13. September 2021
Vergütungsbericht Say-on-Pay
Aktienrecht

Der neue Vergütungsbericht und der jährliche Say-on-Pay

Welche Transparenz fordern institutionelle Investoren und was gilt es noch für die Billigung des Vergütungsberichts durch die Hauptversammlung zu beachten?

In der kommenden HV-Saison 2022 müssen die ordentlichen Hauptversammlungen börsennotierter Gesellschaften erstmals über die Billigung des Vergütungsberichts beschließen, der für das Geschäftsjahr 2021 erstmals nach den neuen aktienrechtlichen Vorgaben des ARUG II zu erstellen ist. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die gesetzlichen Neuregelungen zum Vergütungsbericht und die Erwartungen von institutionellen Investoren und Stimmrechtsberatern an die neue Vergütungsberichterstattung. 

Erstellung des aktienrechtlichen Vergütungsberichts

Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft müssen nunmehr jährlich (gemeinsam) „einen klaren und verständlichen Bericht über die im letzten Geschäftsjahr jedem einzelnen gegenwärtigen oder früheren Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats von der Gesellschaft und von Unternehmen desselben Konzerns (§ 290 HGB) gewährte und geschuldete Vergütung“ erstellen (§ 162 n.F. AktG), erstmals für das nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahr (vgl. § 26j Abs. 2 S. 1 EGAktG).

Gesetzlicher (Mindest-)Inhalt des Vergütungsberichts

Das Gesetz enthält in § 162 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 7 und Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AktG umfangreiche, detaillierte Vorgaben für den Mindestinhalt des Vergütungsberichts. Die vom Gesetz geforderten Angaben müssen indes nur gemacht werden, soweit sie inhaltlich tatsächlich vorliegen; Negativmeldungen sind nicht erforderlich, mit Ausnahme der Angabe zur Nichtnutzung vertraglicher Clawback-Klauseln (so die h.M. mit Verweis auf den Wortlaut von § 162 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG). Unter Namensnennung der (gegenwärtigen oder früheren) Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sind im Vergütungsbericht beispielsweise anzugeben:

  • alle festen und variablen Vergütungsbestandteile, deren jeweiliger relativer Anteil sowie eine Erläuterung, wie sie dem maßgeblichen Vergütungssystem entsprechen, wie die Vergütung die langfristige Entwicklung der Gesellschaft fördert und wie die Leistungskriterien angewendet wurden (§ 162 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG); 
  • eine vergleichende Darstellung der jährlichen Veränderung der Vergütung, der Ertragsentwicklung der Gesellschaft sowie der über die letzten fünf Geschäftsjahre betrachteten durchschnittlichen Vergütung von Arbeitnehmern auf Vollzeitäquivalenzbasis, einschließlich einer Erläuterung, welcher Kreis von Arbeitnehmern einbezogen wurde (§ 162 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG).

Hinsichtlich der Vergütung jedes einzelnen Vorstandsmitglieds verlangt § 162 Abs. 2 AktG zusätzliche Mindestangaben zu bestimmten Leistungen – wie etwa Angaben zu solchen Leistungen, die einem Vorstandsmitglied für den Fall der vorzeitigen Beendigung seiner Tätigkeit zugesagt worden sind. Die zusätzlichen Mindestangaben nach § 162 Abs. 2 AktG entsprechen inhaltlich weitgehend den Angaben, die bislang im (Konzern-)Anhang zu machen waren (vgl. §§ 285 Nr. 9 a) S. 5 bis 8, 314 Abs. 1 Nr. 6 a) S. 5 bis 8 HGB a.F.).

Nach näherer Maßgabe von § 162 Abs. 5 und 6 AktG dürfen zum Schutz personenbezogener Daten bestimmte Angaben nicht gemacht werden (Stichwort: Datenschutz) und brauchen zum Schutz des Gesellschaftsinteresses bestimmte Angaben in den Vergütungsbericht nicht aufgenommen zu werden (Vorbehalt für gesellschaftsschädliche Informationen).

