27. März 2020
corona WSF offene Fragen
Finanzierungsthemen in Corona-Zeiten Banking & Finance

Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds & seine offenen Fragen – Update #2

Im Eiltempo wurde das Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz entworfen, um der deutschen Wirtschaft in der Corona-Krise zu helfen. Wir werfen einen Blick auf fünf zentrale Fragen.

Um die dramatischen Folgen der Corona-Pandemie für die deutsche Wirtschaft abzufedern, plant die Bundesregierung eine Vielzahl an stabilisierenden Maßnahmen. Dazu gehört auch die Errichtung eines milliardenschweren Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF. Dieser Fonds soll Unternehmen der Realwirtschaft finanziell über Garantien, Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Instrumente unterstützen.

+++ Update +++ 27. März 2020 +++ Update +++

Im unternehmenspolitischen Fokus steht die Absicherung von Produktionsketten und Arbeits-plätzen. Angesichts der gebotenen Eile und der weitreichenden Auswirkungen der Corona-Krise wurde der Gesetzentwurf vom 23. März 2020 im Rekordtempo erstellt und innerhalb einer Wo-che durch das Gesetzgebungsverfahren gebracht. Es ist klar, dass daher einige – darunter auch bedeutsame – Fragen noch nicht beantwortet worden sind.

Hohes Tempo des Gesetzgebers und einige offene Fragen

Der Gesetzgeber kann nicht alles regeln. Schon gar nicht, wenn er keine Zeit hat und noch in weiten Teilen unklar ist, wie sich die Corona-Pandemie auf die Wirtschaft auswirken wird. Von daher ist es mehr als bemerkenswert, in welcher Kürze der Zeit der Gesetzentwurf zum geplanten Wirtschaftsstabilisierungsfonds zu Papier gebracht und vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden ist. Im selben rasanten Tempo treten aber auch offene Fragen empor. Diese Fragen und auslegungsbedürftigen Punkte findet man sowohl bei den Voraussetzungen der Stabilisierungsmaßnahmen und ihren Bedingungen als auch bei den Rechtsfolgen.

Wann sind keine anderweitigen Finanzierungsmöglichkeiten verfügbar?

Die Stabilisierungsmaßnahmen des WSF sind nur als ultima ratio gedacht. Das bedeutet, dass Unternehmen sie nur erhalten, wenn keine anderweitigen Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Wann ist das der Fall? Muss das Unternehmen alle denkbaren Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben? Sind auch solche Finanzierungsmöglichkeiten antragsablehnend einzubeziehen, die zu schlechten, nahezu prohibitiven Konditionen aufgenommen werden könnten? Wie verhält sich das mancherorts ausgegebene politische Ziel, deutsche Unternehmen gerade aus den Bereichen Infrastruktur und Mobilität vor (feindlichen) Übernahmen durch ausländische Investoren zu schützen, mit dieser Ultima-Ratio-Regel? Konkret: kann eine Stabilisierungsmaßnahme auch gewährt werden, wenn eine Übernahmeofferte eines Investors vorliegt?

Wann liegt eine klare eigenständige Fortführungsperspektive vor?

Unternehmen sollen nur Hilfe erhalten, wenn ihre Unterstützung erfolgreich sein kann. Der Gesetzentwurf verlangt eine klare eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Corona-Pandemie.

Das ist richtig und konsequent, denn wenn eine Hilfe keinen Erfolg verspricht, ist sie nutzlos und kann anderweitig besser zum Einsatz kommen. Aber was bedeutet das konkret? Wann ist eine Fortführungsperspektive klar eigenständig? Und wie soll sie nachgewiesen werden? Ist dazu ein Sanierungs- und Fortführungsgutachten oder ähnliches bei Antragstellung vorzulegen? Welcher Zeitraum oder Zeitpunkt muss betrachtet werden? Wann ist die Corona-Pandemie überwunden? Das kann heute belastbar noch niemand sagen. Allenfalls ist eine unscharfe Prognose auf Basis bestimmter Annahmen möglich.

Was bedeutet eine solide und umsichtige Geschäftspolitik?

Damit Unternehmen Stabilisierungsmaßnahmen erhalten, müssen sie gut geführt werden. Das Gesetz spricht wörtlich von „Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik″. Sie sollen – so heißt es nahtlos weiter – insbesondere einen Beitrag zur Stabilisierung von Produktionsketten und zur Sicherung von Arbeitsplätzen leisten (was durch Auflagen abgesichert werden kann).

