10. Oktober 2024
Biodiversität Pflichten
Environment and Climate Change (ESG)

Biodiversität – Das Zwillingsrisiko des Klimawandels (Teil 2) 

Die Pflichten für Unternehmen im Bereich der Biodiversität werden unter dem European Green Deal zunehmend verrechtlicht. 

Der Biodiversitätsverlust gehört neben dem Klimawandel zu den größten Herausforderungen weltweit. Davon sind auch Unternehmen betroffen: Viele Wirtschafszweige sind auf eine funktionierende Biodiversität angewiesen, z.B. auf die Verfügbarkeit von Rohstoffen oder sauberes Wasser.

Teil 1 unseres Blogbeitrags beleuchtet zum einen die Grundlagen der Biodiversität, zum anderen das EU-Renaturierungsgesetz als zentralen regulatorischen Ausgangspunkt zum Schutz der Ökosysteme. Der vorliegende Teil 2 widmet sich den konkreten gesetzlichen Pflichten, die Unternehmen in Bezug auf Biodiversität beachten müssen. 

Auf der nationalen Ebene gab es schon früh einzelne Regelungsansätze zum Schutz der Biodiversität – etwa das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Diese dienten vor allem der Erhaltung einzelner Lebensräume und Arten, ohne die Biodiversität umfassend in den Blick zu nehmen. Seit 1993 gibt es zudem das völkerrechtliche Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD), das auf den Vertragsstaatenkonferenzen inkrementell weiterentwickelt wird und die Partner beispielsweise zum Erlass nationaler Biodiversitätsstrategien verpflichtet. Seit dem European Green Deal ist das Ziel „Ökosysteme und Biodiversität erhalten und wiederherstellen“ eine zentrale Säule der europäischen Nachhaltigkeitsbestrebungen. 

Unter diesen Vorzeichen wurde der Schutz der Biodiversität unter dem European Green Deal zunehmend verrechtlicht. Nach der Taxonomie-Verordnung (Taxonomie-VO) und der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) müssen Unternehmen umfassend über ihre Auswirkungen auf die Biodiversität berichten. Mit der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) kommen außerdem materiellrechtliche Pflichten hinzu. Darüber hinaus gibt es diverse weitere Rechtsakte, die auf die Biodiversität Bezug nehmen, unter anderem die European Deforestation Regulation (EUDR). 

Die Taxonomie-VO richtet sich an Finanzmarktteilnehmer und soll ihnen ermöglichen, in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu investieren

Um die Möglichkeiten zu eröffnen, legt die Taxonomie-VO im Art. 9 sechs Umweltziele fest, zu denen auch der Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme gehören. Wenn eine Wirtschaftstätigkeit zu einem Umweltziel beiträgt und gleichzeitig kein anderes Ziel erheblich beeinträchtigt, gilt sie als ökologisch nachhaltig und „taxonomiekonform“. Darauf aufbauend normiert die Taxonomie-VO verschiedene Transparenzpflichten. Demnach müssen Anbieter von Finanzprodukten offenlegen, wie ihr Produkt zu den Umweltzielen beiträgt. 

In Art. 15 Taxonomie-VO sowie einem delegierten Rechtsakt werden konkrete Kriterien festgelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zur Biodiversität leistet. Technische Bewertungskriterien gibt es bisher für die Bereiche „Umweltschutz und Wiederherstellung“ sowie „Beherbergung“. Ein Beherbergungsbetrieb gilt beispielsweise als taxonomiekonform, wenn er Besuche eines Naturschutzgebiets organisiert oder Produkte aus einem solchen Gebiet vertreibt. 

CSRD und ESRS E4 

Die CSRD erfasst ab 2025 alle Unternehmen, die bereits der Non-Financial Reporting Directive (NFR-Richtlinie) unterliegen. Ab 2026 folgen alle anderen großen Unternehmen und ab 2027 sind auch kleine und mittelgroße kapitalmarktorientierte Unternehmen berichtspflichtig. Die Berichtspflicht gilt jeweils für das zurückliegende Geschäftsjahr, sodass die erstgenannten Unternehmen bereits für das Geschäftsjahr 2024 berichten müssen. 

Die CSRD sieht weitere Berichtspflichten vor, unter anderem zum Umweltfaktor Biodiversität und Ökosysteme. Auf Basis der CSRD hat die Europäische Kommission die European Sustainability Reporting Standards (ESRS-Standards) als delegierte Verordnung erlassen, die festlegen, über welche Informationen und in welcher Struktur die Unternehmen Bericht erstatten müssen. Nach den ESRS-Standards müssen Unternehmen zu Nachhaltigkeitsthemen Bericht erstatten, die für ihre Tätigkeit wesentlich sind. Dazu gehören sowohl die Wesentlichkeit der Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsaspekte als auch die finanzielle Wesentlichkeit. 

In den Standards ESRS E4 werden die konkreten Berichtspflichten im Bereich Biodiversität festgelegt. Diese umfassen viele Teilaspekte der Biodiversität, allerdings sind sie teilweise unverbindlich formuliert oder verlangen keine detaillierten Angaben. Beispielsweise müssen Unternehmen nach Rn. 34 der ESRS E4 Parameter in Bezug auf ihre wesentlichen Auswirkungen auf die Biodiversität angeben. Sie haben allerdings einen großen Einschätzungsspielraum, welche Parameter sie für relevant halten und angeben wollen; hier machen die ESRS E4 nur beispielhafte Vorgaben. 

