31. Juli 2024
behördliches Ermittlungsverfahren interne Untersuchungen
Interne Untersuchungen

Interne Untersuchungen begleitend zu behördlichen Ermittlungsverfahren

Die Vorteile einer internen Untersuchung des Unternehmens im Falle eines Ermittlungsverfahrens werden häufig unterschätzt. 

Sowohl staatliche Ermittlungen gegen ein Unternehmen als auch interne Ermittlungen durch das Unternehmen selbst stellen eine große Herausforderung für das betroffene Unternehmen dar. Dies gilt besonders dann, wenn beides zusammentrifft. 

Wie dieser Beitrag aufzeigt, wird es dennoch meist im Unternehmensinteresse liegen, parallel zu behördlichen Ermittlungen eigene interne Untersuchungen durchzuführen. Hierzu dürfte in aller Regel bereits eine Rechtspflicht bestehen. Zudem bietet sich insbesondere die Chance, durch eigene Erkenntnisse die „Deutungshoheit“ zu behalten, den Behördenvertretern auf „Augenhöhe“ zu begegnen und hierdurch eine effektive Unternehmensverteidigung vorzubereiten.

In Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren, die sich gegen das Unternehmen oder Unternehmensvertreter richten, können begleitende interne Untersuchungen zudem straf- bzw. bußgeldmindernd berücksichtigt werden oder hierdurch der Effekt der „Selbstreinigung“ im gewerberechtlichen Sinne erzielt werden. Nicht zuletzt tragen interne Untersuchungen wesentlich dazu bei, einen Reputationsschaden zu verhindern oder einzudämmen, der in der öffentlichen Wahrnehmung oft mit pressebekannten Ermittlungsverfahren gegen das Unternehmen oder seine Vertreter einhergeht.

In der Praxis treffen behördliche und interne Maßnahmen häufig dann zusammen, wenn das Unternehmen durch behördliche Ermittlungsmaßnahmen (z.B. Durchsuchungen) Kenntnis von Ermittlungsmaßnahmen gegen Unternehmensvertreter erlangt. Ebenfalls denkbar ist es, dass im Verlauf einer internen Untersuchung behördliche Ermittlungen aufgenommen werden, z.B. weil ein Hinweisgeber die Staatsanwaltschaft über Verdachtsmomente in Kenntnis setzt, oder entsprechende Verdachtsmomente im Zuge eines arbeits- oder zivilgerichtlichen Verfahrens zutage treten und das sachbefasste Gericht die Staatsanwaltschaft informiert.

Der Rechtsanwalt als „interner Ermittler“

Der Rechtsanwalt als „interner Ermittler“ weist einige Besonderheiten auf, die vom klassischen Rollenbild des Parteivertreters abweichen. Dies beginnt damit, dass eine interne Untersuchung zwar im Unternehmensinteresse, aber dennoch „unabhängig“ und „ergebnisoffen“ durchgeführt werden muss.

Insbesondere bei begleitenden behördlichen Ermittlungen sieht sich der Rechtsanwalt damit einem Spannungsfeld ausgesetzt. Dieses reicht vom – dem klassischen Rollenbild inhärenten – Verständnis des (vorbehaltlosen) Parteivertreters auf der einen Seite bis hin zum „verlängerten Arm der Strafverfolgungsbehörden“, der diesen gegenüber vermeintlich zur vollumfänglichen Transparenz verpflichtet ist. 

In jedem Fall ist das Rollenbild des Rechtsanwalts als „internem Ermittler“ anfällig für (Fehl-)Interpretationen, so dass eine klare Definition und eine eindeutige Kommunikation gegenüber allen Beteiligten, bereits in der Mandatsanbahnungsphase, anzuraten ist. 

Kooperatives Verhalten im Unternehmensinteresse

Eine Herausforderung liegt für den Rechtsanwalt darin, ein Gespür für die im Einzelfall richtige Dosis der Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden zu entwickeln. Wenngleich eine wohlüberlegte Weitergabe von Untersuchungsergebnissen an die Behördenvertreter oft im Unternehmensinteresse liegen mag, sollte vermieden werden, den Behörden „blind zuzuarbeiten“ und so faktisch zu deren „verlängertem Arm“ zu werden. Denn: Auch als interner Ermittler handelt der Rechtsanwalt in erster Linie im Unternehmensinteresse. Und: Das Erfordernis der Unabhängigkeit gilt auch gegenüber den Ermittlungsbehörden. 

