23. März 2020
Abmahnung unberechtigt Mitverschulden
Wettbewerbsrecht (UWG)

Handle konsequent – erst recht als zu Unrecht Abgemahnter

Der Abgemahnte muss sorgfältig die Berechtigung der Abmahnung prüfen. Voreiliges oder inkonsistentes Handeln kann Schadensersatzansprüche auf Null reduzieren.

Nicht zuletzt zur Vermeidung des Prozesskostenrisikos sollte man vor gerichtlicher Geltendmachung eines Schutzrechtes oder dem Vorgehen gegen ein unlauteres Verhalten die Gegenseite abmahnen. Eine solche Abmahnung sollte allerdings wohlüberlegt sein. Stellt sich nämlich die Abmahnung später als unberechtigt heraus, hat der Abmahnende dem Abgemahnten nämlich grundsätzlich alle aus der unberechtigten Abmahnung resultierenden Schäden zu ersetzen.

Aber auch in einem solchen Fall sind die allgemeinen Grundsätze des deutschen Schadensersatzrechts zu beachten – und der zu Unrecht Abgemahnte kann schwerwiegende Fehler begehen. Aufgrund eines inkonsistenten Verhaltens in Reaktion auf die Abmahnung kann ein den Schadensersatz bis auf Null reduzierendes Mitverschulden des zu Unrecht Abgemahnten liegen, wie der BGH in seinem Urteil vom 19. September 2019 – I ZR 116/18 bestätigt.

Abgemahntes Unternehmen vernichtete Grußkarten und rief diese aus Vertriebsweg zurück

Hintergrund der Entscheidung des BGH war das Schadensersatzbegehren einer zu Unrecht wegen des Vertriebs von Grußkarten mit Hühnermotiven (chickenwings) Abgemahnten.

Diese stellte nach im Sande verlaufenen Schriftwechsel mit der Abmahnenden zunächst den weiteren Verkauf der beanstandeten Grußkarten ein, rief diese aus dem Vertriebsweg zurück und vernichtete sämtliche Grußkarten. Wenig später erhob sie dann jedoch eine negative Feststellungsklage und ließ sogar Grußkarten mit neuen – immer noch von der Abmahnung umfassten – Kartenmotiven entwerfen und drucken.

BGH: Hätte fehlende Berechtigung einer Abmahnung erkannt werden können, darf nicht voreilig gehandelt werden

Der BGH bestätigte die Ansicht der Instanzgerichte, dass ein Schadensersatzanspruch des zu Unrecht Abgemahnten durch sein Mitverschulden gemindert oder ausgeschlossen sein kann, wenn er voreilig die Produktion oder den Vertrieb einstellt, obwohl er die fehlende Berechtigung der Abmahnung hätte erkennen können. Für die Beurteilung der angemessenen Reaktion sei stets auf die Gesamtbetrachtung des Geschehens abzustellen. Der BGH kam im vorliegenden Sachverhalt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nicht nur voreilig, sondern sogar „wider besseren Wissens″ gehandelt hat.

Schon das Berufungsgericht schloss aus der Erhebung der negativen Feststellungsklage durch die Abgemahnte auf ihre Überzeugung, in der Auseinandersetzung mit der Abmahnenden zu obsiegen. Zusätzlich verwies der BGH auf die Beauftragung des Entwurfs und Drucks von Kartenmotiven, welche den bereits abgemahnten Motiven entsprachen. Dies lasse erkennen, dass sich die Abgemahnte sicher gewesen sei, mit ihrer Ware keine Rechte Dritter zu verletzen. Zudem habe sie auch nicht vorgetragen, dass die zurückgenommenen Karten unverkäuflich seien und weshalb sie einerseits diese Karten vernichtete und andererseits den Neudruck von Karten mit bereits beanstandeten Motiven beauftragte.

Jede Abmahnung genau prüfen – Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalles entscheidend

Die Entscheidung des BGH sollte Anlass dazu geben, eine erhaltene Abmahnung auf deren Berechtigung kritisch zu prüfen und die Konsequenzen einzelner Reaktionsmöglichkeiten abzuwägen.

Im ähnlichen Zusammenhang hatte der EuGH nur wenige Tage vor der Urteilsverkündung des BGH in Sachen Bayer v. Richter & Exceltis (Urteil vom 12. September 2019 – C-688/17) festgehalten, dass es mit europarechtlichen Grundsätzen und der Durchsetzungsrichtlinie vereinbar ist, dass ein Schadensersatzanspruch, der aus der Aufhebung einer vollzogenen und später wieder aufgehobenen gerichtlichen Unterlassungsverfügung resultiert, durch ein Mitverschulden des zu Unrecht in Anspruch genommenen reduziert oder ausgeschlossen wird.

Ob und in welcher Höhe sich der Schadensersatzanspruch aufgrund des Verhaltens des zu Unrecht Abgemahnten mindert, kann nicht pauschal beantwortet werden. Vielmehr sind, wie der BGH betont, die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalles entsprechend zu berücksichtigen. Entscheidend ist ein konsistentes Verhalten.

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