6. Mai 2020
Immobilienfinanzierung Kreditnehmer
Finanzierungsthemen in Corona-Zeiten Banking & Finance

Immobilienfinanzierungen in Zeiten von Corona

Welche Herausforderungen Kreditnehmer zu meistern haben, wenn die Mietzahlungen ausbleiben und welche Gestaltungsmöglichkeiten es gibt.

Die COVID-19-Pandemie und ihre Begleiterscheinungen machen auch vor Immobilienfinanzierungen nicht Halt. Der Gesetzgeber schützt Mieter, die im Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 ihre Miete nicht zahlen können, vor einer Kündigung. Ausbleibende Mietzahlungen stellen jedoch Kreditgeber und Kreditnehmer vor neue Herausforderungen.

Suspendierung des Kündigungsrechts des Vermieters wegen ausstehender Mietzahlungen führt zu sinkenden Mieteinnahmen

Das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht″ vom 27. März 2020 hat Mietern von Grundstücken und Räumlichkeiten eine wesentliche Erleichterung gebracht: Leistet der Mieter zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2020 den fälligen Mietzins aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nicht, kann der Vermieter dies nicht zum Anlass einer Kündigung des Mietverhältnisses nehmen (Moratorium).

Diese Regelung kommt auch Mietern von Ladenflächen zugute, die durch die Beschränkungen ihrer Geschäftstätigkeit bis hin zur vollständigen Schließung ihrer Geschäfte (sogenannter Shutdown) aufgrund der COVID-19-Pandemie teilweise sehr hohe Umsatzeinbußen erlitten haben. Zahlreiche Ladeninhaber haben die Mietzahlungen daher entsprechend eingestellt.

Ausbleibende Mieteinnahmen wirken sich zunehmend auf Immobilienfinanzierungen aus

Der damit einhergehende Ausfall der Mieteinnahmen wirkt sich zunehmend auf Immobilienfinanzierungen aus:

Viele Immobilienakquisitionen werden zumindest teilweise fremdfinanziert. Neben der Erbringung von Zins- und Tilgungsleistungen ist der Kreditnehmer häufig vertraglich zur Einhaltung bestimmter Finanzkennzahlen verpflichtet. Typischerweise sieht eine Immobilienfinanzierung ein maximales Verhältnis von Kreditbetrag zum Verkehrswert eines Objektes (LTV oder loan to value) sowie Anforderungen an den Schuldendienstdeckungsgrad (DSCR oder debt service coverage ratio) oder Zinsdeckungsgrad (ICR/ISCR oder interest (service) coverage ratio) vor. Die konkrete Ausgestaltung dieser Finanzkennzahlen variiert von Fall zu Fall.

Bei den Kreditnehmern handelt es sich typischerweise um eigens für den Immobilienerwerb gegründete Zweckgesellschaften, die keine operative Tätigkeit ausüben. Die Mieteinnahmen sind daher häufig die einzige Einnahmequelle der Zweckgesellschaft. Das Ausbleiben von Mietzahlungen erschwert somit zunächst direkt die vertraglich geschuldeten Zins- und Tilgungsleistungen an den Kreditgeber, zu denen der Kreditnehmer auch während der COVID-19-Pandemie verpflichtet bleibt. Die im Rahmen des eingangs genannten Gesetzes vom 27. März 2020 für Darlehensverträge eingeführte vorübergehende Stundung von Zins- und Tilgungspflichten ist nämlich (zumindest bislang) ausschließlich auf Verbraucherdarlehensverträge anwendbar.

Auch die Einhaltung der Finanzkennzahlen kann erschwert sein, wenn deren Berechnung an die Höhe der Mieteinnahmen des Kreditnehmers gekoppelt ist. Der ICR bzw. ISCR beschreibt beispielsweise das Verhältnis zwischen den Mieteinnahmen (abzüglich bestimmter Kosten wie z.B. Bewirtschaftungskosten für die jeweilige Immobilie) und dem vertraglich vereinbarten Zinsdienst während des jeweiligen Berechnungszeitraumes. Teilweise wird bei der Berechnung des ICR bzw. ISCR zum jeweiligen Stichtag auf die zukünftig (häufig in den kommenden 12 Monaten) erwarteten Mieteinnahmen abgestellt. Viele Kreditverträge sehen vor, dass Mietzahlungen von Mietern, die sich mit der Entrichtung des Mietzinses in Rückstand befinden (häufig mit mindestens zwei Monatsmieten), im Rahmen der voraussichtlichen Mieteinnahmen nicht berücksichtigt, d.h. mit „Null″ angesetzt, werden.

Eine wachsende Zahl von Kreditnehmern befürchtet daher, den ICR bzw. ISCR oder eine vergleichbare Finanzkennzahl wie den DSCR zum nächsten Stichtag nicht mehr einhalten zu können. Spätestens in diesem Fall sollte der Kreditnehmer an den Kreditgeber herantreten, um einen Waiver im Hinblick auf die Zahlung von Zins- und Tilgungsleistungen und/oder die Einhaltung der Finanzkennzahlen zu beantragen.

Kreditgeber sind meist zu Zugeständnissen bereit, erwarten aber auch Beiträge des Kreditnehmers und seiner Gesellschafter

Kreditgeber reagieren derzeit auf entsprechende Anfragen meist mit einem gewissen Verständnis und stunden beispielsweise Zins- und Tilgungszahlungen für einen gewissen Zeitraum oder verzichten vorübergehend auf die Ausübung von Kündigungsrechten aufgrund der Nichteinhaltung bestimmter Finanzkennzahlen.

