19. Juli 2024
Künstliche Intelligenz

KI und Jobtransformation: Rechtliche Fragen bei Änderung des Tätigkeitsprofils

Dieser Beitrag untersucht die Auswirkungen des Einsatzes von KI in Bezug auf Änderungen im Tätigkeitsprofil von Arbeitnehmern.

Die rasante Entwicklung von KI revolutioniert zahlreiche Tätigkeiten in der Arbeitswelt. Bereits heute automatisieren KI-Systeme repetitive Aufgaben, verbessern Entscheidungsprozesse und optimieren Betriebsabläufe in Unternehmen. Es ist damit zu rechnen, dass die fortschreitende Integration von KI in verschiedene Branchen sowie den einzelnen Betriebsabläufen zukünftig noch tiefgreifendere Auswirkungen auf die Tätigkeit von Arbeitnehmern haben wird.

Diese Entwicklungen haben zur Folge, dass traditionelle Rollen neu definiert und zusätzliche Qualifikationen erforderlich werden. Während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses kann der Einsatz von KI insoweit auch zu wesentlichen Veränderungen der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers führen, so dass Arbeitgeber prüfen müssen, ob eine Tätigkeitsänderung von ihrem Weisungsrecht überhaupt gedeckt ist.

Inwieweit der Einfluss von KI-Systemen den Arbeitgeber zum Ergreifen von individualvertraglichen als auch kollektivrechtlichen Maßnahmen in Bezug auf die Änderung der geschuldeten Tätigkeit verpflichtet, um die Tätigkeitsveränderung rechtswirksam zu gestalten, beleuchtet dieser Blogbeitrag.

Konkretisierung der geschuldeten Arbeitsleistung 

Der Arbeitgeber bestimmt durch sein Direktionsrecht die Einzelheiten der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, einschließlich Ort, Zeit und Inhalt (§ 106 Abs. 1 S. 1 GewO). Dieses Recht kann durch Arbeitsvertrag, Gesetz, Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen eingeschränkt werden. Der Arbeitsvertrag beschränkt in der Regel das Direktionsrecht hinsichtlich des Inhalts der Arbeitsleistung. Eine einseitige Zuweisung einer anderen Tätigkeit muss daher den rechtlichen Schranken entsprechen. Eine wirksame Versetzungsklausel erlaubt dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer eine gleichwertige andere Tätigkeit zuzuweisen. Die Gleichwertigkeit richtet sich nach der betrieblichen Verkehrsauffassung und dem sozialen Bild (BAG, Urteil v. 30. August 1995 – 1 AZR 47/95). Kriterien dafür sind unter anderem die Anzahl der unterstellten Mitarbeiter und Entscheidungsbefugnisse. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung der Umstände im Einzelfall (LAG Köln, Urteil v. 11. Dezember 2009 – 10 Sa 328/09).

Fehlende Gleichwertigkeit durch den Einsatz von KI

Führt der KI-Einsatz dazu, dass sich ein traditionelles Stellenprofil während eines laufenden Arbeitsverhältnisses neu definiert, kann es an der Gleichwertigkeit der neuen Tätigkeit fehlen, so dass diese Veränderung nicht mehr vom Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist. In diesem Fall kann eine Änderung der Arbeitsleistung durch eine einvernehmliche Änderungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herbeigeführt werden. Scheitert die Tätigkeitsänderung mit Hilfe des Direktions- und Weisungsrechts des Arbeitgebers an der Gleichwertigkeit, und ist auch eine einvernehmliche Lösung nicht erzielbar, kommt als Ultima Ratio eine Änderungskündigung in Betracht. Auch für die Wirksamkeit einer solchen Änderungskündigung ist es jedoch erforderlich, dass diese sozial gerechtfertigt ist (vgl. § 1 KSchG).