Was heißt nun eine solide und umsichtige Geschäftspolitik? Genügt es, dass ein Unternehmen ausschließlich nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt wird? Oder müssen weitere Aspekte dazu kommen? Sind etwa Corporate-Governance-Themen, wie sie im in dieser Woche in Kraft getretenen Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) 2020 oder im Public Corporate Governance Kodex des Bundes (PCGK) geregelt sind, Compliance- und Nachhaltigkeitsaspekte sowie Diversitätsfragen auch zu berücksichtigen?

Entfällt die nötige Gewähr, wenn das Unternehmen sich in der Vergangenheit nicht „compliant″ verhalten hat, gerade eine Internal Investigation zur Aufklärung von etwaigen Compliance-Verstößen durchführt oder die Staatsanwaltschaft wegen Korruption, Betrug, Untreue oder Steuerhinterziehung gegen Unternehmensangehörige ermittelt? Und was ist mit der Stabilisierung von Produktionsketten gemeint? Sind Handelsunternehmen (gerade Retailer), die nicht produzieren, nicht unterstützungsfähig?

Was ist eine angemessene Gegenleistung und wer sagt das?

Die Stabilisierungsmaßnahmen sollen zu angemessenen Gegenleistungen erfolgen. Wer sagt aber, was angemessen ist? Der Markt etwa, der schwer unter Druck geraten ist und gerade in eine Rezession hineinlaufen könnte? Oder gibt es andere Kriterien und Referenzwerte, die zur Bestimmung der Angemessenheit herangezogen werden könnten?

Rekapitalisierungsmaßnahmen ohne Befristung – Exitdatum bewusst offengelassen

Daneben gibt es eine Reihe weiterer ausfüllungsbedürftiger Punkte, für die in der zu erlassenden Rechtsverordnung Präzisierungen in Aussicht gestellt worden sind. Dazu gehören etwa Art der Garantie und der abzusichernden Risiken, Gegenleistung und sonstige Bedingungen für Garantien und Rekapitalisierungen, Obergrenzen sowie Bedingungen für die Veräußerung der Beteiligungen.

In diesem Kontext sei zudem darauf hingewiesen, dass der Gesetzestext auch die Beendigung einer Beteiligung an Unternehmen nicht beantwortet. Im Gegensatz zu vielen anderen ist diese Frage nach dem Veräußerungszeitpunkt (Exit) allerdings bewusst offengeblieben, um – so heißt es in der dazugehörigen Begründung – den Stabilisierungszweck nicht zu konterkarieren.

Eile versus Präzisierung versus Flexibilität

Damit der Stabilisierungsfonds seine wirtschaftspolitisch verfolgten Ziele zügig erreichen kann, ist eine rasche Umsetzung des verabschiedeten Gesetzes nötig. Präzisierungen und Erläuterungen werden sich nun in der Praxis herausbilden müssen.

Auch wenn Präzisierungen und Auslegungshilfen Sicherheit in der Rechtsanwendung und Planungssicherheit für Unternehmen bringen, gehen zu detaillierte Regelungen meist zu Lasten der Flexibilität. Gerade die aktuelle Situation ist äußerst schwierig und komplex und sicher auch einmalig, so dass es auch flexibler und individueller Lösungen für die Umsetzung der Stabilisierungsmaßnahmen bedarf. Umso wichtiger wird es sein, einen entsprechenden Antrag sorgfältig vorzubereiten, um in diesem die Erfüllung der Voraussetzungen und Bedingungen für die Inanspruchnahme belastbar darzulegen.

In unserer Blogreihe „Finanzierungsthemen in Corona-Zeiten″ betrachten wir die Finanzierung mit all ihren Facetten. Angefangen haben wir mit einem Blick auf die Immobilienfinanzierung. Anschließen haben wir uns mit Kreditverträgen allgemein und der Verlängerungsoption in Konsortialkreditverträgen beschäftigt. Weiter haben wir die Darlehenskündigung und das Gesetz zum Darlehensnehmerschutz unter die Lupe genommen, sowie auf die Herausforderungen für Darlehensgeber aufgezeigt. Auch die KfW-Förderprogramme und den Wirtschaftsstabilisierungsfonds haben wir uns angeschaut.


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