23. Januar 2023
Strompreisbremse
Herausforderungen der Energieversorgung

Mit Entlastungen und Abschöpfungen raus aus der Energiepreiskrise: Was bietet die neue Strompreisbremse?

Mit dem Gesetz zur Einführung der Strompreisbremse (StromPBG) sollen die Strompreise gedeckelt und die Letztverbraucher damit spürbar entlastet werden.

Finanziert werden soll die Strompreisbremse u.a. durch eine Abschöpfung bei den Stromerzeugern. Wir geben einen Überblick über die einzelnen Maßnahmen.   

A. Hintergrund der Einführung der Strompreisbremse

Die Energiepreise sind aufgrund der wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Pandemie, der politischen Spannungen und der Rohstoffknappheit bereits seit Mitte 2021 stark gestiegen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat diese Entwicklung weiter drastisch verschärft. Vor diesem Hintergrund gab das Bundeskabinett am 3. September 2022 eine Absichtserklärung für die Entlastung von Stromverbrauchern* sowie zur Abschöpfung von sog. Zufallsgewinnen bekannt. 

Auf europäischer Ebene verständigte sich der Sonder-Ministerrat am 6. Oktober 2022 auf Regelungen zur Eindämmung der hohen Energiepreise sowie zur Einführung einer Obergrenze für Markterlöse. Die entsprechende EU-Notfall-Verordnung (VO [EU] 2022/1854) lässt den Mitgliedsstaaten einige Umsetzungsspielräume und soll u.a. mit dem deutschen Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen (StromPBGEG) umgesetzt werden. Das StromPBGEG enthält als Artikelgesetz neben dem StromPBG noch weitere Änderungen, die in diesem Beitrag allerdings nicht weiter behandelt werden. 

Zeitgleich mit dem StromPBG verabschiedete der Bundestag am 15. Dezember 2022 auch das Gesetz zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme (EWPG). Beide Gesetzespakte passierten den Bundesrat am 16. Dezember 2022. Nachdem die Europäische Kommission die notwendige beihilferechtliche Genehmigung am 21. Dezember 2022 erteilt hat, sind sowohl das StromPBG als auch das EWPBG am 24. Dezember 2022 in Kraft getreten. Das EWPG weist zahlreiche Parallelen, aber auch gas- und wärmespezifische Besonderheiten auf und wird dementsprechend nicht in diesem Blogbeitrag behandelt. 

B. Die Maßnahmen nach dem StromPBG 

Das StromPBG umfasst im Wesentlichen zwei Maßnahmen: zum einen die Entlastung der Endverbraucher zur Senkung der stark gestiegenen Strompreise und zum anderen die Abschöpfung von Überschusserlösen der Energieerzeuger.

I. Welche Entlastungen beinhaltet die Strompreisbremse?

Die Entlastungen betreffen den Strompreis, den Letztverbraucher – Privathaushalte und Unternehmen – für den Verbrauch entrichten müssen. Der Entlastungszeitraum erstreckt sich vom 31. Dezember 2022 bis zum 1. Januar 2024 und kann durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages bis 30. April 2024 verlängert werden. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Entlastung der Letztverbraucher im Rahmen der Strompreisbremse auch durch einen Zuschuss an die Übertragungsnetzbetreiber zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten erfolgt. 

1. Wie werden Privathaushalte entlastet?

Das StromPBG versucht anhand des konkreten Verbrauchs einer „Netzentnahmestelle“ zwischen privaten Haushalten und Unternehmen zu differenzieren. Diese Unterscheidung wirkt sich auf die Ermittlung der Entlastungsbeträge aus. Netzentnahmestellen mit einer jährlichen Netzentnahme bis zu 30.000 kWh erhalten im Ergebnis einen Strompreis von max. 40 ct/kWh. Mit der Grenzmenge 30.000 kWh soll u.a. sichergestellt werden, dass auch Haushalte mit einer Wärmepumpe noch darunterfallen, Unternehmen jedoch nicht. Der Strompreis von 40 ct/kWh ist dabei ein Bruttopreis, enthält also bereits Netzentgelte, Konzessionsabgaben, Messstellenentgelte und sonstige staatlich veranlasste Preisbestandteile (auch Umsatzsteuer). Jeder Netzentnahmestelle wird ein individuelles monatliches Entlastungskontingent zugemessen, das im Falle von Letztverbrauchern mit standardisierten Lastprofilen (SLP-Kunden) – dies sind hauptsächlich Privathaushalte und kleine Gewerbekunden – 80 % der Jahresverbrauchsprognose der Netzbetreiber geteilt durch zwölf beträgt. Die Entlastung erfolgt direkt über den Lieferanten und muss nicht gesondert beantragt werden. Der Entlastungsbetrag ist vom Lieferanten bereits in Abschlagszahlungen zu berücksichtigen. 

