Vorinsolvenzliche Sanierung in CEE gibt deutschen Unternehmen neue Optionen. Wer Entwicklungen früh erkennt, kann Risiken senken und Chancen nutzen.
Die vorinsolvenzliche Sanierung hat in den Ländern der CEE-Region durch die EU-Restrukturierungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1023) an Bedeutung gewonnen. Zahlreiche Staaten haben ihre Gesetze reformiert, um Unternehmen die Möglichkeit zu geben, eine Krise frühzeitig und außerhalb der klassischen Insolvenzverfahren zu bewältigen.
Polen gilt dabei als Vorreiter. Bereits seit 2016 stehen dort vier verschiedene Restrukturierungswege zur Verfügung – vom außergerichtlichen Vergleich bis zur gerichtlichen Sanierung. Besonders verbreitet ist das vereinfachte Verfahren. Es verschafft Schuldnern sofortigen Schutz vor Zwangsvollstreckungen, während sie ihre Geschäfte fortführen können. Die Gläubiger stimmen strukturiert über den Plan ab und die Veröffentlichung im Restrukturierungsregister sorgt für Transparenz.
Tschechien setzt hingegen weiterhin auf das Reorganisationsverfahren im Insolvenzgesetz. Dieses erlaubt eine Sanierung unter enger gerichtlicher Begleitung und setzt die Zustimmung von Gläubigerklassen voraus. Seit 2023 arbeitet der Gesetzgeber jedoch an einer eigenständigen Umsetzung der EU-Richtlinie, um mehr Flexibilität zu schaffen.
Rumänien hat 2022 ein eigenständiges Restrukturierungsverfahren eingeführt und damit umfassende Reformen umgesetzt. Dieses ähnelt stark dem deutschen StaRUG, bindet das Gericht jedoch von Beginn an stärker ein. Während des gesamten Prozesses gilt ein Vollstreckungsschutz, wodurch die Chancen einer erfolgreichen Sanierung steigen.
Ungarn hat bislang noch kein eigenständiges Restrukturierungsrecht. Zwar existieren erste Entwürfe, doch eine Umsetzung ist frühestens für das Jahr 2025 zu erwarten. Bis dahin bleibt nur das klassische Insolvenzverfahren.
Vorinsolvenzliche Sanierung in CEE eröffnet Chancen für Gläubiger
Diese Verfahren sind nicht nur für Schuldner, sondern auch für Gläubiger attraktiv. Ein frühzeitiger Einstieg in die Sanierung ist aussichtsreicher als ein reguläres Insolvenzverfahren.
- Höhere Quoten: Durch frühes Eingreifen lassen sich Forderungen oft besser durchsetzen.
- Gläubigerklassen: Die Struktur verhindert einseitige Benachteiligungen und macht Entscheidungen planbarer.
- Fortbestehende Verträge: Unternehmen bleiben geschäftsfähig und Lieferketten sowie Kooperationen können gesichert werden.
Ein Beispiel: Ein deutscher Zulieferer, dessen polnischer Geschäftspartner das vereinfachte Sanierungsverfahren nutzt, hat eine realistische Chance, einen Großteil seiner Forderungen über den Restrukturierungsplan zurückzuerhalten, statt in der Insolvenz nur geringe Quoten zu erhalten.
Investoren profitieren von vorinsolvenzlicher Sanierung in CEE
Auch Investoren profitieren. Restrukturierungsverfahren bieten die Möglichkeit, sich frühzeitig in Unternehmen einzukaufen.
- Distressed Investments ermöglichen Beteiligungen mit hohen Preisabschlägen.
- Debt-to-Equity-Swaps bieten die Chance, Forderungen in Unternehmensanteile umzuwandeln.
In Ländern wie Polen und Rumänien können Investoren zudem aktiv in die Plangestaltung eingebunden werden. So kann ein Investor durch die Beteiligung an einem rumänischen Restrukturierungsplan nicht nur günstig einsteigen, sondern auch Einfluss auf die strategische Neuausrichtung des Unternehmens nehmen.
Unterschiede zwischen StaRUG und vorinsolvenzlicher Sanierung in CEE
Das deutsche Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) gilt europaweit als Maßstab. Es zeichnet sich durch Diskretion aus. Im Wesentlichen wird das Gericht nur bei der Planbestätigung einbezogen, sodass der Schuldner weitgehend die Kontrolle behält.
In der CEE-Region zeigen sich Unterschiede:
- Polen: flexible Kombination von außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren.
- Rumänien: stärker gerichtsbegleitet, automatischer Vollstreckungsschutz.
- Tschechien: Sanierung ist eng mit dem Insolvenzrecht verknüpft.
Für deutsche Unternehmen ist Folgendes entscheidend: Während das StaRUG Diskretion und Eigensteuerung ermöglicht, sind die Verfahren in der CEE-Region transparenter, aber mitunter auch formaler und gerichtslastiger.
Vorinsolvenzliche Sanierung in CEE aktiv nutzen
Die Reformen zeigen: Die vorinsolvenzliche Sanierung ist in CEE längst mehr als ein Randthema. Deutsche Unternehmen sollten ihre Geschäftspartner in Polen, Rumänien oder Tschechien genau beobachten und frühzeitig prüfen, ob ein Sanierungsverfahren läuft.
Empfehlungen:
- Frühzeitig lokale Berater einschalten.
- Die eigene Position im Restrukturierungsplan aktiv vertreten.
- Beteiligungsmöglichkeiten ausloten – sowohl zur Sicherung eigener Forderungen als auch für strategische Investments.
So lassen sich Risiken minimieren und Chancen nutzen. Wer rechtzeitig handelt, kann aus der Krise sogar gestärkt hervorgehen.
Wir informieren Sie in unserer Blog-Serie zu Restrukturierung in CEE fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert. Den Auftakt zur Blogserie hat der Einführungsbeitrag gemacht, weitere Beiträge folgen.
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