Der Deutsche Corporate Governance Kodex in seiner geltenden Fassung vom 16. Dezember 2019 (DCGK) verzichtet – in Abkehr von seiner vorherigen Fassung vom 7. Februar 2017 (DCGK 2017) einschließlich der Mustertabellen zu Ziffer 4.2.5 Abs. 3 DCGK 2017 – auf Empfehlungen zur Vergütungsberichterstattung.

Bei der Anwendung der neuen gesetzlichen Vorgaben für den Berichtsinhalt sind derzeit noch zahlreiche (Rechts-)Fragen offen und Streitpunkte ungeklärt, mit denen die Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Gesellschaften nun praxistauglich umgehen müssen. Aus Raumgründen verzichtet dieser Beitrag darauf, einzelne Anwendungsprobleme näher zu erörtern. Stattdessen werden im Folgenden Anforderungen von institutionellen Investoren und Stimmrechtsberatern aufgezeigt, soweit diese über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen, und allgemeine Handreichungen für die Gestaltung von Vergütungsberichten gegeben. 

Anforderungen von institutionellen Investoren und Stimmrechtsberatern an den Berichtsinhalt

Die Abstimmungsrichtlinien institutioneller Investoren und Stimmrechtsberater enthalten zunehmend Anforderungen an die Vergütungstransparenz, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Diese zusätzlichen Anforderungen betreffen vor allem die im Vergütungsbericht anzugebende Erläuterung, wie die Leistungskriterien im Rahmen der variablen Vergütung angewendet wurden (vgl. § 162 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG).

So wird gefordert, dass die Gewichtung der Leistungskriterien, die festgelegten Zielwerte einschließlich der Untergrenzen (Minimal- bzw. Schwellenwerte) und Obergrenzen (Maximal- bzw. Capwerte) (sog. Leistungskorridor) – teils zusätzlich unter Angabe der korrespondierenden minimal und maximal erreichbaren Vergütungsbeträge (sog. Vergütungskorridor) – sowie der jeweilige Zielerreichungsgrad veröffentlicht werden. Das Gesetz verlangt hingegen solche detaillierten Angaben zu den Zielvorgaben und -parametern nicht. Ausweislich der Gesetzesbegründung genügt es aus Vertraulichkeits- und Wettbewerbsgründen, wenn über die Leistungskriterien in bloß abstrakter Form berichtet wird.

In den Abstimmungsrichtlinien finden sich außerdem teilweise die Forderung, weiterhin die DCGK 2017-Mustertabellen zu verwenden, sowie die Anforderung, vom Aufsichtsrat ausgenutzte Ermessensspielräume bei der Vergütungsfestsetzung offenzulegen und zu erläutern.

Allgemeine Handreichungen für die Gestaltung von Vergütungsberichten

Eine praktische Hilfestellung bei der Erstellung des neuen Vergütungsberichts bieten die unverbindlichen Leitlinien der EU-Kommission zur standardisierten Darstellung des Vergütungsberichts (EC Guidelines). Die EC Guidelines enthalten sowohl allgemeine Empfehlungen zu Inhalt und Darstellung als auch detaillierte Empfehlungen zu einzelnen Berichtsinhalten. Zu beachten ist allerdings, dass die EC Guidelines derzeit lediglich in einer 2. Entwurfsversion vom 12. Juli 2019 und damit noch nicht in finaler Fassung vorliegen. 

Aus Gründen der gesetzlich geforderten Klarheit und Verständlichkeit des Vergütungsberichts empfiehlt es sich, Angaben möglichst in tabellarischer Form darzustellen und diese gegebenenfalls zusätzlich zu erläutern. Aktionären und anderen Stakeholdern wird hierdurch der Vergütungsvergleich sowohl zwischen den Organmitgliedern der Gesellschaft als auch mit anderen Unternehmen erleichtert. Entsprechende Tabellen können den EC Guidelines entnommen werden. Daneben können vorsorglich auch weiterhin die DCGK 2017-Mustertabellen verwendet werden, um auch auf dieser Basis einen Vergütungsvergleich mit den Vorjahren zu ermöglichen und damit Stakeholder nicht etwa monieren können, dass eine Transparenzlücke bestünde oder das Transparenzlevel gesunken sei. 

