2026 steht die nächste Betriebsratswahl an: Was sind die häufigsten Fehler von Wahlvorständen bei der Vorbereitung und Durchführung der Betriebsratswahl?
2026 steht die nächste turnusmäßige Betriebsratswahl an, die durch den Wahlvorstand* vorbereitet und durchgeführt wird. Der Wahlprozess ist hochformalisiert und fehleranfällig. Schon vermeintlich kleine Fehler können zur Anfechtbarkeit der gesamten Wahl führen. Die Wahlvorstände tappen in der Praxis immer wieder in die gleichen Stolperfallen. Wir haben die zehn häufigsten Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung von Betriebsratswahlen zusammengestellt, die Arbeitgeber kennen sollten, um eine ordnungsgemäße Betriebsratswahl zu gewährleisten.
1. Fehler: Verkennung des Betriebsbegriffs
Anknüpfungspunkt für die Betriebsratswahlen ist der „Betrieb“. Für jeden Betrieb wird ein Betriebsrat gewählt. In der Praxis kann es zwischen dem Wahlvorstand und dem Arbeitgeber aber zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, was genau der Betrieb ist.
Beispielsweise kann ein Arbeitgeber über zwei getrennte Betriebe verfügen, die der Wahlvorstand allerdings als einen einheitlichen Betrieb bewertet. Der Wahlvorstand würde in diesem Fall fehlerhaft die Wahl eines Betriebsrats auf beide Betriebe des Arbeitgebers erstrecken. Das hätte erhebliche weitere Fehler zur Folge: Es würden die falschen Arbeitnehmer als passiv und aktiv wahlberechtigt angesehen werden und eine höhere Anzahl an Betriebsratsmitgliedern als eigentlich nach § 9 BetrVG vorgesehen ist, gewählt werden.
2. Fehler: Falsche Ermittlung der Arbeitnehmerzahl
Unstimmigkeiten zwischen Wahlvorstand und Arbeitgeber bestehen häufig auch bezüglich der Frage, wie viele wahlberechtigte Arbeitnehmer in dem Betrieb in der Regel beschäftigt sind. Schließlich ist die Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer für die Größe des künftigen Betriebsrats maßgeblich.
Zu Fehlern kann es hier beispielsweise dadurch kommen, dass Personen mitgezählt werden, die nicht wahlberechtigt sind. Das gilt neben Geschäftsführern und leitenden Angestellten insbesondere für freie Mitarbeiter oder Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit. Maßgeblich für die Bestimmung der Betriebsratsgröße im Sinne des § 9 BetrVG ist zudem die Zahl der in der Regel im Betrieb beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmer. Entscheidend ist also die Personalstärke, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist. Zufällige oder nur vorübergehende Schwankungen bleiben unberücksichtigt.
3. Fehler: Fehlbewertung des aktiven und passiven Wahlrechts
Der Wahlvorstand muss bei der Aufstellung der Wählerliste sorgfältig prüfen, wer wahlberechtigt ist und wer wählbar ist. Dabei gilt der Grundsatz, dass alle Arbeitnehmer des Betriebs wahlberechtigt sind, die das 16. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 Satz 1 BetrVG). Wählbar sind grundsätzlich alle aktiv Wahlberechtigten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und sechs Monate dem Betrieb angehören (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Zu den Fragen, die sich in diesem Zusammenhang regelmäßig stellen, gehören insbesondere die folgenden:
Darf ein gekündigter Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl teilnehmen? Die richtige Antwort, die in der Praxis zum Teil verkannt wird, lautet: Ja, wenn die Kündigung zwar schon ausgesprochen wurde, die Kündigungsfrist aber noch nicht abgelaufen ist.
Können Leiharbeitnehmer im Betrieb des Entleihers an der Betriebsratswahl teilnehmen? Die richtige Antwort lautet: Ja, wenn ihr Einsatz dort länger als drei Monate dauert. Maßgeblich ist eine Prognoseentscheidung, die sich in der Regel am Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher orientiert.
Darf ein Arbeitnehmer, der sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet, an der Betriebsratswahl teilnehmen? Hier lautet die richtige Antwort: Nein. Er ist nicht wahlberechtigt, da er nicht mehr in den Betrieb eingegliedert ist.
