11. März 2025
Live-Shopping-Event
E-Commerce Recht

Live-Shopping-Events: Neues Shopping in (rechtlich) altem Gewand

Live-Shopping verbindet das Kauferlebnis mit Unterhaltung und Echtzeit-Interaktion – ein vielversprechender Trend mit vielen rechtlichen Anforderungen.

In der Welt des Online-Shoppings konkurrieren zahlreiche, nationale wie internationale Anbieter auf unterschiedlichen Kanälen und Plattformen um die begrenzte Aufmerksamkeit ihrer potenziellen Kunden*: Dabei droht bereits die schiere Masse an Anbietern und Angeboten die umworbenen Kunden zu überwältigen, erschwert ihre Orientierung und trübt das Einkaufserlebnis. 

Werbende Unternehmen bemühen sich, die Konsumenten möglichst direkt und persönlich anzusprechen: Das fängt bei der längst etablierten personalisierten und bisweilen KI-gestützten Werbung an und wird heute etwa durch Werbeeinblendungen fortgesetzt, in denen Medienkonsumenten Produkte angeboten werden, die sie gerade in einer Fernsehserie sehen. Social Media-Plattformen warten ihrerseits regelmäßig mit „Marktplatz“-Funktionen auf. Der Social Media-Riese TikTok geht dabei einen Schritt weiter und hat (zunächst in Nordamerika) die E-Commerce-Plattform „TikTok Shop“ eröffnet. Auf dieser Plattform können Verkäufer unmittelbar mit Influencern zusammenarbeiten: Letztere bewerben, zumeist in Kurzvideos (Reels), Produkte der Verkäufer, die die TikTok-Nutzer – das ist neu – direkt über die Plattform erwerben können. Der Unterhaltungswert, so TikTok, verdoppele im Vergleich zu anderen virtuellen Marktplätzen die Wahrscheinlichkeit, dass Nutzer Käufe tätigen.

In diesen Trend reiht sich das sogenannte Live-Shopping ein: Ähnlich dem Teleshopping werden bei Live-Shopping-Events auf Social Media-Plattformen oder auf Webseiten der Händler im Rahmen eines Livestreams Produkte präsentiert. Für die Zuschauer liegt der Reiz des Live-Shoppings nicht nur im Unterhaltungswert: Ihnen wird auch die Möglichkeit geboten, Fragen in Echtzeit zu stellen und gezielte Empfehlungen zu erhalten. Den Zuschauern wird ein authentisches Kauferlebnis geboten; oft auch ein direkter Draht zu Influencern, die in Live-Shopping-Events eingebunden sind. Mittels solcher Live-Shopping-Veranstaltungen haben werbende Unternehmen die Aussicht, Kunden aller Altersgruppen zu erreichen. 

In China ist das Live-Shopping längst etabliert, in Deutschland mittlerweile eine regelmäßige, aber neue und wenig diskutierte Erscheinung. Die Neuartigkeit des Live-Shoppings wirft die Frage auf: Was ist Live-Shopping in rechtlicher Hinsicht? 

Dieser Blog-Beitrag gibt eine Antwort auf diese Frage und einen kurzen Überblick über die Rechtslage und Risiken von Live-Shopping-Events.

Rechtliche Betrachtung des Live-Shoppings

Die gute Nachricht ist: Live-Shopping-Events sind in rechtlicher Hinsicht nicht „neu“. Live-Shopping ist mindestens E-Commerce, Werbung und Inhalt eines Telemediums zugleich und bewegt sich damit in bekannten rechtlichen Grenzen. Andererseits verlängert diese Vielschichtigkeit des Live-Shoppings die Liste an rechtlichen Anforderungen, die Anbieter der Events für eine rechtssichere Durchführung beachten müssen. Die Anforderungen stammen maßgeblich aus dem Fernabsatzrecht, dem Lauterkeitsrecht, der Medienregulation und anderen, in der Regel verbraucherschutzbezogenen Vorschriften, die im Folgenden ohne Anspruch auf Vollständigkeit umrissen werden sollen. 