Bei Mietern, die ihre Räumlichkeiten mittels Stromheizung oder Wärmepumpe beheizen und deren Betriebskosten seit 1. Januar 2022 erhöht wurden, muss der Vermieter die Abschlagszahlungen um den Entlastungsbetrag anpassen.  

2. Wie werden Unternehmen entlastet?

Unternehmen bzw. Netzentnahmestellen mit einem jährlichen Verbrauch oberhalb von 30.000 kWh wird ein Nettopreis von 13 ct/kWh für 70 % ihres tatsächlichen Verbrauchs im Jahre 2021 gewährt. In diesem Preis sind die Netzentgelte, Messstellenentgelte und staatlich veranlasste Preisbestandteile noch nicht enthalten. Die nicht vom Versorger beeinflussbaren Preisbestandteile machen dabei mitunter über 40 % des Gesamtpreises aus. Die Entlastung ist für Unternehmen nur für Stromentnahmen aus dem Netz ausgeschlossen, sofern der Stromverbrauch der Erzeugung, Umwandlung oder Verteilung von Energie dient, und zwar ab einem Entlastungsbetrag von EUR 2 Mio. Unternehmen, die den Strom direkt beschaffen, steht ebenfalls ein Anspruch auf Entlastung zu. Diese Aufgabe kommt den Übertragungsnetzbetreibern zusätzlich zu. 

Für Unternehmen werden bei Nutzung der Entlastungen aus der Strompreisbremse mehrere Einschränkungen zu berücksichtigen sein. Darunter fallen Höchstgrenzen, Mitteilungspflichten, Arbeitsplatzerhaltungspflichten sowie Boni- und Dividendenverbot.

Absolute Strompreis-Höchstgrenzen für besonders betroffene Unternehmen

Für Unternehmen, die von den hohen Energiepreisen besonders betroffen sind, gelten absolute Höchstgrenzen von EUR 50 Mio., EUR 100 Mio. oder EUR 150 Mio. Dabei bestimmt sich die besondere Betroffenheit u.a. danach, ob sich das EBITDA des Unternehmens im Entlastungszeitraum um wenigstens 30 %, ohne die Entlastungssumme, gegenüber dem entsprechenden Zeitraum im Jahr 2021 verringert hat.

Darüber hinaus hängen die absoluten Höchstgrenzen davon ab, ob das besonders betroffene Unternehmen zusätzlich energieintensiv ist. Dies bestimmt sich nach den Beschaffungskosten für Energie im Jahre 2021 bzw. im ersten Halbjahr 2022. Sofern das besonders betroffene Unternehmen zusätzlich einer Branche nach Anlage 2 StromPBG angehört, kann sich eine Höchstgrenze von EUR 150 Mio. ergeben. Diese Voraussetzungen müssen gegenüber der Prüfbehörde nachgewiesen werden. Im Einzelfall können unter Vorbehalt beihilferechtlicher Genehmigung auch höhere Entlastungsbeträge gewährt werden.

Für nicht besonders betroffene Unternehmen gelten absolute Höchstgrenzen von EUR 2 Mio. bzw. EUR 4 Mio.