Im Mai 2025 hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr die Frage bejaht, ob Führungskräfte in Matrix-Strukturen auch in dem Betrieb mitwählen dürfen, in dem sie Arbeitnehmer führen. Sie können in der Folge in mehreren Betrieben wahlberechtigt sein, und zwar sowohl im Stammbetrieb, dem sie organisatorisch zugeordnet sind, als auch in den Betrieben, in denen sie Arbeitnehmer fachlich führen (BAG, Beschluss v. 22. Mai 2025 – 7 ABR 28/24)
4. Fehler: Unrichtige Bestellung des Wahlvorstands
Auch bei der Bestellung des Wahlvorstands läuft nicht immer alles fehlerfrei. In Betrieben mit Betriebsrat bestellt dieser den Wahlvorstand. Der Wahlvorstand besteht dabei mindestens aus drei Mitgliedern, die wahlberechtigt sein müssen (§ 16 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Bei der Bestellung sind die häufigsten Fehler:
- Bestellung von weniger als drei Mitgliedern;
- Bestellung einer geraden Anzahl von Mitgliedern (§ 16 Abs. 1 S. 3 BetrVG);
- Bestellung von nicht wahlberechtigten Mitgliedern.
Der Betriebsrat muss den Wahlvorstand zudem rechtzeitig bestellen. Im normalen Wahlverfahren muss der Wahlvorstand spätestens zehn Wochen vor Ablauf der Amtszeit des amtierenden Betriebsrats bestellt werden. Im vereinfachten Wahlverfahren hat dies spätestens vier Wochen vor Ablauf der Amtszeit zu erfolgen. Wird der Betriebsrat nicht rechtzeitig tätig, kann der Wahlvorstand vom Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat oder Arbeitsgericht bestellt werden. Auch eine frühere Bestellung ist möglich. Problematisch wird es jedoch, wenn der Wahlvorstand deutlich zu früh bestellt wird. Erfolgt die Bestellung mehr als doppelt so früh wie nach der gesetzlichen Mindestfrist vorgesehen, kann dies im Ausnahmefall für einen Rechtsmissbrauch sprechen, z.B. um den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG bereits zu einem vorgezogenen Zeitpunkt herbeizuführen. Die Bestellung des Wahlvorstandes ist dann unwirksam und der besondere Kündigungsschutz entfällt.
5. Fehler: Unrichtiges Wahlausschreiben
Besondere Sorgfalt bedarf auch der Erlass und die Einhaltung der inhaltlichen Anforderungen des Wahlausschreibens. Dieses muss mindestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe vom Wahlvorstand erlassen werden. Die inhaltlichen Mindestangaben sind in § 3 Abs. 2 WO festgelegt. In der Praxis werden im Wahlausschreiben Angaben häufig fehlerhaft oder gar nicht gemacht. Wir empfehlen insbesondere zu prüfen, ob
- die erforderliche Anzahl an Stützunterschriften für einen gültigen Wahlvorschlag,
- die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder
- und die Geschlechterverteilung im Betrieb und im zu wählenden Betriebsrat
korrekt angegeben wurde.
Das Wahlausschreiben muss außerdem in richtiger Art und Weise bekannt gemacht werden. Das bedeutet, dass zu gewährleisten ist, dass alle Wahlberechtigten Kenntnis davon nehmen können, bis die Stimmabgabe abgeschlossen ist. In Betrieben mit mehreren Betriebsstätten ist sicherzustellen, dass das Wahlausschreiben in jeder Betriebsstätte ausgehängt wird. Wird es aktualisiert, müssen alle zuvor ausgehängten Exemplare ersetzt werden. Eine ausschließliche elektronische Bekanntmachung, beispielsweise im Intranet, ist grundsätzlich dann möglich, wenn alle Wahlberechtigten Zugriff darauf haben und sichergestellt ist, dass nur der Wahlvorstand Änderungen vornehmen kann. Eine Bekanntmachung ausschließlich per E-Mail reicht hingegen nicht aus. Erforderlich ist, dass das Wahlausschreiben an einer zentralen Stelle, körperlich oder virtuell, bekannt gemacht wird.
6. Fehler: Falsches Wahlverfahren
Manchmal kommt es vor, dass der Wahlvorstand das falsche Wahlverfahren für die Betriebsratswahl auswählt. Welches Verfahren zur Anwendung kommt, hängt von der Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer ab. In Betrieben mit bis zu 100 Wahlberechtigten ist das vereinfachte Wahlverfahren durchzuführen.
Betriebe mit 101 bis 200 Wahlberechtigten wenden grundsätzlich das normale Wahlverfahren an. Arbeitgeber und Wahlvorstand können jedoch die Durchführung des vereinfachten Verfahrens vereinbaren (§ 14a Abs. 5 BetrVG). Wichtig dabei: Eine Vereinbarung zwischen den falschen Beteiligten, zum Beispiel zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, ist unwirksam. In einem solchen Fall wäre die anschließende Durchführung der Wahl im vereinfachten Verfahren fehlerhaft.
In Betrieben mit mehr als 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern ist zwingend das normale Wahlverfahren einzuhalten. Abweichende Vereinbarungen sind hier nicht möglich.