Ob es zulässig ist und gegebenenfalls wegen des Say-on-Pay (s.u.) zweckmäßig sein kann, bestimmte fakultative Angaben in den Vergütungsbericht aufzunehmen, z.B. wie dies manche Investoren und Stimmrechtsberater für die vom Aufsichtsrat festgelegten Schwellen- und Capwerte für einzelne Leistungskriterien im Rahmen der variablen Vorstandsvergütung (sog. Leistungskorridor) fordern, muss im konkreten Einzelfall beurteilt werden. Soweit die entsprechenden Angaben nicht geeignet sind, der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, z.B. mit Blick auf ihre Wettbewerbssituation, sollte hier möglichst eine weitgehende Transparenz verfolgt werden. Zumal ohnehin damit gerechnet werden muss, dass Aktionäre in der Hauptversammlung entsprechende Informationen verlangen. 

Darüber hinaus ist es zweckmäßig, im Vergütungsbericht darzulegen, wie die insoweit einschlägigen Empfehlungen des DCGK in Abschnitt G (Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat) konkret umgesetzt wurden. 

Prüfung des Vergütungsberichts durch den Abschlussprüfer

Der Vergütungsbericht ist durch den Abschlussprüfer lediglich in formeller Hinsicht dahingehend zu prüfen, ob die Angaben nach § 162 Abs. 1 und 2 AktG gemacht wurden (vgl. § 162 Abs. 3 S. 1 u. 2 AktG). Eine materielle Überprüfung der im Vergütungsbericht getätigten Angaben auf ihre inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit hat nicht zu erfolgen. Über die Prüfung des Vergütungsberichts erstellt der Abschlussprüfer einen Vermerk, der dem Vergütungsbericht beizufügen ist (vgl. § 162 Abs. 3 S. 3 u. 4 AktG). Der Vermerk enthält lediglich die Feststellung, ob die formellen Anforderungen eingehalten wurden und, falls nicht, gegen welche formellen Anforderungen verstoßen wurde.

Der Abschlussprüfer kann auch beauftragt werden, eine – insoweit über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende – materielle Prüfung des Vergütungsberichts vorzunehmen. Eine freiwillige materielle Prüfung ist angesichts der möglichen Rechtsfolgen einer unzutreffenden Berichterstattung grundsätzlich zu empfehlen. Zu denken ist hier primär an die Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen. Das mit einem fehlerhaften Vergütungsbericht für die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder verbundene Risiko einer Organhaftung nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG (i.V.m § 116 S. 1 AktG) ist hingegen eher als gering einzustufen, da es regelmäßig an einem ersatzfähigen Schaden fehlen dürfte.

Mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung ist unklar und in der Literatur umstritten, wer den Abschlussprüfer mit der Prüfung des Vergütungsberichts zu beauftragen hat. Analog zum Prüfungsauftrag für den Jahres- und den Konzernabschluss ist hierfür richtigerweise allein der Aufsichtsrat zuständig.

Jährliches HV-Votum über den Vergütungsbericht (Say-on-Pay); Erleichterung für börsennotierte KMUs

Nach den neuen Vorgaben des ARUG II muss die Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft über die Billigung des nach § 162 AktG erstellten und geprüften Vergütungsberichts für das vorausgegangene Geschäftsjahr beschließen (§ 120a Abs. 4 S. 1 AktG). Der Hauptversammlungsbeschluss begründet weder Rechte noch Pflichten (sog. empfehlender Beschlusscharakter); er ist auch weder anfechtbar noch gegenantragsfähig (vgl. § 120a Abs. 4 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 u. S. 2 AktG).

Bei börsennotierten kleinen und mittelgroßen Gesellschaften i.S.d. § 267 Abs. 1 und 2 HGB (KMUs) bedarf es keines Hauptversammlungsbeschlusses über die Billigung des Vergütungsberichts, wenn der Vergütungsbericht (stattdessen) als eigener Tagesordnungspunkt in der Hauptversammlung zur Erörterung vorgelegt wird (vgl. § 162 Abs. 5 AktG). Es bleibt abzuwarten, inwieweit in der Praxis börsennotierte KMUs von dieser Erleichterungsmöglichkeit Gebrauch machen oder ob sie aus Best-Practice-Gründen gleichwohl ein Hauptversammlungsvotum zum Vergütungsbericht herbeiführen.

