Im Zeitalter von Wikileaks scheint ein taugliches Rauschen im analogen wie digitalen Blätterwald nicht ohne Geheimdokumente auszukommen. Jene Ingredienz („Dutzende Unterlagen″) gepaart mit dem Wort „Schleichwerbung″ mag die gelegentlich zu gewissen Überspitzungen neigende Website „meedia″ dazu bewogen haben, ihren Bericht „Schleichwerbesumpf in der Blogger-Szene?″ als Topmeldung zu platzieren und nach dem einstweilen eher überschaubaren Medienecho (etwa hier und hier, ein Interview mit dem Initiator der Enthüllung hier) mit weiteren investigativen Erkenntnissen aufzuwarten.
Verwundert hat uns dabei weniger der auch in unserer Blog-Redaktion bekannte Gegenstand der Berichterstattung (Agentur versucht im Unternehmensauftrag, bezahlte werbliche Hinweise ohne Kennzeichnung in Blogs zu platzieren), sondern vielmehr die von meedia zitierten Stellungnahmen eines Kollegen, der an diesem Geschäftsmodell „rein rechtlich nichts auszusetzen″ hat.
Das sehen wir etwas anders.
So ist es zwar richtig, dass die Landespressegesetze ein ausdrückliches Gebot der Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten vorsehen (letztere sind als „Anzeige″ zu kennzeichnen) und der Rundfunkstaatsvertrag Schleichwerbung (§ 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV) in § 7 Abs. 7 RStV verbietet (und lediglich sog. „Produktionshilfen″ und „Produktplatzierungen″ unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, §§ 15, 44 RStV).
Einschlägige Regelungen existieren aber auch für die digitalen Medien (einschließlich der Blogosphäre) – einen rechtlichen Freibrief für diese gibt es gerade nicht: Das Trennungsgebot ergibt sich aus § 58 Abs. 1 RStV; überdies sieht das Telemediengesetz in § 6 Abs. 1 TMG besondere Informationspflichten bei kommerziellen Kommunikationen vor. Diese Pflichten sind – anders als die Vorschriften zur Anbieterkennzeichnung (vulgo „Impressum″) nach § 5 Abs. 1 TMG – auch nicht auf „geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien″ beschränkt, sondern von jedem Diensteanbieter im Sinne von § 2 Abs. 1 TMG zu erfüllen. Dieser muss sicherstellen, dass kommerzielle Kommunikationen „klar als solche zu erkennen″ sind und „die natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag kommerzielle Kommunikationen erfolgen (…), klar identifizierbar″ ist. Auch die Definition der „kommerziellen Kommunikation″ in § 2 Nr. 5 TMG bietet keine grundsätzliche Ausnahme für unter privater Flagge segelnde Blogger, denn erfasst ist
„jede Form der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren, Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer sonstigen Organisation oder einer natürlichen Person dient, die eine Tätigkeit im Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen freien Beruf ausübt (…)″,
die mit finanzieller Gegenleistung erfolgt (arg. § 2 Nr. 5 b) TMG).
Ungeachtet des Mediums – also ggf. auch außerhalb von Presse, Rundfunk und Telemedien – gilt überdies die wettbewerbsrechtliche Spielart des Trennungsgebots: Nach § 4 Nr. 3 UWG ist es insbesondere unlauter, den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen zu verschleiern.
Nichts anderes dürfte die Absicht der Initiatoren des „Schleichwerbesumpfs″ in der Blogger-Szene und ihrer Auftraggeber gewesen sein, die dem Vernehmen nach den betroffenen Bloggern vertraglich auferlegten, die zu platzierenden Links „nicht als Werbeanzeige oder ähnliches″ zu kennzeichnen. Da ist es auch unerheblich, dass dieses Vorgehen als juristisch unbedenkliche „kommerzielle PR-Kooperation″ oder als übliches Verfahren zur Suchmaschinenoptimierung schöngeredet wird.
Die ersten Blogger haben übrigens bereits mit Ehrenerklärungen reagiert – recht so!
Update 31.01.2011: Die Kollegen von LBR befassen sich mit den neuesten Entwicklungen in der Sache; Kollege Dr. Bahr weist zu recht auf die „grausame Rechts-Unkenntnis″ eigentlich anerkannter Medien hin. Die Wirtschaftswoche hat ihren Online-Artikel nach einem Hinweis des Kollegen Henning Krieg (in den dortigen Kommentaren) mittlerweile korrigiert.