Die folgenden Beispiele verdeutlichen, wie KI in diesem Sinne die Arbeitsplätze der Zukunft transformieren kann:

  • Automatisierung repetitiver Aufgaben: 
    Die Hauptaufgabe eines Sachbearbeiters in der Buchhaltung ist die manuelle Eingabe und Überprüfung von Daten ist. Diese Aufgaben kann eine KI automatisch und fehlerfrei erledigen. Dadurch würde die Rolle des Sachbearbeiters erheblich abgewertet, da die Kernkompetenzen und Verantwortlichkeiten entfallen.
  • Veränderung der Entscheidungsprozesse:
    In einem Produktionsbetrieb könnte eine KI-basierte Software die Planung und Steuerung der Produktionsprozesse übernehmen, wodurch die Entscheidungsbefugnisse des Produktionsleiters erheblich eingeschränkt werden. Dies würde zu einer Veränderung des Sozialbildes im Betrieb und der wahrgenommenen Wertigkeit der Tätigkeit führen.
  • Veränderung der kreativen Prozesse:
    In der Werbe- oder Marketingbranche könnte eine KI zur Erstellung von Werbetexten und Grafiken eingesetzt werden. Die Rolle eines Kreativdirektors oder Designers würde sich dadurch von der aktiven Gestaltung hin zur Überwachung und Feinabstimmung der von der KI erstellten Inhalte verschieben. Dies könnte als Abwertung der ursprünglichen kreativen Tätigkeiten durch die Verkehrsanschauung wahrgenommen werden.

Die Auswirkungen des Einsatzes von KI auf traditionelle Rollenbilder sind vielseitig. So kann eine Veränderung der Arbeitsaufgabe qualitativ sein, indem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer durch den Einsatz von KI eine andere Art von Arbeit überträgt, die entweder anspruchsvoller oder weniger anspruchsvoll ist. Sie kann aber auch quantitativ erfolgen, indem sie durch den KI-Einsatz das Arbeitsvolumen deutlich erweitert.

Arbeitgeber sollten sich daher hinreichend bewusst machen, dass ein Arbeitnehmer auch von seinem Arbeitgeber verlangen kann, entsprechend der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit beschäftigt zu werden. Denn der Arbeitnehmer kann seinen konkreten Beschäftigungsanspruch aus dem Arbeitsvertrag auch gerichtlich durchsetzen. Insoweit genießt das Arbeitsverhältnis Bestandsschutz. Dies führt dazu, dass der Einsatz von KI auch unmittelbar verhindert werden könnte, wenn eine Gesamtabwägung gegen die Gleichwertigkeit einer Tätigkeit unter Einsatz von KI spricht.

Zustimmungserfordernis bei Versetzungen

Unabhängig davon, ob die Änderung durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers zulässig ist, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat bei personellen Maßnahmen, einschließlich Versetzungen, informieren und dessen Zustimmung einholen (§ 99 BetrVG).

Eine Versetzung liegt vor, wenn ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wird, der über einen Monat dauert oder erhebliche Änderungen der Arbeitsumstände mit sich bringt (§ 95 Abs. 3 BetrVG).

Wenn der Einsatz von KI einen neuen Tätigkeitsbereich schafft oder die Aufgaben erheblich verändert, kann dies eine Versetzung in diesem Sinne darstellen. Ein anderer Arbeitsbereich liegt nur vor, wenn die Änderungen durch KI wesentlich sind, z.B. durch die Erweiterung oder den Entzug von etwa 20 % der ursprünglichen Arbeitsleistung oder den Wegfall und die Übertragung von Aufgaben durch KI-Software. Indikatoren für wesentliche Änderungen sind verlängerte Einarbeitungszeiten oder erhebliche Abweichungen von der ursprünglichen Stellenausschreibung.

Frühzeitige Bewertung der Auswirkungen des KI-Einsatzes auf Tätigkeitsprofile

Der zunehmende Einsatz von KI macht eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der Stellenprofile erforderlich, um den neuen Anforderungen durch den Einsatz von KI gerecht zu werden. Dies bedeutet, dass Arbeitgeber regelmäßig evaluieren sollten, wie sich ein technologischer Fortschritt auf die Aufgaben und Fähigkeiten der Arbeitnehmer auswirkt. So können Arbeitgeber flexibel und agil bleiben, um die Vorteile der KI-Technologien am Arbeitsplatz rechtlich wirksam und effizient zu nutzen.

Um eine rasche und reibungslose Implementierung von KI in die Arbeitsprozesse zu ermöglichen, können Arbeitgeber proaktiv Maßnahmen zur Konfliktlösung ergreifen, falls es an einer gleichwertigen Tätigkeit fehlt. Zudem können Arbeitgeber Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen anbieten, um die Arbeitnehmer auf neue Anforderungen vorzubereiten und ihre Bereitschaft zu einer schnellen einvernehmlichen Anpassung der Arbeitsaufgaben zu erhöhen.

Tags: Arbeitsrecht Jobtransformation künstliche Intelligenz Tätigkeitsprofil