Herzrasen, Schweißausbrüche, Hitzewallungen, Angstzustände, Telefonate mit der Haftpflichtversicherung, zerstörte Karriereträume – so dürfte sich in der Regel ein Anwalt fühlen bzw. verhalten, der eine prozessuale Frist versäumt hat.
Ob es dem Rechtsanwalt in dem hier maßgeblichen Fall tatsächlich so erging, wird erst nach Darlegung des Sachverhalts beurteilt werden können: Das Gericht hat der Beklagten das gegen diese ergangene Zahlungsurteil am 28. August 2012 zugestellt. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, die Berufungsbegründungsfrist wurde auf Antrag der Beklagten mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 14. Dezember 2012.
Die von der Beklagten eingelegte Berufung wurde jedoch erst am 16. Januar 2013 von ihrem Prozessvertreter begründet. Mit Einreichung der Berufungsbegründung stellte der Prozessvertreter zugleich einen Antrag auf Widereinsetzung in den vorigen Stand und begründete diesen Antrag wie folgt:
Mit Diktat des Schriftsatzes am 30. November 2012, mit dem die letzte Fristverlängerung (14. Dezember 2012) beantragt worden sei, habe er – der Prozessvertreter – seine „seit Jahren tätige, zuverlässige Sekretärin″ angewiesen, „Promptfristen″ für den 10. Dezember 2012 und den 14. Dezember 2012 in den Kalender einzutragen.
Nachdem das Gericht am 5. Dezember 2012 die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß verlängert hatte, verfügte der Prozessvertreter in der Akte die Vorlage der Akte am Tag 10. Dezember 2012 sowie am letzten Tag der eingetragenen „Promptfrist″, also den 14. Dezember 2012. Die Akte wurde dem Prozessvertreter am 10. Dezember 2012 vorgelegt, allerdings hat die Sekretärin es „prompt″ versäumt, die „Promptfrist″ in den Fristenkalender einzutragen, sodass die Vorlage der Akte am Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist unterblieb.
Das Kammergericht hat die Berufung unter Zurückweisung des Widereinsetzungsantrages verworfen und zur Begründung ausgeführt, es habe an einer hinreichenden Büroorganisation gefehlt, weil nicht dargetan wurde, dass eine Anweisung an die Sekretärin bestanden habe, die „Promptfrist″ im Fristenkalender einzutragen und die Akten entsprechend dieser „Promptfrist″ vorzulegen.
Der Prozessvertreter der Beklagten wendete sich im Wege der Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss – und bekam Recht. Der BGH hat in den Ausführungen des Prozessvertreters im Wiedereinsetzungsgesuch und in der eidesstattlichen Versicherung keinen Mangel an einer hinreichenden Büroorganisation gesehen, sondern es für glaubhaft erachtet, dass die in der Handakte notierte „Promptfrist″ von den Sekretärinnen auch im Fristenkalender eingetragen werden müssen und in der Regel auch eingetragen werden. Der BGH hat ferner klargestellt, dass ein Rechtsanwalt nicht verpflichtet ist, die Richtigkeit der Eintragung der Frist anhand des Fristenkalenders selbst zu kontrollieren.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dieser Fall zwar für den hier betroffenen Rechtsanwalt gut ausgegangen ist, aber das muss nicht immer so sein. Nicht nur, dass die Fristenberechnung nach dem BGB schon eine Kunst für sich ist (§ 187 Abs. 1 BGB: „Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.″), ist es geradezu essentiell, die Sekretariate regelmäßig zu schulen und vor allem die grundlegenden, stets geltenden Regeln, also sog. interne Richtlinien festzulegen, um sich und seine Mandanten in Fällen von Fristversäumnissen schützen zu können.
Insofern ist eine Fristenschulung, wie sie neulich im Berliner Büro von CMS Hasche Sigle stattgefunden hat, eine sinnvolle Investition in eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen Anwalt-Sekretariat und in bereits bestehende und künftige Mandate.