12. Januar 2017
MVZ Medizinisches Versorgungszentrum
Healthcare

Kommunale Trägerschaft von Medizinischen Versorgungszentren

Ambulante medizinische Versorgung im ländlichen Raum soll durch kommunale Trägerschaft von Medizinischen Versorgungszentren sichergestellt werden.

Im Sommer 2015 ist das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (BGBl. 2015 I, S. 1211) in Kraft getreten. Es sieht einige interessante Neuerungen in Bezug auf die kommunale Trägerschaft von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) vor, mit Hilfe derer der Gesetzgeber es den Kommunen ermöglichen will, der medizinischen Unterversorgung insbesondere in ländlichen Regionen entgegenzutreten.

Gute Rahmenbedingungen für die Einzelpraxis müssen nach Auffassung des Gesetzgebers einhergehen mit mehr Möglichkeiten gemeinschaftlicher Berufsausübung in Gestalt Medizinischer Versorgungszentren. Diese sind für die Versorgung der Patienten hilfreich, da Wege gespart, Befunde schneller abgeklärt und Versorgung aus einer Hand ermöglicht werden können. Gleichzeitig ist die Anstellung in einem Medizinischen Versorgungszentrum für junge Berufseinsteiger eine attraktive Alternative zur Selbstständigkeit.

Trägerorganisation eines MVZ

Bislang war es kommunalen Krankenhäusern in der Rechtsform einer AG oder in der öffentlich-rechtlichen Organisationsform nicht möglich, ein MVZ zu betreiben. Nun hat der Gesetzgeber Abhilfe geschaffen: Über die neu in das SGB V eingeführten Bestimmungen ist den Kommunen selbst nun die Möglichkeit eröffnet, MVZ in der öffentlich-rechtlichen Rechtsform Eigenbetrieb, Regiebetrieb oder Anstalt des öffentlichen Rechts (kommunale Anstalt/Kommunalunternehmen) zu gründen und zu betreiben.

Früher waren Kommunen gezwungen, gesonderte Trägerorganisationen in der zulässigen Rechtsform – regelmäßig eine GmbH – zu unterhalten. Dafür ist gem. § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V allerdings erforderlich, dass die Gesellschafter eine selbstschuldnerische Bürgschaft gem. § 773 BGB für Forderungen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gegen ein MVZ aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit vorlegen. Die Erklärung einer solchen Bürgschaft ist öffentlich-rechtlichen Trägern jedoch nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Außerdem erschwert die Haftungsbeschränkung einer juristischen Person des Privatrechts die Kreditaufnahme.

Der Gesetzgeber hat diese praktischen Schwierigkeiten einer Gründung eines MVZ in privatrechtlicher Rechtsform erkannt und durch das GKV-VSG weitere Betriebsformen ermöglicht.

Vielfältige Ausgestaltung kommunaler Trägerschaft eines MVZ möglich

Die Kommune kann sich u.a. der Betriebsform des Eigenbetriebes bedienen, mit der Folge, dass die Kommune selbst Träger des MVZ ist. Darüber hinaus kann ein MVZ auch durch eine von der Kommune gegründete oder durch Umwandlung eines Eigen- bzw. Regiebetriebs entstandene rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts getragen werden. Hierbei gilt es je nach Betriebsform Besonderheiten in Bezug auf Errichtung sowie Organstruktur zu beachten. Bei der Betriebsform eines Eigenbetriebs handelt es sich beispielsweise um ein Sondervermögen der jeweiligen Gemeinde. Der Eigenbetrieb wird mittels Beschluss über seine Errichtung durch das zuständige Vertretungsorgan gebildet.

Die Betriebssatzung ist seine rechtliche Grundlage. Organe des Eigenbetriebs sind die Werkleitung, die die Unabhängigkeit des Eigenbetriebs von der Gemeinde gewährleistet, und der Hauptverwaltungsbeamte, der wiederum ein Weisungsrecht gegenüber der Werkleitung hat.

Anstalten des öffentlichen Rechts sind hingegen rechtsfähig und können selbst Träger von Rechten und Pflichten sein. Die wirksame Errichtung erfordert den Erlass und die Bekanntgabe einer Unternehmenssatzung. Organe der Anstalt sind der Vorstand, der die Anstalt vertritt, und der Verwaltungsrat, der den Vorstand bestellt und abberufen kann.

Haftung der Kommune als Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums

Wenn sich die Kommune für die Betriebsform eines Eigen- oder Regiebetriebes entscheidet, wird alleine die Kommune als Trägerin eines MVZ verpflichtet – ein Umstand, der die rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts vorzugswürdig erscheinen lässt. Bei dieser bestehen einerseits die sog. Gewährträgerhaftung der Kommune, wenn keine Befriedigung aus dem Vermögen zu erlangen ist, und andererseits die sog. Anstaltslast, also die Verpflichtung der Kommune, die Anstalt mit ausreichenden finanziellen Mitteln auszustatten.

Soweit es um eine übergeleitete Haftung auf die öffentliche Hand gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG geht, setzt dies eine hoheitliche Tätigkeit voraus. Bei kommunalen Unternehmen bzw. einer Anstalt des öffentlichen Rechts ist eine solche nicht gegeben, soweit ein Handeln im privatrechtlichen Geschäftskreis vorliegt.

Schnittstellen zum Vergabe- sowie zum Beihilfenrecht

Im Hinblick auf das Vergaberecht handelt es sich sowohl bei der Betriebsform des Regie- und Eigenbetriebs als auch bei der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts um eine öffentliche Auftraggeberin, die die Anwendung des Kartellvergaberechts (§§ 97 ff. GWB) voraussetzt.

Allerdings: Wenn ein öffentlicher Auftraggeber einen öffentlichen Auftrag zu vergeben beabsichtigt, ist im Fall einer sogenannten „In-House-Vereinbarung″ (§ 108 I GWB) das Kartellvergaberecht unanwendbar, da eine solche Vereinbarung „vergaberechtsfrei″ ist. Ferner sind beihilferechtliche Gesichtspunkte zu beachten. Denn soweit ein wirksamer Betrauungsakt vorliegt, der den Anforderungen einer Freistellungsentscheidung genügt, können Kommunen von der Pflicht freigestellt werden, Zuwendungen bei der Kommission anzumelden. Dies ist etwa der Fall, wenn Kommunen auf der Grundlage eines Betrauungsaktes Verluste von Kreiskliniken ausgleichen, wenn diese in den Krankenhausplan aufgenommen sind.

Fazit: Stärkung kommunaler Trägerschaft zu begrüßen

Im Ergebnis ist die Stärkung kommunaler Trägerschaft von Medizinischen Versorgungszentren gerade betreffend unterversorgter Gebiete zu begrüßen. Sie gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Neuerungen durch den Gesetzgeber dazu beitragen werden, ländliche Unterversorgung zu reduzieren.

Tags: Medizinisches Versorgungszentrum MVZ