Das Erfüllen von Green-Deal-Regulierungen soll erleichtert werden - es gibt vorsichtigen Applaus, aber auch Kritik: Reden wir von Bürokratieabbau oder Deregulierung?
Die Europäische Kommission hat am 26. Februar 2025 ihr erstes „Simplification Omnibus package“ veröffentlicht, welches nach Angaben der Kommission weitreichende Vereinfachungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung, bei den Sorgfaltspflichten im Bereich Nachhaltigkeit und der Taxonomie beinhaltet.
Bereits der Draghi Report über die „Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit“ hatte im September 2024 die Notwendigkeit für Europa betont, ein regulatorisches Umfeld zu schaffen, welches die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz stärkt, und auf die Belastungen und Compliance-Kosten hingewiesen, die durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) entstehen. Auch in der Budapester Erklärung zum New European Competitiveness Deal forderten Staats- und Regierungschefs der EU
eine Vereinfachungsrevolution, die einen klaren, einfachen und intelligenten Rechtsrahmen für Unternehmen gewährleistet und den Verwaltungs-, Regulierungs- und Berichterstattungsaufwand, insbesondere für KMU, drastisch reduziert.
Die Kommission schlägt Modifizierungen von erst in der letzten Legislaturperiode erlassen und teils in den Mitgliedstaaten noch nicht umgesetzten Richtlinien vor. Das lässt sich dem heute veröffentlichten Omnibus entnehmen, einem Richtlinienvorschlag, der insbesondere einschneidende Änderungen bei der CSRD bzw. der durch diese geänderte Bilanzrichtlinie und der CSDDD vorsieht. Erklärtes Ziel ist es, Unternehmen bei der Erfüllung der Pflichten aus diesen beiden Richtlinien zu entlasten und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stärken – ob dies auf Kosten der ursprünglichen Nachhaltigkeitsziele oder gar des European Green Deal erfolgt, wird unterschiedlich bewertet.
CSRD: Reduzierung der nach CSRD berichtspflichtigen Unternehmen
Mit ihrem Vorschlag möchte die Kommission den Kreis der nominell in den Anwendungsbereich der CSRD fallenden Unternehmen deutlich verringern.
Die Anwendung der durch die CSRD eingeführten Berichtspflichten erfolgt nach geltender Regulierung schrittweise für verschiedene Kategorien von Unternehmen. In der ersten Welle sollen große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Beschäftigten berichtspflichtig werden und erstmals im Jahr 2025 für das Geschäftsjahr 2024 Bericht erstatten müssen.
Mit der zweiten Welle sollen nach der CSRD sämtliche bilanzrechtlich große Unternehmen – einschließlich der nicht von Welle 1 erfassten kapitalmarktorientierten – der Berichtspflicht unterfallen.
Nach dem Omnibus-Vorschlag sollen nun nur noch große Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden berichtspflichtig sein – und zwar unabhängig von einer Kapitalmarktorientierung. Abweichend von dem über das vergangene Wochenende geleakten Entwurf bleibt es aber bei den handelsrechtlichen Bilanz- und Umsatzschwellen (d. h. entweder einem Umsatz von über EUR 50 Mio. oder einer Bilanzsumme von über EUR 25 Mio.). Für Mutterunternehmen großer Gruppen soll der relevante Schwellenwert der Mitarbeitenden ebenfalls auf 1.000 angehoben werden.
Kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen, die nach der geltenden CSRD im Rahmen der dritten Welle für das Geschäftsjahr 2026 – vorbehaltlich einer zweijährigen Opt-out Möglichkeit – berichten müssten, sollen komplett aus dem Anwendungsbereich der CSRD herausgenommen werden.
