21. Februar 2025
Urheberrecht KI US Copyright
Künstliche Intelligenz

Of Dice and Cheese – Zum Urheberrechtsschutz von KI-Erzeugnissen aus Sicht des U.S. Copyright Offices

U.S. Copyright Office: KI-Erzeugnisse sind in Einzelfällen dem Urheberrechtsschutz zugänglich. Wiederholte Prompts allein führen nicht zur Schutzfähigkeit.

Am 29. Januar 2025 hat das U.S. Copyright Office den zweiten Teil seines Berichts zum Thema „Copyright and Artificial Intelligence“ veröffentlicht.

Das U.S. Copyright Office ist eine US-amerikanische Bundesbehörde, welche für die Registrierung urheberrechtlich geschützter Werke verantwortlich ist, die Öffentlichkeit zu urheberrechtlichen Themen informiert und den US-Kongress bei Gesetzgebungsvorhaben mit Urheberrechtsbezug berät und unterstützt. Regelmäßig veröffentlicht die Behörde Berichte zu aktuellen urheberrechtlichen Fragen mit Empfehlungen an den Gesetzgeber.  

Der Bericht zu „Copyright and Artificial Intelligence“ besteht insgesamt aus drei Teilen. Der erste Teil vom 31. Juli 2024 betraf digitale Nachbildungen (Digital Replicas). Der noch ausstehende dritte Teil wird sich mit den rechtlichen Auswirkungen des Trainings von KI-Modellen mit urheberrechtlich geschützten Werken befassen.

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Inhalt des zweiten Berichtsteils, der sich mit der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von KI-Erzeugnissen befasst. Die im Bericht analysierten Argumente sind bereits Gegenstand der Diskussion im deutschen und europäischen Urheberrecht.

Rechtsrahmen für die Beurteilung von Urheberrechtsschutz in den USA 

Ähnlich wie im europäischen Urheberrecht genießt ein Erzeugnis in den USA nur dann Urheberrechtsschutz, wenn es von einem Menschen geschaffen wurde.

Der Urheberrechtsschutz eines Erzeugnisses setzt nach Auffassung des U.S. Supreme Courts ein gewisses Maß an Kreativität voraus. Ein Mensch muss in ausreichendem Maße die Gestalt des Erzeugnisses vorgegeben haben. Demgegenüber können die in die Herstellung eines Erzeugnisses investierte Zeit und die damit verbundene Anstrengung allein keinen Urheberrechtsschutz begründen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, der für die Qualifizierung als Werk insbesondere „freie kreative Entscheidungen“ des Urhebers fordert (EuGH, Urteil v. 1. Dezember 2011 – C-145/10 – Painer/Standard).

Die Nutzung technischer Hilfsmittel, wie etwa eines Fotoapparats, schließt den Urheberrechtsschutz auch in den USA nicht ohne weiteres aus, solange und soweit das mit Hilfsmitteln hergestellte Erzeugnis Elemente aufweist, welche in ausreichendem Maße vom Menschen (und nicht etwa von dem technischen Hilfsmittel selbst) vorgegeben wurden. Insbesondere durch die Auswahl und Platzierung der auf einem Foto abgebildeten Objekte kann ein Mensch einen für den Urheberrechtsschutz ausreichenden Beitrag leisten.

Auf Basis dieses Rechtsrahmens untersucht das U.S. Copyright Office anhand verschiedener Einsatzmöglichkeiten generativer KI-Systeme die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von KI-Erzeugnissen.

Prompt-Eingaben vermitteln Menschen in der Regel keine ausreichende Kontrolle über die Herstellung von KI-Erzeugnissen

Das U.S. Copyright Office vertritt die Auffassung, dass Menschen allein durch Eingabe eines Prompts nicht ausreichend Kontrolle über ein KI-System und den darin ablaufenden Schaffensprozess eines KI-Erzeugnisses ausüben, um als Urheber der so erzeugten KI-Erzeugnisse angesehen werden zu können.

Dies werde maßgeblich durch die Tatsache belegt, dass ein und derselbe Prompt zahlreiche verschiedene KI-Erzeugnisse hervorbringen kann. Zudem habe der Mensch keinen Einfluss darauf, wie genau ein KI-System die in einem Prompt enthaltenen Wörter interpretiert und etwaige Lücken, welche die im Prompt enthaltenen Vorgaben aufweisen, zum Zwecke der Erzeugnisherstellung ausfüllt. Der Prompt könne außerdem vom KI-System intern umgewandelt oder abgeändert werden, was ebenfalls die mangelnde Kontrolle des Menschen über die konkrete Formgebung und Gestaltung des KI-Erzeugnisses unterstreiche.

