27. Juli 2015
Kulturgutschutzgesetz, Kunstrecht
Europarecht

Neues Kulturgutschutzgesetz – droht Deutschland Kunst-Exodus?

Das Kulturgutschutzgesetz wird überarbeitet. Namhafte Sammler haben bereits angekündigt, ihre Sammlungen außer Landes zu bringen. Droht der Kunst-Exodus?

Die geplante Novelle des Kulturgutschutzgesetz hat sich unter anderem den „Abwanderungsschutz″ auf die Fahnen geschrieben. Doch liest man den noch in der Abstimmung befindlichen Referentenentwurf zum Kulturgutschutzgesetz, so kommen Zweifel auf, ob nicht das Gegenteil der Fall sein wird. Namhafte Sammler haben bereits öffentlich angekündigt, ihre Sammlungen vor Inkrafttreten des Gesetzes außer Landes zu bringen. Künstler ziehen ihre Leihgaben aus Museen zurück. Der Künstler Georg Baselitz hat Leihgaben aus Museen zurückgerufen. In den Feuilletons geht es hoch her. Ist der Aufschrei begründet? Die Ministerin ruderte inzwischen jedenfalls ein Stück weit zurück. Eine nüchterne Betrachtung:

Status quo in Sachen Kulturgutschutz

Um Kunst aus der EU auszuführen, bedarf es nach der Verordnung EG 116/2009 abhängig vom Alter („älter als 50 Jahre″) und dem Wert eines Werkes (bei Gemälden: 150.000 Euro) schon jetzt einer Exportlizenz. Die Ausstellung dieser Lizenzen ist Ländersache. In Berlin beispielsweise ist der Oberbürgermeister zuständig, in Bayern liegt die Zuständigkeit bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.

Keine Lizenz innerhalb des EU-Binnenmarktes

Innerhalb des EU-Binnenmarktes ist eine solche Lizenz für die Ausfuhr aus Deutschland hingegen bislang nicht erforderlich. Dies hat in der Praxis aber dazu geführt, dass häufig die zuständigen Behörden gar nichts davon erfahren haben, dass ein Werk Deutschland verlässt. Die Befugnis, ein Werk auf die „Liste national wertvollen Kulturgutes″ (nach der Reform: „Kulturgutverzeichnis″) zu setzen, lief mangels Unkenntnis des Exports daher de facto leer. Diese vermeintliche Lücke soll nun geschlossen werden, um vor „Abwanderung″ zu schützen.

Kleiner Eingriff, große Wirkung

Ein vermeintlich kleiner Eingriff, nämlich in etwa die für den Export in das EU-Ausland ohnehin geltenden Regeln auch auf den Binnenmarkt anzuwenden, würde in der Praxis aber drastische Auswirkungen haben:

  • Eine Exportlizenz wird verwehrt, wenn ein Werk als „national wertvoll″ erkannt wird, oder sogar bereits auf der Liste eingetragen ist.
  • Nach dem Referentenentwurf zum Kulturgutschutzgesetz sollen zu den „national wertvollen″ Werken auch „besonders bedeutsame Werke einer Künstlerin oder eines Künstlers von internationalem Rang, die dauerhaft in Deutschland verwahrt worden sind″, auf die Liste gesetzt werden können.

Die Führung dieser Listen und die Details des Eintragungsverfahrens sind und bleiben Ländersache.

Liste national wertvoller Werke ist bei Eigentümern gefürchtet

Das Instrument „Liste″ ist bei Eigentümern von Kunstgegenständen schon jetzt gefürchtet, da es den Eigentümer in seiner Freiheit, mit dem Gegenstand zu tun was er möchte, fundamental einschränken kann, wenn ein Antragsberechtigter Kenntnis von einem wichtigen Werk erlangt. Denn schon mit Antragstellung lastet auf dem Werk, für die die Eintragung beantragt wird, ein Exportverbot. Verstöße gegen ein solches Exportverbot stellen eine Straftat dar, die analog zur Steuerhinterziehung bestraft werden. Über internationalen Transaktionen kann der Kulturgutschutz deshalb hängen wie ein „Damoklesschwert″.

In jüngster Zeit wurde die Liste immer wieder dazu instrumentalisiert, den Verkauf bestimmter Werke oder Sammlungen ins Ausland zu verhindern. Für Werke wurde, sobald öffentlich bekannt wurde, dass ein Verkauf geplant ist, die Eintragung auf der Liste beantragt oder es wurde zumindest damit „gewunken“. Jüngstes Beispiel war der Streit um die Veräußerung der Portigon Sammlung.

Auswirkungen auf den Preis eines Werkes

Faktisch wirkt sich das mit einer Eintragung einhergehende Exportverbot drastisch auf den Preis aus, den ein Werk erzielen kann: Kann das Werk nur von nationalen oder auch von internationalen Sammlern gekauft werden? Gibt es in Deutschland überhaupt einen Markt für den Künstler oder die Kunstrichtung?

Inzwischen hat sich die Kulturstaatsministerin offenbar die Kritik am geplanten Kulturgutschutzgesetz teilweise zu Herzen genommen:

Zum einen hat die Ministerin – allerdings bislang unverbindlich – neue Zahlen genannt: 300.000 Euro und 70 Jahre sind die neuen Kriterien.

Zum anderen ist bei dauerhaften Leihen von privaten Sammlern an Museen nachjustiert worden: Der Leihgeber kann nun gegen die pauschale Unterschutzstellung seiner Leihgabe als Teil der Museumssammlung optieren. Und selbst wenn er für die Unterschutzstellung optiert, so soll dieser mit Kündigung oder Ablauf des Leihvertrages enden.

Ob diese Norm so ausgelegt werden kann, dass eine Museumsleihgabe sogar eine Option zur Umgehung des Listenwesens wird, ist offen. Ein Vorkaufsrecht, das bewirken würde, dass ein für die Liste vorgesehenes Werk doch exportiert werden darf, wenn innerhalb eines Jahres der Staat dieses nicht ankauft, ist im Unterschied zu einigen anderen europäischen Staaten nicht vorgesehen.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

Noch ist das Papier ein nicht finaler Referentenentwurf zum Kulturgutschutzgesetz. Das nun in der neuesten Entwurfsfassung eingefügte Optionsrechts für Leihgeber geht in die richtige Richtung, auch wenn im Detail vieles unklar bleibt. Die neuen kursierenden Altersgrenzen dürften zumindest den Handel zeitgenössischer Kunst etwas aufatmen lassen. Dennoch ist und bleibt die Liste – ob durch abgelehnte innereuropäische oder außereuropäische Ausfuhranträge gefüttert – für Eigentümer von Kunst ein massiver Einschnitt in die Freiheit und mithin ein echtes Problem.

In Italien ist man übrigens aufgrund der Erfahrungen mit einem gleichartigen Gesetz zum Kulturgutschutz derzeit dabei zu prüfen, ob dieses wieder abgeschafft wird.

Tags: Kulturgutschutzgesetz Kunstrecht
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Katharina Garbers-von Boehm