Um zu vermeiden, dass Unternehmen, die nach geltender CSRD in der zweiten oder dritten Welle berichtspflichtig werden, nach dem Omnibus-Vorschlag aber aus der Berichtspflicht herausfallen würden, wegen erst nachfolgender Umsetzung des Vorschlags für die Geschäftsjahre 2025 (zweite Welle) oder 2026 (dritte Welle) zunächst noch berichten müssen und erst später wieder von der Berichtspflicht entbunden werden, soll durch eine separate, schneller umzusetzende Änderung der geltenden CSRD die Berichtspflicht für diese Unternehmen zunächst um zwei Jahre nach hinten verschoben werden (Berichtspflicht für das Geschäftsjahr 2027 bzw. 2028). Diese Übergangslösung ist zu begrüßen, da die Entlastung der Unternehmen von dem Berichtsaufwand – der gerade bei der ersten Implementierung einen besonderen Kraftakt darstellt – sonst ein Stück weit ins Leere gehen würde. Zu beachten ist aber, dass die Unternehmen, die bereits vor der CSRD der nichtfinanziellen Berichterstattung nach der NFRD unterlagen, also große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden, unter der CSRD bereits 2025 für das Geschäftsjahr 2024 berichten müssen. Bei Umsetzung des Omnibus-Vorschlages werden auch aus dem Kreis dieser Unternehmen einige aus der Berichtspflicht herausfallen, nämlich die großen kapitalmarktorientierten, die zwar mehr als 500 aber weniger als 1.000 Mitarbeitende haben. Ein übergangsweises Hinausschieben der Berichtspflicht bot sich hier nicht an, da diese Nachhaltigkeitsberichte – zumindest in Mitgliedsstaaten, die die CSRD rechtzeitig umgesetzt haben – jetzt schon veröffentlicht oder in der Erstellung sind.
Die Einschränkung des Anwendungsbereichs der CSRD durch die Herausnahme kapitalmarkorientierter KMU und großer Unternehmen bis 1000 Mitarbeitende aus der Berichtspflicht soll nach Angaben der Kommission dazu führen, dass sich die Zahl der Unternehmen, die der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen, um etwa 80 % reduziert.
CSRD: Erleichterungen des Berichts entlang der Wertschöpfungskette
Die CSRD sieht in Art. 19a Abs. 3 vor, dass die zu berichtenden Nachhaltigkeitsinformationen „Angaben zur eigenen Geschäftstätigkeit des Unternehmens und zu seiner Wertschöpfungskette“ umfassen. Dies wird häufig kritisiert, weil es in dieser Allgemeinheit dazu führt, dass große berichtspflichtige Unternehmen entlang ihrer Wertschöpfungskette andere – mitunter auch sehr kleine – Unternehmen dazu verpflichten, ihnen die entsprechenden Informationen zuzuliefern. Durch diesen „Trickle-down“-Effekt werden grundsätzlich nicht berichtspflichtige Unternehmen faktisch verpflichtet, umfangreiche Daten zu erheben und entsprechende Informationen weiterzugeben. Um dem entgegenzuwirken, wird vorgeschlagen, die Regelung dahingehend zu ergänzen, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen,
dass die Unternehmen für Berichterstattung über Informationen zur Nachhaltigkeit gemäß dieser Richtlinie nicht versuchen, von Unternehmen ihrer Wertschöpfungskette, die [… ] [nicht berichtspflichtig sind], Informationen zu erhalten, die über die […] freiwilligen Berichtsstandards hinausgehen, es sei denn, es handelt sich um zusätzliche Informationen zur Nachhaltigkeit, die von den Unternehmen des betreffenden Sektors gemeinhin geteilt werden.
Um eine freiwillige Berichterstattung für KMU zu erleichtern, sollen entsprechende Berichterstattungsstandards erlassen werden. Zudem sieht der Vorschlag vor, dass diese Einschränkungen des Trickle-down Effektes auch durch den externen Prüfer zu berücksichtigen sind.
Diese Einschränkung der Berichtspflichten entlang der Wertschöpfungskette dürfte den Umfang der Berichterstattung für einige Unternehmen erheblich minimieren. Zudem bewirkt sie, dass weitere Unternehmen von – mittelbaren – Berichtspflichten entlastet werden.