Live-Shopping ist E-Commerce (insb.: Fernabsatzgeschäft, Digitaler Dienst)

Live-Shopping-Events zielen nicht nur darauf ab, die Zuschauer unmittelbar zu Käufen zu animieren, sondern schaffen zumeist gleichzeitig die Möglichkeit, die beworbenen Produkte direkt zu erwerben. Es handelt sich also um E-Commerce. Damit gelten nicht nur die Regelungen des Fernabsatzrechts, sondern auch der Preisangabenverordnung und das Recht der digitalen Dienste.

Fernabsatzrecht

Als „Online-Verkaufsveranstaltungen″ gelten für Live-Shopping-Events die Anforderungen an Fernabsatzverträge und insb. Verbraucherverträge im E-Commerce der §§ 312a ff. BGB

Der Anbieter eines Live-Shopping Events muss dann umfassende Informationspflichten gem. § 312d BGB, Art. 246a EGBGB, Dokumentations- und Mitteilungspflichten gem. § 312f BGB, die Belehrung über das Widerrufsrecht sowie die besonderen Pflichten in der Gestaltung des digitalen Bestellprozesses gem. §§ 312i, j BGB, Art. 246c EGBGB, einschließlich des „Bestell-Buttons“, einhalten.

In der Praxis bedeutet das, dass eine unkomplizierte Bestelllösung, etwa durch Kommentar in einem Chat oder direkte Nachricht an einen Social Media-Account des Live-Shopping-Anbieters, erhebliche Risiken birgt. Stattdessen sollten die Live-Shopping-Angebote zu einem bestehenden Online-Shop führen, der all diese Pflichten bereits umsetzt.

Preisangabenverordnung

Soweit in den Live-Shopping-Events der Preis genannt wird, kommt die Preisangabenverordnung zur Anwendung. Diese verpflichtet bei Preisangaben insbesondere zu Hinweisen auf mögliche weitere Versandkosten (§ 6 PAngV) und Angaben des Grundpreises (§§ 4, 5 PAngV) bei Waren, die nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche bemessen angeboten werden. 

Ein besonderes Risiko besteht bei der Werbung mit vermeintlichen Preisermäßigungen: Ermäßigte Preise dürfen nur unter zusätzlicher Angabe des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung bekanntgegeben werden.

Digitaler Dienst

Als digitales Angebot muss der Anbieter des Live-Shopping-Events über ein Impressum verfügen. Dieses muss auf dem Social Media-Kanal oder auf der Webseite hinterlegt sein, auf der das Event gestreamt wird.

Live-Shopping ist telemedialer Inhalt (Medienregulation)

Als telemedialer Inhalt gelten für Live-Shopping-Angebote die medienregulatorischen Vorschriften für Telemedien. Besonders informative, anspruchsvoll gestaltete und regelmäßige Live-Shopping-Events können sogar unter die strengen Regelungen des Rundfunkrechts fallen.

Telemedium 

Bei einer Live-Shopping-Veranstaltung handelt es sich um ein Telemedienangebot im Sinne des Medienstaatsvertrags, in der Regel aber nicht um ein – wesentlich strenger reguliertes – Rundfunkangebot.

Dadurch, dass Live-Shopping-Events über Social Media-Kanäle oder eingebettet in Webseiten veranstaltet werden, kommen die für Telemedien i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 3 MStV geltenden Regelungen des Medienstaatsvertrags zur Anwendung. Telemedien sind zwar zulassungs- und anmeldungsfrei (§ 17 MStV), Werbung auf Telemedien – auch in Form von Live-Shopping-Events – darf aber keine unterschwelligen Techniken nutzen und muss klar als Werbung erkennbar sowie vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. Dabei kann sich der Werbecharakter bereits aus Inhalt und Gestaltung des Events ergeben, ohne dass es einer ausdrücklichen Kennzeichnung, etwa als „Anzeige“ oder „Dauerwerbesendung“ bedürfte. Schwierigkeiten bestehen dann, wenn die Live-Shopping-Events im direkten Umfeld journalistisch-redaktioneller Inhalte platziert werden. Hier sind klare räumliche Abgrenzungen und Kennzeichnungen erforderlich.