Unabhängigkeit und Ergebnisoffenheit der Untersuchung

Für die Unabhängigkeit und Ergebnisoffenheit einer internen Untersuchung ist es von großer Bedeutung, dass kein Einfluss auf die Durchführung der Untersuchung und deren Ergebnisse genommen wird. Dies führt zu dem – auf den ersten Blick nicht im Unternehmensinteresse liegenden – Effekt, dass ein Untersuchungsergebnis auch „negativ“ sein kann, z.B. weil sich Verdachtsmomente gegen Unternehmensvertreter bestätigen oder sich der Untersuchungsgegenstand gar ausweitet. 

Langfristig betrachtet liegt aber auch ein solches Ergebnis im Unternehmensinteresse, insbesondere dann, wenn sich daraus für das Unternehmen vorteilhafte Folgemaßnahmen ableiten lassen (z.B. disziplinarische Schritte, Implementierung von Präventionsmaßnahmen, Reduktion behördlicher Ermittlungsmaßnahmen). Weiterhin können nur so „objektive“ Ergebnisse gewonnen werden, wodurch die richtige Bewertung der Lage ermöglicht und ein Wissensvorsprung der Ermittlungsbehörden verhindert wird. 

Ein auf den ersten Blick positives Ergebnis, das aufgrund einer „konfligierten“ Untersuchung zustande gekommen ist, ist hingegen wertlos, da „Verfahrensfehler“ einer internen Untersuchung in aller Regel von Behörden und Gerichte erkannt werden und die Ergebnisse damit nicht verwertbar wären. 

Untersuchungspflicht im Rahmen der Legalitätspflicht

Die Legalitätspflicht zählt zu den zentralen Pflichten der Geschäftsleitung, insbesondere in Kapitalgesellschaften. Diese Pflicht umfasst nicht nur die Einhaltung von Recht und Gesetz durch die Organe selbst, sondern auch die Sicherstellung der Gesetzestreue innerhalb der gesamten Gesellschaft. Zur Erfüllung dieser Pflicht ist in der Regel die Einrichtung einer Compliance-Organisation notwendig, wobei Umfang und Ausgestaltung von den Umständen des Einzelfalls abhängen, die maßgeblich von den Verhältnissen des konkreten Unternehmens geprägt werden. Neben Art und Größe des Unternehmens werden diese insbesondere von in der Vergangenheit aufgetretenen Unregelmäßigkeiten beeinflusst. 

Es stellt sich natürlich die Frage, ob daraus auch die Verpflichtung folgt, bei Verdacht auf Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen worden sein könnten, eine interne Untersuchung durchzuführen. Obwohl dies im Einzelfall von verschiedenen Faktoren, etwa der Plausibilität von Hinweisen oder der Erheblichkeit von Vorwürfen, abhängt, dürfte in den meisten Fällen eine Untersuchungspflicht anzunehmen sein. Denn die Geschäftsleitung ist allgemein dazu verpflichtet, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln und dabei die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Als Teil dieser Leitungssorgfalt wird allgemein die Pflicht gesehen, Hinweisen auf Gesetzesverletzungen nachzugehen. Durch eigene Untersuchungsmaßnahmen wird die Geschäftsleitung regelmäßig erst in die Lage versetzt, auf Basis ausreichender Informationsgrundlage zu entscheiden, welche Folgemaßnahmen geboten erscheinen. Im Falle paralleler behördlicher Ermittlungen eröffnen die Erkenntnisse einer eigenen Untersuchung die Möglichkeit, informiert zu entscheiden, in welchem Umfang eine Kooperation mit Behörden als im Unternehmensinteresse liegend erscheint. Meist wird eine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden im Unternehmensinteressen liegen, um größeren Schaden vom Unternehmen abzuwenden und mit diesen auf Augenhöhe sprechen zu können. Darüber hinaus dienen interne Untersuchungen auch zur Vorbereitung disziplinarischer Maßnahmen wie Kündigungen oder die Geltendmachung von Schadensersatz- oder Regressansprüchen. Sie ist vor diesem Hintergrund daher regelmäßig im Unternehmensinteresse, um einerseits die Compliance-Kultur zu stärken und andererseits in der Außendarstellung die Deutungshoheit zurückzugewinnen und so die Unternehmensreputation zu schützen.