Relative Höchstgrenzen zur Deckelung der krisenbedingten Energiemehrkosten

Neben den absoluten Höchstgrenzen gelten relative Höchstgrenzen, die sich darauf beziehen, welcher Anteil der „krisenbedingten Mehrkosten“ durch die Entlastungen gedeckt werden darf. Die Deckelung durch die relativen Höchstgrenzen reicht von 100 % bis zu 40 % der krisenbedingten Energiemehrkosten, die sich nach Anlage 1 StromPBG berechnen. Die Entlastungssumme besonders betroffener Unternehmen darf zudem nicht einen Wert übersteigen, der dazu führt, dass das EBITDA positiv wird, wenn es im Vergleichszeitraum 2021 negativ war oder mehr als 70 % des EBITDA des entsprechenden Zeitraums 2021 übersteigt. Die relativen Höchstgrenzen richten sich nach der anwendbaren absoluten Höchstgrenze für das Unternehmen. Die relativen Höchstgrenzen gelten dabei letztverbraucherbezogen, während die absoluten Höchstgrenzen konzernübergreifend anzuwenden sind.

Unternehmen treffen je nach Höhe der bezogenen bzw. zu beziehenden Entlastungssumme Mitteilungspflichten in unterschiedlichem Umfang gegenüber dem Lieferanten, dem zuständigen Übertragungsnetzbetreiber und der Prüfbehörde. 

Darüber hinaus gilt für Unternehmen, die eine Entlastung von über EUR 2 Mio. beziehen, grds. eine Pflicht zur Arbeitsplatzerhaltung von mind. 90 % der Arbeitsplatzäquivalente. Kurz vor Abstimmung im Bundestag wurde dem Gesetz zudem ein Boni- und Dividendenverbot hinzugefügt. 

Wie ist der Ausgleichsmechanismus geregelt? 

Zuständig für die Umsetzung des StromPBG sind gem. §§ 4, 7 20 ff. StromPBG die Übertragungsnetzbetreiber, die Verteilernetzbetreiber sowie die Lieferanten. Hierbei werden die verschiedenen Entlastungsbeträge und Abschöpfungserlöse gegeneinander ausgeglichen und die einzelnen Beteiligten haben untereinander Ausgleichsansprüche. 

3. Wie wird die Entlastung finanziert?

Die zu gewährenden Entlastungen sollen durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds sowie aus der Abschöpfung von Überschusserlösen aus der Stromerzeugung finanziert werden. 

Für die Abschöpfungen von Überschusserlösen werden bestimmte Preisgrenzen je nach Technologie für verschiedene Erzeugungstypen festgelegt. Oberhalb dieser Preisgrenzen sollen Erträge für Strommengen, die ab dem 30. November 2022 bis zum 30. Juni 2023 erzeugt wurden, abgeschöpft werden. Die Bundesregierung überprüft eine mögliche Verlängerung der Abschöpfung vor dem 31. Mai 2023 und kann sie ggf. durch Verordnung höchstens bis zum 30. April 2024 verlängern. 

Von der Mehrerlösabschöpfung umfasst ist die Stromerzeugung aus Braunkohle, Kernenergie, Abfall, Mineralöl und erneuerbaren Energien. Nicht umfasst ist hingegen Stromerzeugung aus Speichern, Steinkohle, Erdgas, Biomethan und weiteren Gasen. Darüber hinaus gilt eine Geringfügigkeitsgrenze von 1 Megawatt (MW).

Abgeschöpft wird ein Betrag von 90 % der „erwirtschafteten“ Überschusserlöse. Die Überschusserlöse werden unter Zugrundelegung technologiespezifischer Referenzwerte bestimmt und grds. um einen Sicherheitszuschlag erhöht. Es gibt zudem detaillierte Vorgaben für Erlöse aus Power-Purchase-Agreement(PPA)-Verträgen. Der somit ermittelte Überschusserlös wird um das Ergebnis von Absicherungsgeschäften und bei anlagenbezogener Vermarktung korrigiert. Es gibt zudem spezielle Vorgaben für Erlöse aus PPA-Verträgen. 

Die Umsetzung erfolgt durch Selbstveranlagung der Anlagenbetreiber mit nachgelagerter Kontrolle durch die Bundesnetzagentur (BNetzA), flankiert durch Straf- und Bußgeldvorschriften.

II. Wie wird das StromPBG aufgenommen? 

Die Einführung einer Strompreisbremse wurde allgemein sowohl von den Letztverbrauchern als auch von der Energiewirtschaft als wichtiger und notwendiger Schritt zur Eindämmung der Energiekrise begrüßt. Die im Einzelnen getroffenen Regelungen in dem StromPBG wurden aber auch in bestimmten Punkten von den jeweils Betroffenen kritisiert. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bemängelt insbesondere die Komplexität der übertragenen „Mammutaufgabe“, deren kurzfristige Umsetzung viele Ressourcen bei den Unternehmen binden würde.  