Rundfunk

Die Vermengung journalistisch-redaktioneller und werblicher Kommunikation direkt in den Live-Shopping-Events birgt auch über die richtige Kennzeichnung hinaus rechtliche Risiken: Der Anbieter einer Werbeveranstaltung droht zum streng regulierten Rundfunkanbieter zu werden.

Das lineare Live-Shopping-Angebot wird dann zu einem stark regulierten, lizenzpflichtigen Rundfunkangebot im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 MStV, wenn es nach einem festen Sendeplan, also regelmäßig und planmäßig, stattfindet, und das Angebot journalistisch-redaktionell gestaltet ist. In den Bereich des journalistisch-redaktionellen Angebots fällt das Live-Shopping-Event dann, wenn nicht mehr die Bewerbung und der Verkauf, sondern die Berichterstattung, also die öffentliche Kommunikation und Meinungsbildung, in den Vordergrund rückt. 

In den meisten Fällen wird bei Live-Shopping-Events zwar der Warenabsatz im Vordergrund stehen. Anbieter von Live-Shopping-Events können aber versucht sein, die Attraktivität des Angebots für die Zuschauer dadurch zu erhöhen, dass über die reine Präsentation und Verkaufsveranstaltung hinaus aktuelle Themen, wie etwa aktuelle Fashion-Trends, Berichte über Sneaker-Drops oder allgemeine Umwelt- und Technikentwicklungen in den Vordergrund gerückt werden. 

Klare Grenzen gibt es hier nicht. Regelmäßig veranstaltete Live-Shopping-Events sollten aber auch bei einem etwas angereicherten Informationsgehalt einer „ersichtlich kommerziellen Zielsetzung“ dienen (OLG Koblenz, Beschluss vom 12. April 2021 – 4 W 108/21).

Live-Shopping ist Werbung

Live-Shopping ist Werbung. Neben lauterkeitsrechtlichen Vorschriften sind daher spezielle, auch produktspezifische werberechtliche Vorgaben zu beachten.

Lauterkeitsrecht

Wie jede andere Form der kommerziellen, werblichen Kommunikation unterliegt das Live-Shopping dem Lauterkeitsrecht, insbesondere den Vorschriften des UWG.

Live-Shopping-Events dürfen daher nicht unlauter gestaltet sein. Was in jedem Fall „unlauter“ ist, bestimmt die sogenannte „Schwarze Liste“ des Anhangs zum UWG. Sie verbietet bestimmte irreführende (z.B. die unerlaubte Verwendung von Gütezeichen, Nr. 2, oder als Information getarnte Werbung, Nr. 11) und aggressive geschäftliche Handlungen (z.B. unzulässiges hartnäckiges Ansprechen über Fernabsatzmittel, auch Chats, Nr. 26, und gezielte Kaufaufforderungen an Kinder, Nr. 28).

Über diese konkreten Verbote hinaus sollten Anbieter vor allem das allgemeine lauterkeitsrechtliche Verbot falscher bzw. irreführender Angaben (§ 5 UWG) beachten. Dieses betrifft etwa falsche bzw. irreführende Angaben über Verfügbarkeit, Eigenschaften und Herstellungsverfahren (Ware aus Baumwolle statt Schafswolle, aus maschineller Fertigung statt Handarbeit). Auf der anderen Seite dürfen Zuschauer im Live-Shopping-Event nicht dadurch in die Irre geführt werden, dass ihnen wesentlichen Informationen vorenthalten werden (§ 5a UWG). Auf welche wesentlichen Informationen nicht verzichtet werden darf, ist situationsabhängig. Hierzu gehören beispielsweise die zeitlich und mengenmäßig begrenzte Verfügbarkeit von Angeboten oder eine Angabe der Fundstelle beim Verweis auf Testergebnisse und Auszeichnungen. Werden Live-Shopping-Events auf Kanälen Dritter durchgeführt, die nicht klar werblich auftreten und eine Gegenleistung für ihre Beteiligung erhalten, finden auch die Kennzeichnungspflichten Anwendung (§ 5a Abs. 4 UWG). Denkbar ist das vor allem dort, wo eine klare Grenze zwischen einem Live-Shopping-Event und einem Haul fehlt. Ein Haul ist ein Video oder anderer Beitrag eines Influencers, in dem er seine (eigenen) Einkäufe zeigt und kommentiert, am häufigsten in den Bereichen Mode, Kosmetik oder Lifestyle.