Die Verantwortung für die Einleitung interner Untersuchungen liegt meist bei der Geschäftsleitung, wie dem Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) oder der Geschäftsführung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). In besonderen Konstellationen, insbesondere wenn die Geschäftsleitung im „Fadenkreuz“ der Ermittlungen steht, kann hierzu auch der Aufsichtsrat berufen sein. Die internen Kompetenzregelungen sind genau zu prüfen, da die Zuständigkeit im Einzelfall sehr komplex sein kann.

Wahrung der Unabhängigkeit der Untersuchung

Entscheidet sich das Unternehmen zur Durchführung einer internen Untersuchung und zur Kooperation mit den Ermittlungsbehörden, stellt sich die Frage nach dem „Wie“. Dabei ist es entscheidend, die Unabhängigkeit der internen Untersuchung zu wahren.

Die Geschäftsleitung bleibt in erster Linie dem Unternehmenswohl verpflichtet, sodass sowohl die Art und Weise der internen Untersuchungsmaßnahmen als auch die anschließende Weitergabe der Erkenntnisse stets darauf auszurichten sind. Regelmäßig wird die umfassende Kooperation hier zwar im Interesse des Unternehmens liegen, um weiteren Schaden – etwa in Form von hohen Geldbußen – abzuwenden. Vor diesem Hintergrund muss bereits jeglicher Anschein einer Strafvereitelung gemäß § 258 StGB vermieden werden. Ein solcher Vorwurf kann insbesondere dann entstehen, wenn durch unternehmensinterne Ermittlungen Mitarbeiter vorgewarnt oder etwaige Beweismittel vernichtet werden könnten. 

Gleichwohl besteht, sofern sich das Unternehmen in einer Verteidigungssituation befindet, oftmals ein nicht unerheblicher Spielraum bei der Bewertung der gewonnenen Sachverhaltserkenntnisse, den das Unternehmen im Rahmen der Kommunikation nach außen ausschöpfen kann. Die darin liegende Deutungshoheit stellt einen nicht zu unterschätzenden Vorteil der eigenen Untersuchung dar, den es im Blick zu behalten gilt. Vor diesem Hintergrund sollte das Unternehmen den Ablauf der Untersuchung zwar grundsätzlich eng mit den Ermittlungsbehörden abstimmen, aber dabei dennoch seine Autonomität wahren.

Eigene eDiscovery verhindert möglicherweise eine Ausweitung der Ermittlungen

Im Rahmen einer internen Untersuchung ist es oft notwendig, elektronische Unterlagen wie E-Mails zu sichten. Eine Abstimmung mit den Ermittlungsbehörden kann hier lohnenswert sein. Denn erfahrungsgemäß verzichten die Ermittlungsbehörden in einem solchen Fall nicht selten auf eigene dahingehende Ermittlungsmaßnahmen. 

Im Falle eines Ermittlungsverfahrens drohen dem Unternehmen umfangreiche Durchsuchungsmaßnahmen durch die Behörden, bei denen auch viele Computer und Server zur Sichtung elektronischer Daten beschlagnahmt werden könnten. Dies führt nicht nur zu erheblicher Unruhe im Unternehmen, sondern es droht – zumindest zeitweise – auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Betriebsablaufs. Sofern derartiges durch eine Kooperation verhindert oder zumindest eingeschränkt werden kann, wird dies im Interesse des Unternehmens liegen. Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang auch, dass bei einer Kooperation mögliche Zufallsfunde der Ermittlungsbehörden, die nichts mit dem eigentlichen Untersuchungsfokus der Behörden zu tun haben, die das Unternehmen aber anderweitig „in Bedrängnis bringen“ können, vermieden werden.

Eigene Mitarbeiter-Interviews: Die Durchführung erfolgt nach strafprozessualen Grundsätzen, um den „Boden“ für eine Verwertbarkeit durch die Ermittlungsbehörden zu „bereiten“

Zur tieferen Aufklärung des Sachverhalts ist es regelmäßig unumgänglich, mit einigen Beschäftigten im Rahmen von sog. Interviews zu sprechen. Dabei unterscheiden sich die Rahmenbedingungen unternehmensinterner Interviews wesentlich von denen staatlicher Vernehmungen nach der Strafprozessordnung (StPO). Während bei Vernehmungen durch staatliche Ermittlungspersonen die Verweigerungsrechte gemäß §§ 52 ff. StPO zu beachten sind, besteht im Rahmen interner Untersuchungen grundsätzliche eine Mitwirkungspflicht des Mitarbeiters, die aus der Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber gemäß § 242 BGB hergeleitet wird.