Durch die CSDDD werden Unternehmen verpflichtet, ihre negativen Auswirkungen auf die Umwelt und Menschenrechte entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette zu ermitteln und zu beheben

Zu den negativen Auswirkungen auf die Umwelt gehören auch wesentliche Aspekte der Biodiversität, insbesondere schädliche Bodenveränderungen, Wasser- oder Luftverschmutzung, schädliche Emissionen, übermäßiger Wasserverbrauch, Landschädigung oder andere Auswirkungen auf natürliche Ressourcen wie Entwaldung (vgl. Art. 3 lit. b i.V.m. Teil I Abschnitt 1 Nr. 15 des Anhangs). Die Sorgfaltspflichten umfassen die Ermittlung, Verhinderung und Behebung von negativen Einflüssen auf diese Faktoren. Die Pflichten gelten auch für negative Auswirkungen durch Tochterunternehmen und Geschäftspartner (Zulieferer und Abnehmer), also entlang der gesamten Wertschöpfungskette. 

Durch die CSDDD werden die Berichtspflichten durch materiellrechtliche Verpflichtungen ergänzt. Zwischen der Taxonomie-VO, der CSRD und der CSDDD ergeben sich teilweise Synergieeffekte, z.B. bei der Einrichtung von Verfahren zur Behebung negativer Umweltauswirkungen oder der Berichterstattung. Die Komplementarität soll die Wirksamkeit der Maßnahmen erhöhen und Änderungen des unternehmerischen Verhaltens für die betroffenen Unternehmen incentivieren. 

Bezugnahme auf Biodiversität in diversen Rechtsakten 

Darüber hinaus gibt es verschiedene weitere Rechtsakte, die auf die Biodiversität Bezug nehmen. Dazu gehört unter anderem die EUDR. Die Verordnung zielt gemäß Art. 1 Abs. 1 darauf ab, den Beitrag der Europäischen Union zur weltweiten Entwaldung zu minimieren und dadurch die Treibhausgasemissionen und den Verlust an biologischer Vielfalt zu verringern. Mit dem Schutz von Waldökosystemen betrifft die EUDR einen wichtigen Teilbereich der Biodiversität. Die EUDR verpflichtet Unternehmen dazu, Sorgfaltspflichten zur Reduktion von globaler Entwaldung zu erfüllen. Unter der EUDR dürfen bestimmte Rohstoffe und Erzeugnisse nur in Verkehr gebracht, auf dem Markt bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn sie entwaldungsfrei sind, gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlands erzeugt wurden und eine Sorgfaltspflichterklärung vorliegt. Die EUDR umfasst die Rohstoffe Kaffee, Kakao, Rinder, Palmöl, Soja, Kautschuk und Holz sowie daraus hergestellte Erzeugnisse (über 800 Produktgruppen). Die Produkte dürfen nicht von Flächen stammen, die nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet wurden. 

Daneben gibt es weitere europäische Rechtsakte, die zwar nicht unmittelbar auf den Erhalt und die Wiederherstellung von Biodiversität abzielen, aber etwa in den Erwägungsgründen auf die Biodiversität Bezug nehmen. Dazu gehören z.B. die EU-Batterieverordnung, die Erneuerbare-Energien-Richtlinie oder die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung. In diesen Rechtsakten wird neben den primären Regelungszielen der Schutz der Biodiversität als mittelbares Ziel mitberücksichtigt. 

Verrechtlichung des Biodiversitätsschutzes schreitet weiter voran 

Vor dem European Green Deal gab es auf der nationalen Ebene bereits Regulierungsansätze zum Schutz einzelner Arten und Lebensräume. Seit dem European Green Deal werden die Pflichten für Unternehmen zunehmend verrechtlicht: Neben umfassenden Berichtspflichten treten nun auch materiellrechtliche Pflichten hinzu. Hinsichtlich der Berichterstattung sind die Pflichten durch die Taxonomie-VO und die CSRD schon relativ weit fortgeschritten. Diese Pflichten dienen dazu, die Verfügbarkeit von Nachhaltigkeitsdaten zu erhöhen und so das Verhalten von Investoren und Verbrauchern zu lenken. Durch die CSDDD werden Unternehmen zusätzlich verpflichtet, ihre negativen Auswirkungen auf die Biodiversität zu ermitteln und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.

Aufgrund der ehrgeizigen Ziele im EU-Renaturierungsgesetz ist zu erwarten, dass die bestehenden Pflichten in der Zukunft vertieft und erweitert werden. Unternehmen ist daher zu raten, neben dem Klimaschutz auch den Biodiversitätsschutz in ihre Nachhaltigkeitsstrategie zu integrieren. Dafür sollten Unternehmen zunächst analysieren, wie sich ihre Aktivitäten auf die Biodiversität auswirken. Hier sind z.B. der Flächenverbrauch der eingesetzten Rohstoffe, CO2-Emissionen und Verschmutzung zu beachten. Diese Einflussfaktoren lassen sich anhand von geeigneten Arten- und Landschaftsindikatoren messen. Auf Basis dieser Informationen können Maßnahmen getroffen werden, um die negativen Auswirkungen auf die Biodiversität zu verringern. 

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