CSRD: Keine (zusätzlichen) sektorspezifischen Berichterstattungsstandards
Die Einführung zusätzlicher sektorspezifischer Berichterstattungsstandards wird vorerst nicht weiterverfolgt.
Die geltende CSRD verpflichtet die in ihren Anwendungsbereich fallenden Unternehmen, Nachhaltigkeitsinformationen gemäß den verbindlichen Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) zu erstellen, und verpflichtet die Kommission, solche Standards durch delegierte Rechtsakte anzunehmen. Im Juli 2023 nahm die Kommission das ESRS Set 1 an, das sektoragnostische Standards enthält, also solche, die unabhängig von dem Wirtschaftssektor, in dem das Unternehmen tätig ist, von allen Unternehmen im Geltungsbereich anzuwenden sind. Darüber hinaus verpflichtet die CSRD die Kommission auch zur Annahme sektorspezifischer Berichterstattungsstandards, wobei ein erstes Set solcher Standards bis Juni 2026 angenommen werden soll. Für betroffene, also in diesen Sektoren tätige Unternehmen, würde dies bedeuten, dass weitere Berichterstattungspflichten, zusätzliche, auf ihre Wesentlichkeit zu prüfende und ggf. zu berichtende Datenpunkte hinzukommen.
Auf diese sektorspezifischen Standards soll gemäß Omnibus-Vorschlag nun also verzichtet werden, womit eine weitere Ausweitung der Berichtspflichten vermieden wird.
CSRD: Überarbeitung des ESRS Set 1
Zudem wird angekündigt, dass die Kommission zügig (innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Omnibus-Vorschlags) einen delegierten Rechtsakt zur Überarbeitung des ESRS Set 1 zu erlassen beabsichtigt. Ziel ist es, die Zahl der ESRS Datenpunkte „erheblich“ zu reduzieren, indem als weniger „wichtig“ erachtete gestrichen werden, quantitative Datenpunkte gegenüber narrativem Text bevorzugt werden und zwischen obligatorischen und freiwilligen unterscheiden wird. Zugleich sollen Unklarheiten geklärt und die Kohärenz mit anderen EU-Vorschriften verbessert werden. Auch der Wesentlichkeitsgrundsatz soll durch klare Anweisungen praktikabler werden sowie Struktur und Präsentation der Standards vereinfacht werden. Schließlich soll die Interoperabilität mit globalen Standards weiter verbessert werden, was die Berichterstattung gerade im Hinblick auf Drittstaatenunternehmen erleichtern dürfte.
Angesichts der mannigfaltigen Schwierigkeiten, denen sich Unternehmen bei der Erstellung der Nachhaltigkeitsberichte nach den ESRS Set 1 im Hinblick auf die Vielzahl der Datenpunkte, der Granularität der Regelungen, vieler Unklarheiten, Überschneidung von Regelungen einerseits und Angabepflichten, die sich nur aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher Standards ergeben, andererseits ist eine Anpassung des ESRS Set 1 im Hinblick auf die in der Praxis festzustellenden Anwendungsschwierigkeiten sicherlich im Interesse aller Stakeholder zu begrüßen. Auf die genaue Ausgestaltung darf man gespannt sein.
CSRD: Keine Verschärfung des Prüfungsmaßstabes für die externe Prüfung
Während die CSRD derzeit vorsieht, dass der Nachhaltigkeitsbericht extern zu prüfen ist und diese Prüfung zunächst auf der Basis einer „limited assurance“ erfolgen soll, aber bis Oktober 2028 Standards für die „reasonable assurance“ erlassen werden sollen, sieht der Omnibus-Vorschlag vor, dass hier diese Möglichkeit, die Anforderungen zur verschärfen, gestrichen werden soll. In der Abschlussprüferrichtlinie wird dementsprechend die Ermächtigung der Kommission zur Annahme von Standards für die „reasonable assurance“ gestrichen.