Auch die sukzessive Überarbeitung und erneute Eingabe eines Prompts kann nicht zu einem Urheberrechtsschutz am KI-Erzeugnis führen, da auch hier das konkrete Aussehen eines KI-Erzeugnisses maßgeblich vom KI-System bestimmt wird und Urheberrechtsschutz nicht allein deshalb gewährt werden könne, weil die Herstellung eines Erzeugnisses besonders aufwändig ist. Durch die Überarbeitung werde kein höherer Grad an Kontrolle über das KI-System erlangt. Vielmehr werfe der Nutzer „den Würfel“ nur mehrmals (re-rolling the dice). Unabhängig davon, wie oft der Prompt überarbeitet werde, spiegele der finale Output bloß die Akzeptanz des Nutzers hinsichtlich der Interpretation des KI-Systems wider.

Das U.S. Copyright Office hält es durchaus für möglich, dass der technische Fortschritt Möglichkeiten eröffne, durch Prompts urheberrechtlichen Schutz zu begründen. Gleichzeitig könne der technische Fortschritt aber auch dazu führen, dass ein Urheberrechtsschutz an KI-generiertem Output noch abwegiger werde, z. B. durch automatisierte Prompt-Optimierung.

Einzelfälle, in denen Urheberschaft an KI-Erzeugnissen bejaht werden kann

Während ein Urheberrechtsschutz des KI-Erzeugnisses durch klassisches Prompting nach Auffassung des U.S. Copyright Offices zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht komme, hält es die Begründung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des Outputs in anderen Fällen durchaus für möglich.

Ein solcher Fall kann etwa die Nutzung von sog. expressiven Input in Prompts sein. Damit sind Konstellationen gemeint, in denen vom Menschen geschaffene kreative Inhalte (z.B. eine Zeichnung) in Prompts eingegeben werden, um diese Inhalte zu überarbeiten oder anzupassen. Hier komme es nach Ansicht des U.S. Copyright Offices auf den konkreten Einzelfall an. Jedenfalls die Zeichnung, wenn sie als solche schutzfähig ist, werde auch im Output Schutz genießen. Der Schutz erstrecke sich aber nicht auf KI-generierte Elemente, die unabhängig von dem menschlich erzeugten Material sind.

Nach Ansicht des U.S. Copyright Offices sollte es für die Beurteilung des Urheberrechtsschutzes eines von Menschen hergestellten Erzeugnisses zudem irrelevant sein, wenn im Rahmen von Zwischenschritten KI-Systeme Einsatz gefunden haben, wie etwa bei der Nutzung des KI-Systems als „brainstorming tool“ zur Herstellung oder Strukturierung eines Outlines eines literarischen Werks, solange KI-Erzeugnisse keinen Eingang in die finale Fassung des Werks gefunden haben. 

Dies steht im Einklang mit einer Bewertung aus europäischer Perspektive: Werke werden nie im luftleeren Raum geschaffen. Welche Inspirationsquellen zur Schöpfung eines Werkes herangezogen werden, ist für die urheberrechtliche Bewertung unerheblich. Maßgeblich ist allein, inwiefern sich die Quellen in dem geschaffenen Werk wiederfinden, z. B. ob sie als Zitat oder in bearbeiteter Form genutzt werden oder ob sie gar nicht wiedererkennbar sind.

Schließlich kann ein (teilweiser) Urheberrechtsschutz am KI-Erzeugnis auch dann entstehen, wenn dieser vom Menschen neu zusammengestellt, angepasst oder überarbeitet wird. So hat das U.S. Copyright Office Urheberrechtsschutz bereits für Comicbücher angenommen, deren Text von einem Menschen stammt, die darin enthaltenen Bilder jedoch von einer KI erzeugt wurden. Der Schutz umfasste den Text und die Anordnung der schriftlichen und visuellen Elemente, nicht jedoch die KI-generierten Bilder selbst.

Erst Ende Januar 2025 hat das U.S. Copyright Office die Registrierung eines ausschließlich mittels KI erzeugten Bildes „A Single Piece of American Cheese“ als urheberrechtlich geschütztes Werk zur Registrierung akzeptiert. Der Schöpfer des Bildes – Kent Keirsey, CEO der generativen KI-Plattform „Invoke“ – hatte bis zu 35 einzelne Regionen des Bildes ausgewählt und mithilfe eines als „inpainting“ bezeichneten KI-gestützten Prozesses überarbeitet. Das U.S. Copyright Office erblickte hier in der Auswahl und Anordnung der verschiedenen KI-generierten Inhalte, aus denen sich das Bild zusammensetzt, ein urheberrechtlich geschütztes Werk, wobei die einzelnen KI-generierten Inhalte als solche nicht urheberrechtlich geschützt sind.

Änderung des U.S.-amerikanischen Urheberrechts nicht erforderlich

Wie in anderen Berichten befasst sich das U.S. Copyright Office auch im Zusammenhang mit dem Urheberrechtsschutz von KI-Erzeugnissen mit der Frage, ob das bestehende U.S. Copyright Law reformiert werden müsse. Dies verneint die Behörde.

