Sind Altlasten bei einer Unternehmenstransaktion relevant, benötigen die Parteien eine belastbare vertragliche Regelung.
Bei der Veräußerung von Produktionsbetrieben mit einer langen Unternehmensgeschichte, insbesondere auch dem Industrie- und Chemiesektor, kommen die Parteien in der Regel nicht daran vorbei, die Problematik rund um Altlasten im Rahmen der Due Diligence zu prüfen und dann auch im Unternehmenskaufvertrag abzubilden.
Altlasten vor allem bei Produktionsstätten mit langer Historie relevant
Die besondere Relevanz dieses Themas ist dabei einerseits darin begründet, dass an den Produktionsstandorten oft mit einer Vielzahl von Stoffen und Chemikalien gearbeitet wurde, die noch vor einigen Jahren zulässig waren, inzwischen jedoch wegen der damit verbundenen Gefahren verboten sind. Gleichzeitig führen auch die immer präziseren Prüf- und Messmethoden dazu, dass Gefahrenstoffen länger und in kleineren Mengen nachweisbar sind. Nicht zuletzt wurden die Umweltthemen in diesen Produktionsbetrieben über Jahrzehnte hinweg ignoriert oder nur stiefmütterlich behandelt.
Enthält der Unternehmenskaufvertrag keine geeigneten Schutzmechanismen zur Regelung der Umwelthaftung bei Altlasten, kann dies nicht nur für den Käufer teuer werden. Für den Verkäufer kann ein erst durch eine Unternehmenstransaktion aufgedeckter Umweltschaden zudem unter Compliance-Gesichtspunkten zu einem Imageproblem führen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Verhandlung von Vertragsklauseln zur Risikoverteilung und Risikobegrenzung beider Parteien bei Umweltschäden im Rahmen von M&A-Deals immer bedeutender wird.
Gesetzliche Regelung zu Altlasten für die Parteien nicht immer interessengerecht
Die gesetzliche Regelung im Bundesbodenschutzgesetz (BBodschG) kann die Parteien eines Unternehmenskaufvertrags nicht zufriedenstellen und führt ohne eine entsprechende vertragliche Absicherung bezüglich der Altlasten sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer zu erheblichen Risiken.
Für den Käufer stellt sich unter anderem das Problem, dass er bzw. die von ihm erworbenen Gesellschaft bei Altlasten als Verhaltens- und Zustandsstörer für Sanierungen von Kontaminationen herangezogen werden kann, obwohl die Kontaminationen vom Verkäufer zu verantworten sind. Der Rückgriff über den gesetzlichen Ausgleichsanspruch geht dabei bei einem Share Deal ins Leere, da das Target als eigentlicher Verhaltensstörer (und oft auch Zustandsstörer) auch nach einem Wechsel des Gesellschafters gegenüber den Behörden zur Sanierung verpflichtet bleibt.
Auch der Verkäufer kann einem Risiko ausgesetzt sein, wenn – wie nicht selten der Fall – die Kontaminationen nicht nur vom Verkäufer, sondern auch vom Käufer nach Closing verursacht werden und die Behörde in Ausübung des Auswahlermessens zum Beispiel wegen mangelnder Leistungsfähigkeit des Käufers den Verkäufer als Verursacher in voller Höhe in Anspruch nimmt. Neben den Beweisschwierigkeiten ist der Verkäufer bei der Durchsetzung des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs gegen den Käufer auch dem Insolvenzrisiko des Käufers ausgesetzt.
Gestaltungsmöglichkeiten im Unternehmenskaufvertrag – Vom Kaufpreisabzug bis zur Freistellung
Es kommen verschiedene Mechanismen in Betracht, die eine Verteilung der mit Altlasten und Umwelthaftung verbundenen Risiken zwischen Verkäufer und Käufer ermöglichen. Eine wichtige Weichenstellung ist dabei die Entscheidung, die aufgedeckten Umweltrisiken entweder bereits bei der Kaufpreisfindung zu berücksichtigen oder nachlaufend im Rahmen des Garantie- oder Freistellungsregimes zu regeln.
Bewertung im Rahmen der Kaufpreisfindung – Vendor Due Diligence/Phase I Report
Können die möglichen Risiken aus Altlasten und die Kosten der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen im Rahmen der Due Diligence ausreichend konkret identifiziert werden, besteht die Möglichkeit alle oder einzelne Themen bereits mit Unterzeichnung des Kaufvertrags bei der Kaufpreisermittlung abschließend zu regeln.
