergesellschaften in Drittändern sich nicht an sanktioniert Handlungen oder Umgehungsmaßnahmen beteiligen. Dabei ist bisher noch nicht abschließend definiert, was für eine Sicherstellung nach besten Kräften ausreichend ist. Nach dem Erwägungsgrund 30 der VO 2024/1745 sind Bemühungen nach besten Kräften dabei Maßnahmen, die Strategien, Kontrollen und Verfahren beinhalten, um Risiken zu mindern und wirksam zu managen. Anhaltspunkte sind unter anderem interne Kontrollen durch ein Sanction Risk Monitoring Committee, eine Risikobewertung der Tochterunternehmen, sowie regelmäßige und verpflichtende interne Schulungen. Welche Maßnahmen dem „best effort“ genügen, müssen Unternehmen gerade in der Anfangsphase eigenständig für sich entscheiden.
Der Handel mit Common High Priority List-Gütern stellt erhöhte Sorgfaltspflichten
Besondere Pflichten in Bezug auf die Sanktionsumgehung bestehen für die EU-Wirtschaftsbeteiligten in Bezug auf die kriegsrelevanten Common High Priority List-Güter) aus dem Anhang XL der Verordnung 833/2014. Bei diesen Gütern besteht ein erhöhtes Risiko der Umleitung nach Russland. Darunter fallen beispielsweise Geräte zum Empfangen, Konvertieren und Senden oder Regenerieren von Tönen, Bildern oder anderen Daten (8517.62), Stromrichter (8504.40) und Navigationsinstrumente für die Luft– oder Raumfahrt (9014.20).
Diesbezüglich wurde bereits mit dem 12. Sanktionspaket eine No-Russia Clause eingeführt, die Wirtschaftsbeteiligte zur vertraglichen Untersagung der Einfuhr kriegsrelevanter Güter unmittelbar oder mittelbar mit Geschäftspartnern in Drittändern verpflichtet.
Das 14. Sanktionspaket verpflichtet in einem neuen Art. 12gb der VO 833/2014 nun künftig auch zur Einhaltung ausdrücklicher Sorgfaltspflichten in Form von bestimmten Mechanismen zur Risikoanalyse und -minimierung bei Handeln mit gelisteten Gütern. Absatz 1 stellt dafür auf die konkreten Handlungspflichten in Form der Ermittlung und Bewertung der Risiken der Ausfuhr nach Russland (Buchstabe a), sowie den Einsatz geeigneter und angemessener Strategien, Kontrollen und Verfahren zur Minderung und zum Management der Risiken ab (Buchstabe b).
Risikoindikatoren können Anhaltspunkt für weitere Nachforschungen im eigenen Unternehmen und bei Kunden sein
Zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten hat das BMWK dazu eine beispielhafte und damit nicht abschließende Liste an Risikoindikatoren in einem Hinweispapier zur Sanktionsumgehung veröffentlicht. Diese lassen sich in kundenbezogene, transaktionsbezogene und produktbezogene Risikoindikatoren einteilen.
Indikatoren für den Verstoß gegen Sorgfaltspflichten sind z.B. eine fehlende Internet-Präsenz und damit Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Kunden, das Bestellen unübliche hoher Mengen von Gütern, Umleitung der Transportwege von Waren in Drittstaaten oder das Abspalten eines Vertrages über zusammenhängende Bestellungen in Einzelverträge. Einzelne Risikoindikatoren verpflichten daraufhin weitergehend zu bestimmten Nachforschungen und Maßnahmen, beispielsweise Dual-Use Güter zu einer Endverbleibserklärung, bestimmte umgehungsrelevanten Güter zur Einhaltung der No-Russia-Clauses.
Auch für den Umgang mit den neuen Art. 8a und Art. 12gb der VO 833/2014 hat das BMWK ein Hinweispapier veröffentlicht. Darüber hinaus hat die EU-Kommission eine G7-Leitlinie veröffentlicht, die unter anderem die Liste der Risikogüter, Warnindikatoren und Tools zur Unterstützung der Einhaltung der Sorgfaltspflicht zusammenfasst.
Mit Hilfe diese Leitfäden ist es für europäische Unternehmen ratsam, das Risiko einer Involvierung in die Umgehung der Russlandsanktionen im eigenen Betrieb und in den Tochtergesellschaften zu analysieren.
Ahndung von Sanktionsumgehung nach deutschem Recht wird angepasst
Die Bestrebungen, Sanktionsumgehungen im Rahmen der EU-Sanktionsverordnungen zu erschweren und zu vermeiden, setzen sich auf nationaler Ebene fort. Die Maßnahmen der EU-Verordnungen werden (und müssen) durch nationale Bußgeld- und Strafregelungen ergänzt werden – und auch diese werden aktuell verschärft.
Da die EU-Maßnahmen als Verordnung erlassen wurde, gelten die restriktiven Maßnahmen unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Die Gestaltung der Sanktionsmaßnahmen im nationalen Recht bleibt dennoch beim nationalen Gesetzgeber.
Für die Umsetzung des 14. Sanktionspakets in nationales Recht haben die Mitgliedstaaten dafür bis zum 20. Mai 2025 Zeit. In Deutschland erfolgt dies teilweise bereits durch einen am 11. Oktober 2024 erschienen Referentenentwurf zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderen Rechtsvorschriften (BR-Drs. 498/24).
Deutschland ist dabei mit seinen Regelungen zur Ahndung von Verstößen bereits gut aufgestellt. So bestand auch schon vor dem 14. Sanktionspaket die Möglichkeit der Ahndung von fahrlässiger Sanktionsumgehung nach dem deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Die Strafbarkeit wegen Sanktionsverstößen und Sanktionsumgehungen nach § 18 Abs.1 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) i.V.m. § 19 Abs. 1 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) ist bereits bei fahrlässigem Handeln gegeben.
Der Referentenentwurf fokussiert sich daher auf die Verschärfung der Strafbewehrungen bezüglich bereits bestehender Sanktionen. Diese Sanktionsverschärfung soll nach dem Referentenentwurf in einem neuen § 18 Abs. 6a AWG durch eine höhere Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bewehrt werden. Umfasst sind davon Maßnahmen der unrichtigen Angaben über die Endverwendung, Beförderungsroute, den Empfänger, den Versender oder den Ursprung der gelisteten Güter.
Darüber hinaus wird die Verschleierung von Geldern (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 AWG) und die Verletzung von Meldepflichten(§ 18 Abs. 5a AWG) schärfer sanktioniert. Dazu kommt die Erhöhung einer möglichen Geldbuße auf 40 Mio. Euro bei einem Zuwiderhandeln gegen eine Sanktionsmaßnahme (§ 19 Abs. 7 und 8 AWG) für juristische Personen und Personenvereinigungen.