Nach Auffassung des U.S. Copyright Office gebe es gegenwärtig keinen Grund, KI-generierte Erzeugnisse über das bestehende Urheberrecht hinaus zu schützen. Die „Copyright Clause“ der US-amerikanischen Verfassung, welche die Kompetenz des US-Kongresses für die urheberrechtliche Gesetzgebung der Vereinigten Staaten darstellt, hat das Ziel, Menschen rechtliche und wirtschaftliche Anreize zu bieten, Werke zu schaffen, um damit zum menschlichen Fortschritt beizutragen. Es sei unwahrscheinlich, dass es für die Entwicklung von KI-Systemen vor diesem Hintergrund weiterer Anreize bedürfe. Hinsichtlich der Hard- und Software von KI-Systemen gebe es bereits ausreichende Anreize durch die Möglichkeit ihrer Patentierung und einen möglichen Urheber- und Geschäftsgeheimnisschutz derselben; ebenso gibt es ausreichende finanzielle Anreize wie z.B. Förderungen.

Der Schutz KI-generierter Inhalte hätte zudem erhebliche Auswirkungen auf die menschliche Schöpfungsleistung und die Möglichkeit von Urhebern, an der Verwertung ihrer Werke zu partizipieren. Menschliche Urheber könnten nicht mit KI-Systemen konkurrieren, welche leicht und schnell eine Flut von Inhalten erzeugen können, die menschliche Werke verdrängen. Auch gebe es schon jetzt Anzeichen dafür, dass die Verbreitung KI-generierter Musikwerke etwa die Lizenzgebühren von menschlichen Schöpfern gefährden. 

Bedenken, dass der fehlende urheberrechtliche Schutz von KI-generierten Inhalten einen Wettbewerbsnachteil im internationalen Wettbewerb darstellen könnte, begegnet das Office mit dem Argument, dass verfassungs- und urheberrechtliche Prinzipien nicht mit Blick auf das Recht anderer Länder verworfen werden könnten.

Schließlich sei ein flächenübergreifender Urheberrechtsschutz für KI-generierte Erzeugnisse auch nicht zugunsten der Rechtssicherheit erforderlich. Viele Bedenken von Nutzern von KI-Systemen beträfen Werke, in denen die KI-Systeme nur als Hilfsmittel genutzt würden. Der Bericht solle gerade bestätigen, dass diese Art der Nutzung den urheberrechtlichen Schutz nicht ausräume. Um festzustellen, ob Urheberrechtsschutz gegeben sei, könnten sowohl die Entscheidungen des U.S. Copyright Offices zu Registrierungsprozessen als auch zukünftige Rechtsprechung herangezogen werden.

Wertungen weitgehend auf nationales und EU-weit harmonisiertes Urheberrecht übertragbar

Die Wertungen des U.S. Copyright Offices sind weitgehend auf das deutsche und das in Europa harmonisierte Urheberrecht übertragbar. Auch nach deutschem und europäischem Urheberrecht dürften KI-Erzeugnisse nur in Ausnahmefällen Schutz genießen. Die Kriterien, die der EuGH für den urheberrechtlichen Werkschutz entwickelt hat, und die auch für die Auslegung des Werkbegriffs des deutschen Urheberrechts maßgeblich sind, werden bei KI-Erzeugnissen regelmäßig nicht erfüllt sein. Denn die Kontrolle über die konkrete Ausgestaltung des KI-Erzeugnisses ist dem Verfasser eines – noch so detaillierten und wiederholt eingegebenen – Prompts entzogen, sodass die Details der Gestaltung eines KI-Erzeugnisses nicht vom Menschen, sondern letztlich von der KI umgesetzt werden. Das KI-Erzeugnis ist deshalb keine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des Urheberrechts.

Um dennoch einen urheberrechtlichen Schutz von KI-Erzeugnissen herbeiführen zu können, müssen die KI-Erzeugnisse von Menschen deshalb umfassend überarbeitet und angepasst werden. Sofern diese Überarbeitungen die gesetzlichen Voraussetzungen für den Werkschutz erfüllen, sind zumindest diese Überarbeitungen urheberrechtlich geschützt.

Zu beachten ist schließlich, dass abweichend vom US-amerikanischen Recht das deutsche und europäische Urheberrecht neben dem Werkschutz für bestimmte Erzeugnisse Leistungsschutzrechte vorsehen. Diese erfordern für ihr Entstehen keine eigene geistige Schöpfung, sondern belohnen eine wirtschaftliche und organisatorische Leistung. Daher können nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz z. B. KI-generierte Filme als Laufbilder oder KI-generierte Presseerzeugnisse als Presseveröffentlichungen durch Leistungsschutzrechte geschützt sein.

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Tags: KI-Erzeugnis künstliche Intelligenz U.S. Copyright Office Urheberrechtsschutz