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) befürchtet, dass die Entlastungen zu spät bzw. gar nicht ankommen. Die Ausgestaltung der Energiepreisbremsen sei bürokratisch und zu kompliziert. Auch die Vorgaben, die auf den befristeten EU-Krisenbeihilferahmen (TCF) zurückgehen, werden als praxisfremd kritisiert. So sei die Begrenzung auf max. EUR 150 Mio. Subvention pro Unternehmensgruppe sowohl für Strom als auch Gas und Wärme zusammengerechnet bei etlichen Unternehmen schnell erreicht. Zudem wird das Abstellen auf einen künftigen EBITDA-Rückgang zur Einordnung der besonderen Betroffenheit kritisiert. Besonders enttäuscht sei die Branche von den durch den Bundestag gebrachten Boni- und Dividendenverboten. Von der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen kommt Kritik an nicht ausreichender Allokation von Entlastungsmitteln aus der Strompreisbremse. 

Auch die Regelungen zur Abschöpfung der Überschusserlöse sind Gegenstand der Kritik seitens der betroffenen Stromerzeuger, allen voran seitens der Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen. Bemängelt wird u.a., dass in Deutschland „Erlöse“ abgeschöpft werden, die EU-Notfallverordnung hingegen die Abschöpfung von „realisierten Erträgen“ vorsieht. Es wird zudem befürchtet, dass bei Bestandsanlagen der Abschluss von neuen PPA-Verträgen zurückgehen wird, da bei PPA-Verträgen, die seit dem 1. November 2022 abgeschlossen werden, nicht die tatsächlichen Erlöse maßgeblich sind, sondern ein fingierter Spotmarkt-Erlös zugrunde gelegt wird, der über den tatsächlich realisierten Erlösen liegen könnte. Zudem wird bemängelt, dass viele Umsetzungsfragen im Einzelnen noch nicht geklärt sind. Ein wesentlicher Kritikpunkt der Branche, die rückwirkende Abschöpfung, wurde im Vorfeld bereits teilweise aufgenommen. Die Mehrerlösabschöpfung soll erst ab dem 1. Dezember 2022 greifen.  

Ein Kritikpunkt seitens der Verbraucherschützer war ein fehlendes Moratorium für Energiesperren. Hier hat die Bundesregierung den zuvor bereits geltenden Anspruch auf Abschluss einer Abwendungsvereinbarung aus der Grundversorgung bis 30. April 2024 auch auf Energielieferverträge außerhalb der Grundversorgung ausgedehnt (§ 118b EnWG). Mit der Abwendungsvereinbarung können Verbraucher Energierechnungen zinsfrei in Raten abbezahlen, während weiterhin Energie bezogen werden kann. 

Wie geht es weiter?

Die Entlastungen für Januar und Februar sollen rückwirkend am 1. März 2023 berücksichtigt werden. Sowohl Entlastungen als auch Abschöpfungen können durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages über die vorgesehene Dauer verlängert werden und eine Überprüfung der Notwendigkeit einer Verlängerung der Abschöpfungen bis 30. April 2024 ist bereits im Gesetz vorgesehen. Zudem können durch Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates weitere Änderungen vorgenommen werden, wie etwa beim Differenzbetrag zur Berechnung der Entlastungssumme. 

Schließlich bleibt auch abzuwarten, ob der befristete EU-Krisenbeihilferahmen, auf dem zahlreiche Regelungen des StromPBG zurückzuführen sind, erneut in diesem Jahr angepasst wird, wie bereits im vergangenen Jahr geschehen, um auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten in diesen Krisenzeiten zeitnah entsprechend zu reagieren. 

Der Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit Maximilian Schiersch erstellt.

In unserer Blogserie zu den Herausforderungen der Energieversorgung sind bereits erschienen: Energiepreispauschale und Energiesparen am Arbeitsplatz, Blackouts und Brownouts, mit Entlastungen und Abschöpfungen raus aus der Energiepreiskrise.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Herausforderungen der Energieversorgung Strompreisbremse