25. November 2021
Koalitionsvertrag Insolvenz
Ampel 21 – Auswirkungen des Koalitionsvertrages

Koalitionsvertrag – Neues auf der Dauerbaustelle InsO?

Der Koalitionsvertrag der Ampel enthält nur einige Bezugspunkte zum Insolvenzrecht. Maßgebliche Änderungen sind nur auf europäischer Ebene geplant.

Am 24. November 2021 ist der lang erwartete Koalitionsvertrag der zukünftigen Regierung veröffentlicht worden. Er enthält nur an einigen Stellen Themen mit Insolvenzrechtsbezug, die nachfolgend kurz dargestellt werden sollen.

Entlastung von Selbstständigen bei Krankenversicherungsbeiträgen und Alterssicherung in Planung

Die Koalition will Selbstständige dadurch entlasten, dass Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung oberhalb der Minijobgrenze nur noch strikt einkommensbezogen erhoben werden. Neue Selbstständige, die in keinem obligatorischen Alterssicherungssystem versichert sind, soll künftig eine Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit treffen. 

Selbstständige sind in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, sofern sie nicht per Opt-out ein privates Vorsorgeprodukt wählen. Dieses müsse insolvenz- und pfändungssicher sein und zu einer Absicherung oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen. 

Koalition verfolgt das Ziel, Verbraucher stärker zu schützen

Ziel der Koalition ist es, die Schuldner- und Insolvenzberatung auszubauen; dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Vergabe von Verbraucherkrediten.

Auf EU-Ebene wird sie sich dafür einsetzen, dass der Schutz vor Überschuldung durch nicht marktgerechte Zinsen und Wucher bei sämtlichen Darlehensformen gestärkt und irreführende Werbung verboten wird. Die Kosten für Vorfälligkeitsentschädigungen sollen auf das Angemessene begrenzt, der faire Zugang zu einem Basiskonto soll sichergestellt und Transparenz geschaffen werden. Zudem sei es Aufgabe der Koalition, die behördliche Aufsicht über Inkassounternehmen zu bündeln.

Auch Flugreisen sollen der Insolvenzabsicherung unterliegen

Flugreisen sollen künftig der Pauschalreise-Richtlinie bezüglich der Insolvenzabsicherung unterliegen. Entschädigungs- oder Ausgleichszahlungen sollen bei allen Verkehrsträgern automatisiert werden.

Koalition setzt sich für eine Initiative für ein kodifiziertes internationales Staateninsolvenzverfahren ein

Die Koalition möchte zudem einen neuen internationalen Schuldenmanagementkonsens in Form einer Initiative für ein kodifiziertes internationales Staateninsolvenzverfahren erzielen. Das Verfahren soll alle Gläubiger miteinbeziehen und Schuldenerleichterungen für besonders gefährdete Ländergruppen umsetzen. 

Die Eigeneinnahmen der Partnerländer sollen erhöht und Steuerflucht soll bekämpft werden. Hierzu wird die Koalition effektive und transparente Steuersysteme fordern und fördern, die auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eliten einbeziehen.

Weiteres erklärtes Ziel der Koalition: Stärkung des europäischen Banken- und Kapitalmarktes

Die Koalition wird sich für einen leistungsstarken europäischen Banken- sowie Kapitalmarkt einsetzen, der durch Wettbewerb und Vielfalt der Geschäftsmodelle geprägt ist. Die Kapitalmarktunion sei zu vertiefen. In diesem Kontext wird sich die Koalition auf EU-Ebene dafür einsetzen, Unterschiede im Insolvenz-, Steuer-, Verbraucherschutz-, Aufsichts- und Gesellschaftsrecht zu reduzieren. 

Ausblick: Auswirkung auf das Insolvenz- und Sanierungsrecht und Unternehmensinsolvenzen

Die angesprochenen Regelungen betreffen auf nationaler Ebene fast ausschließlich Privatpersonen. Im Hinblick auf Unternehmensinsolvenzen schweigt der Koalitionsvertrag. Die Insolvenzordnung wird gerne als „Dauerbaustelle“ bezeichnet, weil sie in den letzten Jahrzehnten immer wieder, teils tiefgreifend (Stichwort: ESUG), reformiert wurde. Aktuell stehen wir größten Herausforderungen in der Wirtschaft gegenüber (Klimakrise, Digitalisierung, Fachkräftemangel, Corona), die zur Marktbereinigung führen werden. Kann das derzeitige Sanierungs- und Insolvenzrecht diesen aktuellen Gegebenheiten gerecht werden? Das StaRUG wurde im Hauruckverfahren im letzten Jahr verabschiedet und sollte wenigstens evaluiert und auf Anpassungsbedarf hin untersucht werden. Auch ist offen, ob es ein Berufsrecht für Insolvenzverwalter geben soll.

Der Koalitionsvertrag setzt eine Ebene höher an. Unterschiede im Insolvenzrecht auf EU-Ebene sollen reduziert werden. Das kann vieles bedeuten, bis hin zu einer Abschaffung des Insolvenzgrunds der Überschuldung. Die Überschuldung kennen zwar einige, aber weitaus nicht alle EU-Mitgliedstaaten. Die Abschaffung wird auf nationaler Ebene von einigen namhaften Stimmen seit langem gefordert – und hat vor allem im Hinblick auf die mit dem Vorliegen der Überschuldung verbundenen Unsicherheiten großen Charme. Der Gesetzgebungsprozess zur Restrukturierungsrichtlinie hat aber gezeigt, wie schwierig eine Harmonisierung materiellen Insolvenzrechts ist.

Es wird sich zeigen, ob die zukünftige Regierung der Dauerbaustelle etwas Ruhe gönnen wird und kann. 

In unserer Blog-Serie zu den Auswirkungen des Koalitionsvertrags informieren wir Sie vertieft über die genannten und weitere spannende Themen, die uns in den nächsten vier Jahren beschäftigen werden.

Tags: Insolvenz Koalitionsvertrag Restrukturierung und Insolvenz