Grundsätzlich werden die internen Ermittler des Unternehmens in diesem Fall gehalten sein, den betreffenden Mitarbeitern die Schweigerechte im Sinne der StPO zu gewähren und ihn über diese Rechte auch zu belehren. Dies hat den Vorteil, dass ein solches Interview von einer Ermittlungsbehörde verwertet werden kann. Gegebenenfalls verzichtet diese dann gänzlich auf eine eigene Vernehmung. Bei der Einräumung von Schweigerechten handelt es sich zudem um einen Akt der Fairness, da die Interview-Protokolle oft am Ende beim Staatsanwalt auf dem Tisch landen. Den Arbeitgeber trifft im Verhältnis zu seinen Beschäftigten bekanntermaßen eine Fürsorgepflicht, weshalb sich bereits vor diesem Hintergrund eine Belehrung über Schweigerechte anbietet, insbesondere wenn sich der betroffene Mitarbeiter durch seine Aussagen selbst der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzt. In jedem Fall sollte das Unternehmen die Vernehmung mit den Ermittlungsbehörden abstimmen, um diese nicht dadurch „sauer zu fahren“, dass den Behörden die Möglichkeit zur Erstvernehmung genommen wird.

Vorteile der parallelen internen Untersuchung für Unternehmen

Eine interne Untersuchung und eine ggf. darauf aufbauende Kooperation mit den Ermittlungsbehörden sind ganz essentiell, um einen drohenden Schaden so weit wie möglich einzudämmen. Neben der Sicherung der Reputation durch an die Ermittlung anknüpfende mediale Berichterstattung, gibt es insbesondere zwei zentrale Aspekte: Die Vorbereitung einer „Selbstreinigung“ und die Reduktion eines etwaigen Bußgelds.

Die Vorbereitung einer „Selbstreinigung“ ist für viele Unternehmen existenzsichernd

Von öffentlichen Ausschreibungen abhängige Unternehmen droht bei Compliance-Verstößen grundsätzlich konkret ein Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sieht in §§ 123, 124 im Einzelnen aufgelistete zwingende und fakultative Ausschlussgründe vor. Im Falle bestehender Ausschlussgründe gemäß §§ 123, 124 GWB kann als Gegenmaßnahme ein sog. Selbstreinigungsverfahren gemäß § 125 GWB durchgeführt werden. Als Selbstreinigung werden die Maßnahmen bezeichnet, die Unternehmen ergreifen können, um den vergaberechtlichen Ausschlussgrund zu beseitigen. Als wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Selbstreinigung wird gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 2 GWB ausdrücklich die umfassende interne Aufklärung und Kooperation mit den Ermittlungsbehörden genannt. 

Interne Ermittlungen führen regelmäßig zu einer erheblichen Reduktion eines etwaigen Bußgelds (bzw. einer Strafe)

Während über das strafrechtliche Institut der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB lediglich eine „Abschöpfung“ erlangter Erträge von Straftaten bezweckt wird, haben die Ermittlungsbehörden im Rahmen eines Bußgeldverfahrens die Möglichkeit, eine Unternehmensgeldbuße gemäß § 30 OWiG festzusetzen, die neben einem Abschöpfungsteil auch einen Ahndungsteil beinhaltet. Der Ahndungsteil kann in einer Spanne von bis zu EUR 10 Mio. festgesetzt werden, der Abschöpfungsteil ist nach oben unlimitiert und dient der Gesamtabschöpfung erlangter Vorteile, § 17 Abs. 4 OWiG. Die Durchführung einer internen Untersuchung und die anschließende Kooperation mit den Ermittlungsbehörden wird bei der Bemessung der Geldbuße erfahrungsgemäß sehr positiv berücksichtigt.

Auch im anglo-amerikanischen Raum betont das U.S. Department of Justice in seiner „Evaluation of Corporate Compliance Programs“, dass interne Untersuchungen Teil eines effektiven Compliance-Management-Systems sind, was im Rahmen der Straf-/Bußgeldbemessung zu berücksichtigen ist. 

Eine effektive interne Untersuchung und die Erarbeitung einer Kooperationsstrategie bieten Unternehmen somit eine große Chance, Schaden zu minimieren und die eigene Position im Ermittlungsverfahren zu stärken.

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