CSRD: Zunächst keine Pflicht zur Erstellung des Berichts im ESEF Berichtsformat
Gemäß CSRD müssen berichtspflichtige Unternehmen ihren (konsolidierten) Lagebericht – einschließlich des Nachhaltigkeitsberichts – im European Single Electronic Format (ESEF) erstellen und die relevanten Nachhaltigkeitsinformationen entsprechend kennzeichnen („taggen“). Der Omnibus-Vorschlag sieht eine Klarstellung vor, dass diese Verpflichtung erst greift, sobald entsprechende Vorschriften für die Kennzeichnung im Wege einer Delegierten Verordnung erlassen worden sind.
Taxonomie-Berichterstattung unter Art. 8 Taxonomie-VO
Auch im Rahmen der Berichterstattung unter der Taxonomie-VO soll es nach dem Omnibus-Vorschlag der Kommission zu einer Verringerung des Aufwands für die Berichterstattung kommen.
Bislang ist jedes Unternehmen, das berichterstattungspflichtig unter der NFRD/CSRD ist, nach Art. 8 Taxonomie-VO verpflichtet Angaben zu Taxonomiequoten offenzulegen. Der Anwendungsbereich von Art. 8 Taxonomie-VO geht damit bislang mit der Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung einher. Nun sollen nur noch die größten Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und mehr als EUR 450 Mio. Umsatzerlösen zur Offenlegung der Taxonomiequoten verpflichtet sein;
Bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden, aber weniger als EUR 450 Mio. Umsatzerlösen, soll die Taxonomieberichterstattung flexibler werden und auf freiwilliger Basis erfolgen. Falls eine Berichterstattung erfolgt, müssen nur noch die Umsatz- und CapEx KPI vorgelegt werden, die Berichterstattung zu OpEx KPI ist dagegen freiwillig.
Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden und weniger als EUR 450 Mio. Umsatzerlösen können auf freiwilliger Basis über ihre Taxonomiequoten berichten.
Zudem sind Anpassungen der Delegierten Verordnungen zur Taxonomie vorgelegt worden, mit denen die Berichterstattung, u.a. durch die Einführung von Wesentlichkeitsgrenzen, einfacher werden soll. Zu diesen Level 2 Rechtsakten läuft eine Konsultation bis zum 26. März 2026.
Ausblick
Die Omnibus-Vorschläge müssen nun noch dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Prüfung und Annahme vorgelegt werden. Die Kommission hat dabei die Mitgesetzgeber aufgefordert, das Omnibus Paket und insbesondere den separaten Vorschlag zur Änderung der CSRD im Hinblick auf die Verschiebung der Anwendungsfristen vorrangig zu behandeln. Wie schnell eine Einigung zu dem inhaltlichen Paket erzielt werden kann, ist derzeit noch ungewiss. Während Einigkeit besteht, dass ein gewisser Bürokratieabbau erforderlich ist oder auch Dopplungen von Pflichten beseitigt werden müssen, ist die Reichweite der vorgeschlagenen Änderungen durchaus umstritten. Aus der Wirtschaft wird der Ansatz überwiegend als positiv wahrgenommen, einigen geht er aber noch nicht weit genug während andere, insbesondere Unternehmen, die sich bereits auf die Nachhaltigkeitspflichten eingestellt haben, die Ziele des Green Deal nachdrücklich vertreten und auch begrüßen, dass durch die ESG-Regulierung ein Level-Playing Field geschaffen wird, manche Einschränkungen bereits als zu stark deregulierend ansehen. Ähnlich stellt sich auch die Lage innerhalb der politischen Fraktionen dar, so dass abzuwarten bleibt, wie die Vorschläge am Ende umgesetzt werden.
Teil II dieses Blog-Beitrages zu den weiteren Inhalten des Omnibus I – Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) – folgt in Kürze.