Auf die grundsätzliche Pflicht zur Einhaltung der Finanzkennzahlen verzichten Kreditgeber jedoch häufig nicht. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass für den Fall der Nichteinhaltung einer Finanzkennzahl vereinbarte Ausschüttungssperren bzw. Cash Traps/Cash Sweeps weiterhin Anwendung finden sollen. Diese verhindern, dass trotz der angespannten wirtschaftlichen Situation des Kreditnehmers Liquidität an Gesellschafter abfließt. Überdies erwarten Kreditgeber im Rahmen der Erteilung von Waivern häufig die Erbringung zusätzlichen Eigenkapitals durch den Kreditnehmer bzw. dessen Gesellschafter.

Stundung von Zahlungspflichten erfordert Konzept zur späteren Nachholung

Die Stundung von Zins- und Tilgungszahlungen entbindet den Kreditnehmer nicht von der Pflicht, diese Zahlungen zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Bei der Gestaltung von Waivern ist daher sorgsam darauf zu achten, dass diese eine praktikable Regelung zur Nachholung solcher Zahlungen vorsehen. Dabei ist auch die voraussichtliche Entwicklung der Mieteinnahmen des Kreditnehmers in Betracht zu ziehen, die wiederum insbesondere von der Leistungsfähigkeit der Mieter abhängig ist:

Die angekündigten und teilweise bereits umgesetzten Lockerungen der staatlich angeordneten Beschränkungen mögen u.a. vielen Mietern von Ladenflächen ermöglichen, ihren Geschäftsbetrieb (zumindest in gewissem Umfang) wiederaufzunehmen und Umsätze zu generieren. Ob dieser Umsatz jedoch direkt wieder zur Abdeckung des vereinbarten Mietzinses ausreicht, ist keinesfalls gesichert. Hinzu kommt, dass Mieter, die ihre Mietzahlungen unter dem „Schutzschirm″ der eingangs beschriebenen Suspendierung des Kündigungsrechts des Vermieters zwischenzeitlich eingestellt haben, kraft Gesetzes – neben der Nachholung der unterbliebenen Mietzahlungen – auch zur Entrichtung von Verzugszinsen für die nicht erfolgten Mietzahlungen (im Falle von gewerblichen Mietverträgen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz) verpflichtet sind. Damit starten viele Mieter mit einer nicht unerheblichen wirtschaftlichen Hypothek in die Zeit nach dem „Shutdown″, was ebenfalls dazu führt, dass die Finanzplanung von Kreditnehmern mit nicht unerheblichen Unsicherheiten verbunden bleibt. Die Erholungsgeschwindigkeit der Umsätze gewerblicher Mieter hat bei der Vereinbarung umsatzabhängiger Mieten eine nochmals gesteigerte Bedeutung für die zu erwartenden Mieteinnahmen des Kreditnehmers. Je länger der Geschäftsbetrieb eines Mieters durch verbleibende Restriktionen und weitere negative Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie (z.B. Beschränkungen der maximal zulässigen Kundenzahl oder Veränderungen des Kaufverhaltens der Kundschaft) eingeschränkt ist, desto niedriger fällt auch der an den Umsatz des jeweiligen Mieters gekoppelte Anteil des Mietzinses aus.

Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig

Die beschriebenen Unwägbarkeiten können bei der Gestaltung von Waivern auf unterschiedliche Weise berücksichtigt werden. Zunächst besteht die Möglichkeit, die Nachholung der gestundeten Zins- und Tilgungsleistungen über einen gewissen Zeitraum zu „strecken″. Dies bedeutet, dass neben den vertraglich vorgesehenen regelmäßigen Zahlungen zusätzliche Zahlungen vereinbart bzw. die Beträge der regelmäßigen Zahlungen für einen bestimmten Zeitraum betragsmäßig erhöht werden. Außerdem kann eine (verpflichtende) Sondertilgung in Höhe der gestundeten Beträge bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Ablauf des Stundungszeitraums vorgesehen werden.

Darüber hinaus kann auch die Beantragung von Fördermitteln der KfW ein Baustein des Gesamtkonzepts zur Überbrückung der COVID-19 bedingten finanziellen Notlage von Kreditnehmern sein. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die von der KfW aufgestellten Bedingungen für die Gewährung von Fördermitteln (in ihrer jeweils aktuellen Fassung) zu beachten. Mehr dazu in unseren Blog-Beitrag KfW-Förderprogramme im Zeichen der COVID-19-Pandemie – Erfahrungen aus unserer Beratungspraxis.

In unserer Blogreihe „Finanzierungsthemen in Corona-Zeiten″ betrachten wir die Finanzierung mit all ihren Facetten. Angefangen haben wir mit einem Blick auf die Immobilienfinanzierung. Anschließen haben wir uns mit Kreditverträgen allgemein und der Verlängerungsoption in Konsortialkreditverträgen beschäftigt. Weiter haben wir die Darlehenskündigung und das Gesetz zum Darlehensnehmerschutz unter die Lupe genommen, sowie auf die Herausforderungen für Darlehensgeber aufgezeigt. Auch die KfW-Förderprogramme und den Wirtschaftsstabilisierungsfonds haben wir uns angeschaut.


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Tags: Coronavirus Immobilienfinanzierung Kreditnehmer Mietzahlung