16. Februar 2022
EU-Whistleblower-Richtlinie
Compliance

Deutschland verschleppt die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie

EU-Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und weitere EU-Mitgliedstaaten wegen unterlassener Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie ein.

Bis zum 17. Dezember 2021 hätten sämtliche EU-Mitgliedstaaten die EU-Whistleblower-Richtlinie umsetzen müssen. Bislang haben aber nur Dänemark, Lettland, Litauen, Malta, Portugal, Schweden und Zypern die Umsetzung vorgenommen – und dies teilweise auch nur mit langen Übergangsfristen. 

Die EU-Kommission will diesen Zustand nicht länger hinnehmen und hat nunmehr Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

„Blaue Briefe“ der EU-Kommission wegen mangelnder Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie

Am 27. Januar 2021 hat die EU-Kommission an Deutschland und 23 weitere EU-Mitgliedstaaten Aufforderungsschreiben versandt. Die EU-Kommission hält die Adressaten dazu an, endlich die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht zu verwirklichen. Die Umsetzung hätte bereits spätestens am 17. Dezember 2021 erfolgen müssen. 

Aber auch mit denjenigen Mitgliedstaaten, die mittlerweile eine Umsetzung in nationales Recht beschlossen haben, ist die EU-Kommission teilweise unzufrieden. So hat die EU-Kommission am 9. Februar 2022 Portugal und Schweden schriftliche Rügen zukommen lassen. Hintergrund hierfür ist, dass das nationale portugiesische Hinweisgebergesetz erst nach Ablauf von sechs Monaten nach Veröffentlichung im portugiesischen Gesetzblatt wirksam werden soll, mithin erst Mitte Juni 2022. Noch später, nämlich erst am 17. Juli 2022, soll das schwedische Umsetzungsgesetz für schwedische Unternehmen verpflichtend werden. 

Die EU-Kommission gewährt den EU-Mitgliedstaaten zwei Monate, um ihre Versäumnisse abzustellen.

Bislang keine erkennbaren Aktivitäten der Bundesregierung

Bekanntlich war der Ende 2020 öffentlich bekannt gewordene Referentenentwurf für ein deutsches Hinweisgeberschutzgesetz den inhaltlichen Differenzen innerhalb der damaligen Regierungskoalition zum Opfer gefallen. Die Ampelkoalition hatte dann in ihrem Koalitionsvertrag im Herbst 2021 eine rasche Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie in Aussicht gestellt. Bislang ist jedoch nur wenig passiert.

Einzelheiten und Zeitpunkt eines deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes sind nach wie vor unklar. Unternehmen wie Hinweisgeber* fragen sich weiterhin, welche Anforderungen demnächst an Hinweisgebersysteme gestellt werden und inwieweit der Hinweisgeberschutz in Deutschland künftig gesetzlich geregelt werden wird. 

Erheblicher Handlungsdruck nun für Deutschland und andere säumige Mitgliedstaaten

Deutschland und weitere säumige EU-Mitgliedstaaten sind mit der Tatsache, dass sie mit der Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie im Verzug sind, also mittlerweile nicht mehr nur im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Auch der EU-Kommission reißt jetzt wohl der Geduldsfaden. Die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission ist ein deutlicher Fingerzeig, dass die EU-Kommission nicht bereit ist, weitere Verzögerungen bei der nationalen Umsetzung hinzunehmen. Die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie sollte nach alledem zeitlich deutlich näher rücken. Denn eine weitere Eskalation des Vertragsverletzungsverfahrens wäre auch politisch nicht zu rechtfertigen.

Unternehmen sollten nicht weiter zuwarten: Anforderungen der EU-Whistleblower-Richtlinie umsetzen!

Durften deutsche Unternehmen schon bisher nicht darauf hoffen, dass ihnen die verpflichtende Einführung eines Hinweisgebersystems erspart bleibt, sollten sie spätestens jetzt davon ausgehen, dass in Deutschland (und in der gesamten Europäischen Union) die Umsetzung zeitnah erfolgen wird. 

Die Beschäftigung mit den Anforderungen der Richtlinie und die Einrichtung eigener Hinweisgebersysteme sollte deshalb schleunigst beginnen. Gerade im Mittelstand unterschätzen viele Unternehmen noch den Aufwand, den die Implementierung eines Hinweisgebersystems, das die Anforderungen der EU-Whistleblower-Richtlinie erfüllt, mit sich bringt. 

Dies gilt vor allem für deutsche Konzerne mit Tochtergesellschaften im EU-Ausland. Denn hier gilt es, bei der Einführung eines Hinweisgebersystems alle nationalen Anforderungen zu berücksichtigen. Diese Unternehmen tun daher gut daran, dafür Sorge zu tragen, dass ihre dort ansässigen Töchter die dort bereits geltenden lokalen Anforderungen an die Einrichtung von Hinweisgebersystemen erfüllen.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Compliance Corporate / M&A EU-Whistleblower-Richtlinie