Der besondere Vorteil dieser Lösung liegt für beide Seiten darin, dass die Risiken abschließend, kalkulierbar und frühzeitig abgebildet werden können. Voraussetzung hierfür ist eine belastbare Informationsgrundlage. Diese kann der Verkäufer in Form eines Vendor Due Diligence-Reports schaffen. Auch der Käufer kann als Teil der Due Diligence im Rahmen einer sogenannten Phase I-Prüfung im begrenzten Umfang eigene Untersuchungen durchführen lassen. In der Praxis wird eine vollständige Bewertung aller Altlastenrisiken wegen des Zeitdrucks einer Transaktion oder auf Grund unzureichender Informationen jedoch selten möglich sein.
Base Line Assessment ‑ Gestaltung als Closing Condition
Eine andere Möglichkeit, die Risiken aus Altlasten außerhalb des Garantie- und Freistellungsregimes bei der Kaufpreisfindung zu berücksichtigen, ist die Durchführung eines Base Line-Assessment als Closing Condition.
Hierzu beauftragen die Parteien einen unabhängigen Gutachter mit der Prüfung der Bodenbelastungen und der Bewertung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen und legen bereits im Vorfeld fest, welches Ergebnis des Base Line-Assessment als Nichterfüllung der Closing Condition anzusehen ist.
Dieses Vorgehen hat für den Verkäufer den Vorteil, dass nachlaufende Vertragspflichten (Umweltgarantien oder -freistellungen) sowie das wirtschaftliche Risiko, dass der Käufer nach Closing auf Kosten des Verkäufers eine „Luxussanierung″ durchführt, reduziert werden. Der Käufer erhält mit dem Base Line-Assessment die Möglichkeit, auf Grundlage eines zuvor mit dem Verkäufer festgelegten Prüfungsumfangs eine eingehende Untersuchung des Grundstücks durchzuführen. Damit reduziert der Käufer sein Risiko, eine „Sondermülldeponie″ mit unabsehbaren wirtschaftlichen Belastungen zu erwerben. Zu beachten ist jedoch, dass auch bei einem Base Line-Assessment der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle spielt. Als Closing Condition ausgestaltet kann die Durchführung des Base Line-Assessment das Closing erheblich verzögern.
Umweltgarantien und Umweltfreistellung
Für die Entscheidung darüber, ob Umweltrisiken zwischen den Parteien im Rahmen des Garantieregimes oder über eine Freistellung verteilt werden sollen, spielen die Ergebnisse der Due Diligence eine entscheidende Rolle. Die Absicherung von Risiken aus Altlasten ausschließlich über das Garantieregime kommt in Betracht, wenn die Due Diligence vor Vertragsschluss keine (wesentlichen) umweltrechtlichen Risiken offenbart hat. Hat dagegen beispielsweise die Phase I-Prüfung vor Vertragsschluss konkrete Verdachtsmomente für Kontaminationen ergeben, die Sanierungsmaßnahmen nach sich ziehen könnten, sollte sich der Käufer hiergegen über eine Freistellung absichern.
In der Praxis lässt sich zunehmend die Tendenz zu einer ausführlich verhandelten Umweltfreistellungsklausel beobachten. Hierbei müssen beide Parteien angesichts der Vielzahl der Fragestellungen auf eine sorgfältige und umfassende Ausgestaltung achten, um das eigene Haftungsrisiko zu reduzieren. Eine umfassende Umweltfreistellungsklausel sollte zumindest die folgenden Komponenten regeln: den sachlichen Anwendungsbereich der Freistellung, mögliche Ausnahmen zu Gunsten des Verkäufers, eine klare Regelung zur Beweislastverteilung sowie die betragsmäßige und zeitliche Haftungsbeschränkung einschließlich eines Abfindungsverfahrens.
Fazit: Die Mischung macht’s
Die vorgestellten Gestaltungsmöglichkeiten zur Verteilung des Haftungsrisiko für Altlasten sind keine Stand-Alone-Lösungen. Vielmehr können und werden die einzelnen Mechanismen oft kombiniert. So kann ein Base Line-Assessment als Closing Condition dem Käufer (oder dem Verkäufer) zunächst die Möglichkeit geben, auf Grundlage einer konkreten Prüfung zu entscheiden, ob er mit der Transaktion fortfahren will. Die Ergebnisse des Base Line-Assessments können aber auch, wenn der Käufer von seinem Rücktrittsrecht keinen Gebrauch macht, als Grundlage für die Zuordnung von Kontaminationen und damit zur Erleichterung der Beweislast im Rahmen einer Umweltfreistellungsklausel herangezogen werden. Auch eine Entscheidung zwischen einer Garantie und einer Freistellung ist nicht zwingend – beide Mechanismen können nebeneinander eingesetzt werden.