15. Juni 2021
FISG Finanzmarkt Aufsicht
Corporate / M&A

FISG: Änderungen der Corporate Governance für Unternehmen von öffentlichem Interesse

Das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität enthält auch praxisrelevante Änderungen des AktG betreffend den Aufsichtsrat, den Prüfungsausschuss und den Vorstand.

Das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) wurde zur Stärkung des Vertrauens in den deutschen Finanzmarkt geschaffen und ist insbesondere eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Causa Wirecard. Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt auf der Stärkung und Neuordnung der Bilanzkontrolle, umfangreichen Änderungen zur Abschlussprüfung sowie einer Verschärfung des Bilanzstrafrechts. Daneben enthält der Gesetzesentwurf jedoch einige wesentliche Änderungen der Corporate Governance von Aktiengesellschaften und Europäischen Aktiengesellschaften (SE). 

Die Regelungen zur Corporate Governance reihen sich in die Änderungen durch das FüPoG II ein. Das FISG tritt zum 1. Juli 2021 in Kraft.

Persönlicher Anwendungsbereich der Änderungen der Corporate Governance: Unternehmen von öffentlichem Interesse 

Die Neuerungen des FISG zur Corporate Governance betreffen Unternehmen von öffentlichem Interesse. Dieser Begriff ist für das Recht der Abschlussprüfung zentral und wurde vom europäischen Gesetzgeber vorgegeben. Der Begriff eines Unternehmens von öffentlichem Interesse ist nun § 316a Satz 2 HGB n.F. legaldefiniert, inhaltlich gibt es keine Änderungen. 

Unternehmen von öffentlichem Interesse sind:

  • Kapitalgesellschaften mit Kapitalmarktorientierung nach § 264d HGB (d.h. Kapitalgesellschaften, deren Wertpapiere zum Handel zum regulierten Markt (nicht Freiverkehr) zugelassen sind)
  • CRR-Kreditinstitute nach § 1 Abs. 3d KWG
  • Versicherungsunternehmen i.S.d. Richtlinie RL 91/674/EWG

Neue Qualifikationsanforderungen an Aufsichtsratsmitglieder: Zwei Finanzexperten 

Das FISG sieht eine Modifikation der persönlichen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder von Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 100 AktG n.F. vor. Nach § 100 Abs. 5 AktG muss bislang mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen und die Mitglieder des Aufsichtsrats müssen in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor vertraut sein.

Künftig muss der Aufsichtsrat von Unternehmen im öffentlichen Interesse statt mindestens einem Finanzexperten mindestens zwei Finanzexperten haben, wovon einer Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung und der andere Sachverstand auf dem Gebiet der Abschlussprüfung hat. Eine kumulative Erfüllung der Anforderungen durch eine Person ist nicht zulässig. Der erforderliche Sachverstand setzt nicht zwingend voraus, dass das Mitglied des Aufsichtsrats einem steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Beruf angehört, der Sachverstand kann auch durch entsprechende Weiterbildung erworben werden.  

Die Regelungen an die Besetzung des Aufsichtsrats gelten nicht zum 1. Juli 2021, sondern ab der ersten Neubesetzung nach dem Inkrafttreten des FISG, so dass die Qualifikationsanforderungen für die meisten börsennotierten Aktiengesellschaften wohl erst in der Hauptversammlungssaison 2022 relevant werden. 

Zwingende Einrichtung eines Prüfungsausschusses bei einem mindestens 4 köpfigen Aufsichtsrat

Bislang wurde die Einrichtung eines Prüfungsausschusses durch den DCGK empfohlen und entspricht auch der Best Practice bei größeren Gesellschaften. Zudem empfiehlt der DCGK, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen, internen Kontrollverfahren sowie der Abschlussprüfung hat. 

