17. Dezember 2010
EuGH
Öffentliches Wirtschaftsrecht

„Fish cannot walk into court″ – Umweltrechtsbehelf auf europarechtlichem Prüfstand

Eigentlich einleuchtend: Fische können nicht selbst zu Gericht gehen (sondern höchstens zu einem werden). Wie weit sich ihre Fürsprecher für Belange des Umweltschutzes stark machen können, wird bald der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu entscheiden haben:

In der Rechtssache „Trianel Kohlekraftwerk Lünen″ gab es am 16.12.2010 die Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston (C-115/09). In diesem Verfahren geht es um die Frage, in welchem Umfang Umweltverbände die Einhaltung umweltrechtlicher Vorschriften gerichtlich geltend machen können.

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hatte dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen im Hinblick auf die Auslegung der Richtlinie 2003/35/EG vorgelegt. Diese Richtlinie wurde in Deutschland durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) umgesetzt.

Nach den Regelungen des UmwRG können Umweltverbände nur die Verletzung solcher Rechte geltend machen, die dem Schutz der Interessen von Personen dienen. Dieser Ansatz folgt aus der im deutschen Recht verankerten Schutznormtheorie. Rechtsschutz wird demnach nur gewährt, wenn der Betroffene sich auf die Verletzung eines Rechtssatzes berufen kann, der nicht nur im öffentlichen Interesse erlassen wurde, sondern – zumindest auch – dem Schutz eines Einzelnen zu dienen bestimmt ist.

Dieser Grundsatz steht nun für das UmwRG auf europarechtlichem Prüfstand. Der EuGH muss die Frage beantworten, ob die genannte Richtlinie so auszulegen ist, dass Umweltverbände die Verletzung aller für die Zulassung eines Vorhabens relevanter umweltrechtlicher – und damit auch ausschließlich dem Allgemeininteresse dienender – Vorschriften gerichtlich geltend machen können.

Die Generalanwältin hatte Presseberichten zufolge bereits in der mündlichen Verhandlung am 10. Juni 2010 die Marschrichtung vorgegeben. Sollten etwa durch die Abwässer einer industriellen Anlage keine Menschen, wohl aber Fische gefährdet werden, könnten diese ihre Rechte nicht geltend machen – „Fish cannot walk into court″, so Sharpston. Umweltverbände könnten dies sehr wohl.

Wenig überraschend ist daher, dass die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen zu einem recht weit reichenden Ergebnis kommt: Umweltverbände sollen die Verletzung aller für die Zulassung eines Vorhabens maßgeblichen Umweltvorschriften geltend machen können, also auch solcher Vorschriften, die allein den Interessen der Allgemeinheit und nicht zumindest auch dem Schutz der Rechtsgüter Einzelner zu dienen bestimmt sind. Sollte das Recht eines Mitgliedsstaats diese Möglichkeit nicht vorsehen, sollen sich Umweltverbände insofern direkt auf die Regelungen der Richtlinie 2003/35/EG berufen können.

Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH am Ende entscheidet. Sollte er den Anträgen folgen, könnte sich im Hinblick auf das UmwRG gesetzgeberischer Nachbesserungsbedarf ergeben. Umweltverbänden müssten dann nämlich in Abweichung von der Schutznormtheorie deutlich weiter gehende Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnet werden.

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