Besondere Risiken weisen auch die sogenannten Green Claims auf, also Werbung mit größerer Umweltfreundlichkeit oder geringerer Umweltschädlichkeit. Hier bedarf es mindestens klarer Formulierungen, so darf z.B. beim Begriff „klimaneutral“ nicht offenbleiben, ob Klimaneutralität durch Kompensation oder durch Einsparung erreicht wird (BGH, Urteil vom 27. Juni 2024 – I ZR 98/23). Mit der Green Claims-Richtlinie der EU (näher hier und hier) steigen die Anforderungen an die Zulässigkeit von Umweltaussagen weiter. Ausdrückliche und nicht bloß allgemein gehaltene Umweltaussagen werden dann Erlaubnis- und Nachweispflichten unterworfen. 

Auch abseits irreführender Angaben oder Nichtangaben bestehen lauterkeitsrechtliche Risiken insbesondere dort, wo subtile inhaltliche oder graphische Muster die Zuschauer zu Käufen animieren sollen und dabei unzulässig beeinflussen. Diese Art der Beeinflussung wird als Dark Patterns bezeichnet und ist implizit von § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG und Art. 25 Abs. 1 DSA erfasst und verboten. Die Grenzen zur unzulässigen Beeinflussung sind noch nicht näher geklärt. Die bloße, auch wiederholte Aufforderung im Stream, „jetzt schnell“ eine Bestellung aufzugeben, dürfte aber noch zulässig sein.

Sonstiges Werberecht und produktspezifische Vorschriften

Neben dem allgemeinen Lauterkeitsrecht finden andere, meist produktspezifische Vorschriften des Werberechts Anwendung. Hierzu gehören – nur beispielhaft – etwa vollständige und teilweise Werbeverbote wie für Tabak (§ 20 TabakG), verschreibungspflichtige Arzneien (§ 10 HWG) und Online-Glücksspiel (§ 5 Abs. 3 S. 1 GlüStV 2021) und Alkohol (§ 6 Abs. 5 JMStV), aber auch besondere Anforderungen an die Werbung, etwa Verbraucherinformationen beworbener Pkws (§ 5 Pkw-EnVKV). Freilich dürften sich viele der besonders stark regulierten Produkte ohnehin nicht für Live-Shopping-Events eignen. Werden für Live-Shopping-Events Kommunikationskanäle Dritter (insbesondere Social Media-Kanäle) genutzt, gelten ergänzend die jeweils anwendbaren Nutzungsbedingungen.

Vorteile des Live-Shoppings nutzen – aber vorbereitet

Live-Shopping-Events bieten ihren Anbietern die Gelegenheit, in der unübersichtlichen Welt des Online-Shoppings das Interesse der Konsumenten auf sich zu lenken. Für die in der Regel bereits gut im E-Commerce aufgestellten Unternehmen ergeben sich weitaus mehr Chancen als Risiken. 

Sie sind aber gut beraten, sich auf ein nicht allzu journalistisch-redaktionelles Erscheinungsbild ihrer Live-Shopping-Events zu beschränken. Die größten Risiken liegen in der dynamischen und direkten Kommunikation mit den Kunden, bei der die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen über die präsentierten Produkte besondere Aufmerksamkeit beansprucht. Dazu sind ein guter Überblick über die einzuhaltenden Pflichten und eine sorgfältige Schulung und Vorbereitung der Präsentierenden unerlässlich.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Dieser Beitrag wurde mit Unterstützung von Natascha Leymann, Rechtsreferendarin, und Lotta Ann Olfen, Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei CMS Hamburg, verfasst – vielen Dank!

Tags: E-Commerce Recht Live-Shopping-Event