Die Beschlussfassung über die Billigung des Vergütungsberichts bzw. dessen Vorlage zur Erörterung in der Hauptversammlung ist bei börsennotierten Gesellschaften somit ein neuer Standard-Tagesordnungspunkt der ordentlichen Hauptversammlung. In der Hauptversammlungseinberufung ist insoweit stets auch der vollständige, geprüfte Vergütungsbericht mit Prüfvermerk bekanntzumachen (vgl. § 124 Abs. 2 S. 3 u. 4 AktG).

Veröffentlichung des Vergütungsberichts

Der Vergütungsbericht und der Vermerk des Abschlussprüfers sind nach dem Hauptversammlungsbeschluss (§ 120a Abs. 4 S. 1 AktG) oder der Vorlage zur Erörterung in der Hauptversammlung (§ 120a Abs. 5 AktG) von der Gesellschaft 10 Jahre lang auf ihrer Internetseite kostenfrei öffentlich zugänglich zu machen (§ 162 Abs. 4 AktG). 

Nach der Gesetzesbegründung hat die Veröffentlichung unverzüglich zu erfolgen, wobei – wie bei den Abstimmungsergebnissen (vgl. § 130 Abs. 6 AktG) – eine entsprechende Veröffentlichung binnen sieben Tagen nach der Hauptversammlung genügen soll. In der Praxis dürfte diese Frist schon deshalb regelmäßig erfüllt sein, weil der Vergütungsbericht nebst Prüfvermerk als Bestandteil der Einberufung bereits im Vorfeld der Hauptversammlung, nämlich alsbald nach der Einberufungsbekanntmachung, über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich sein muss (vgl. § 124a Nr. 1 AktG).

Frühzeitige Erstellung des Vergütungsberichts ist anzuraten

Aufgrund der zahlreichen gesetzlichen Neuerungen und offenen Fragen beim Vergütungsbericht ist Vorständen und Aufsichtsräten anzuraten, möglichst frühzeitig mit der Erstellung des Vergütungsberichts für das Geschäftsjahr 2021 zu beginnen, um dessen rechtzeitige Fertigstellung und Prüfung vor der Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung sicherzustellen. Dies gilt insbesondere auch wegen des Abstimmungsbedarfs innerhalb und zwischen den Organen, wie im Rahmen der gemeinsamen Berichtspflicht bestehenden Ermessens- und Beurteilungsspielräume ausgeübt werden sollen. Im Falle einer freiwilligen materiellen Prüfung des Vergütungsberichts durch den Abschlussprüfer verlängert sich die einzuplanende Vorlaufzeit noch. Der Prozess hinsichtlich der Erstellung, Prüfung und Vorlage zur Billigung bzw. Erörterung des Vergütungsberichts durch die Hauptversammlung ist in dem Zeit- und Maßnahmenplan für die Hauptversammlungsvorbereitung entsprechend abzubilden. Digitale Tools wie der CMS HV-Manager können dabei zu einer einfachen Koordination und effizienten Abwicklung des gesamten HV-Prozesses beitragen.

Es bleibt abzuwarten, welcher Berichtsstandard sich in der neuen Praxis herausbildet und mit welcher Transparenz über von Investoren geforderte fakultative Vergütungsangaben berichtet wird. In der Praxis haben z.B. drei DAX-Unternehmen in ihren Vergütungssystemen für die Vorstandsmitglieder bereits vorab festgelegt, bei den Leistungskriterien der variablen Vergütung auch die jeweiligen Schwellen- und Capwerte zu veröffentlichen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Relevanz von Nachhaltigkeitsaspekten sowohl für die Unternehmensführung als auch für die verschiedenen Stakeholder-Gruppen ist davon auszugehen, dass auch der Detaillierungsgrad der Berichterstattung über die konkrete Anwendung von ESG-Kriterien in der Vorstandsvergütung steigen wird.

Tags: Say-on-Pay Vergütungsbericht