Künftig sind Aktiengesellschaften oder Europäische Aktiengesellschaften (SE) von öffentlichem Interesse nach § 107 Abs. 4 Satz 1 AktG n.F. verpflichtet, einen Prüfungsausschuss einzurichten. Anders als im Referentenentwurf, gelten nach § 107 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F. Aufsichtsräte mit nur drei Mitgliedern zugleich als Prüfungsausschuss.  Zuwiderhandlungen gegen die Pflicht zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses sind bußgeldbewährt. Der Prüfungsausschuss muss aus zwei Finanzexperten, einem Mitglied mit Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung und einem anderen Mitglied mit Sachverstand auf dem Gebiet der Abschlussprüfung, bestehen.

Dem Prüfungsausschuss obliegt die Überwachung der Qualität der Abschlussprüfung.

Direktes Auskunftsrecht des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses gegenüber Mitarbeitern 

Das System des Aktiengesetzes sah bislang vor, dass der Aufsichtsrat nur Auskunftsrechte gegenüber dem Vorstand hat. Dieses System wird durchbrochen, indem der Vorsitzende des Prüfungsausschusses künftig einen direkten Informationsanspruch gegenüber Leitern der Kontroll- und Überwachungsfunktionen des Unternehmens hat. Bei den Mitarbeitern handelt es sich nach der Gesetzesbegründung um Personen aus der ersten Führungsebene unter dem Vorstand (z.B. Leiter der internen Revision oder dem Risk Management). Der Vorstand soll unverzüglich nach Einholung solcher Auskünfte unterrichtet werden. Diese Regelung hat weitreichende Auswirkungen auf die Corporate Governance von Unternehmen und könnte Loyalitätskonflikte für Mitarbeiter bedeuten.

Stärkung der vertraulichen Kommunikation des Aufsichtsrats mit dem Abschlussprüfer

§ 109 Abs. 1 AktG n.F. stellt der Gesetzgeber ausdrücklich klar, dass in Sitzungen des Aufsichtsrats oder einer seiner Ausschüsse in denen der Abschlussprüfer als Sachverständiger hinzugezogen wird, der Vorstand weder ein gesetzliches Teilnahmerecht noch eine gesetzliche Teilnahmepflicht hat. Durch diese Regelung soll die vertrauliche Kommunikation des Aufsichtsrats mit dem Abschlussprüfer nochmals gestärkt werden. Diese Regelungen gelten für alle Aktiengesellschaften und nicht nur für Unternehmen von öffentlichem Interesse.

FISG: Gesetzliche Pflicht zur Errichtung eines internen Kontroll- und Risikomanagementsystems 

Der Vorstand eines Unternehmens von öffentlichem Interesse ist nach § 91 Abs. 3 AktG n.F. verpflichtet, ein internes Kontroll- und Risikomanagementsystem, welches im Hinblick auf den Umfang der Geschäftstätigkeiten und der Risikolage des Unternehmens angemessen ist, zu errichten. Die konkrete Ausgestaltung des Kontroll- und Risikomanagementsystems steht jedoch im Ermessen des Vorstands.

Bislang war der Vorstand nach § 91 Abs. 2 AktG lediglich verpflichtet, ein Risikofrühwarnsystem einzurichten. Der DCGK empfiehlt bislang die Einrichtung eines geeigneten und wirksamen internen Kontroll- und Risikomanagementsystems. Zudem sind kapitalmarktorientierte Unternehmen verpflichtet, die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems im Lagebericht zu beschreiben (§ 289 Abs. 4 HGB). Der Abschlussprüfer hat über die wesentlichen Schwächen des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems in Bezug auf den Rechnungslegungsprozess dem Aufsichtsrat zu berichten.

Auch wenn es sich durch die explizite gesetzliche Regelung um eine neue Pflicht handelt, ist aufgrund der bisherigen Regelungen davon auszugehen, dass Unternehmen von öffentlichem Interesse weitgehend bereits ein internes Kontroll- und Risikomanagementsystem eingerichtet haben.

Tags: Aufsichtsrat Finanzmarkt FISG Prüfungsausschuss Risikomanagement