7. Fehler: Unzulässige Wahlbeeinflussung durch Verstöße gegen das Neutralitätsgebot
Arbeitgeber dürfen die Betriebsratswahl nicht durch Verstöße gegen ihre Neutralitätspflicht beeinflussen. Das bedeutet jedoch nicht, dass bereits jedes Verhalten, das nicht vollkommen neutral erscheint, die Wahl anfechtbar macht. So muss sich ein Arbeitgeber beispielsweise nicht jeder kritischen Äußerung über den bestehenden Betriebsrat enthalten. Eine klare Grenze ist allerdings erreicht, wenn unwahre Behauptungen aufgestellt oder strafbare Beleidigungen ausgesprochen werden. Auch Sympathiebekundungen für Kandidaten sind erlaubt. Ebenso zulässig ist es, wenn der Arbeitgeber Arbeitnehmer motiviert, sich für die Wahl aufstellen zu lassen. Unzulässig wird es jedoch, sobald Vorteile versprochen oder gewährt werden. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Beförderung in Aussicht stellt, falls dieser sich zur Wahl aufstellt.
8. Fehler: Missachtung der Fristen
Betriebsratswahlen sind streng formalisiert und an zahlreiche Fristen gebunden. Diese Fristen werden in der Praxis durch den Wahlvorstand zum Teil falsch berechnet bzw. nicht immer eingehalten. Zu den wichtigsten Fristen zählen:
- Erlass des Wahlausschreibens: Spätestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe muss der Wahlvorstand das Wahlausschreiben erlassen. Gleichzeitig sind die Wählerlisten auszulegen.
- Einreichung von Wahlvorschlägen: Wahlvorschläge müssen innerhalb von zwei Wochen nach Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand eingereicht werden.
- Bekanntmachung der Vorschlagslisten: Spätestens eine Woche vor dem ersten Tag der Stimmabgabe müssen die gültigen Vorschlagslisten ausgehängt werden.
9. Fehler: Unzureichende Information ausländischer Arbeitnehmer
Ein oft übersehener Aspekt bei Betriebsratswahlen ist die Information von Arbeitnehmern, die der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind. Der Wahlvorstand soll diese Beschäftigten vor Einleitung der Wahl in geeigneter Weise über das Wahlverfahren, die Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten, den Wahlvorgang sowie die Stimmabgabe informieren. In der Praxis geschieht dies jedoch häufig nicht oder nicht vollständig. Wichtig ist: Von der Verständigung im Arbeitsalltag darf nicht automatisch auf ausreichende Deutschkenntnisse für die Betriebsratswahl geschlossen werden (so zuletzt: LAG Düsseldorf, Beschluss v. 12. Januar 2024 – 10 TaBV 51/23). Die Sprachkenntnisse müssen vielmehr so weit reichen, dass die komplexen Wahlvorschriften verstanden werden können. Um seiner Pflicht nachzukommen, sollte der Wahlvorstand die Aushänge im Zusammenhang mit der Wahl auch in den Sprachen veröffentlichen, die von den betroffenen ausländischen Arbeitnehmern tatsächlich verstanden werden. Hier sollten Arbeitgeber den Wahlvorstand unterstützen.
10. Fehler: Unrichtige Ermittlung und Bekanntmachung des Wahlergebnisses
Auch die Ermittlung und Bekanntgabe des Wahlergebnisses unterliegen strengen Formalien. Unverzüglich nach Abschluss der Stimmabgabe muss der Wahlvorstand die Stimmen öffentlich auszählen. Ein Fehler bei der Ergebnisermittlung liegt zum Beispiel dann vor, wenn während der Stimmauszählung Betriebsangehörige des Raumes verwiesen werden oder wenn der für die Betriebsöffentlichkeit vorgesehene Bereich zu klein ist, um eine ausreichende Beobachtung der Stimmauszählung zu ermöglichen (Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss v. 23. Januar 2024 – 3 TaBV 9/23). Denn sowohl die Öffnung der Wahlurne als auch die Auszählung müssen öffentlich erfolgen.
Nach der Auszählung sind die Gewählten über ihre Wahl zu informieren. Jeder Gewählte hat drei Arbeitstage Zeit, die Wahl abzulehnen. Erfolgt innerhalb der Frist keine ausdrückliche Ablehnung, gilt die Wahl als angenommen. Lehnt ein Gewählter ab, muss der Wahlvorstand den richtigen Nachrücker ermitteln. Erst wenn endgültig feststeht, wer gewählt ist und die Wahl auch angenommen hat, darf das Wahlergebnis offiziell bekannt gemacht werden.
Rechtsfolgen von Fehlern: Anfechtbarkeit und Nichtigkeit der Betriebsratswahl
Fehler im Wahlverfahren können je nach ihrer Schwere zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der Betriebsratswahl führen.
Fazit: Fehler erkennen, Folgen prüfen
Der Arbeitgeber sollte Fehler des Wahlvorstandes ggf. frühzeitig bei diesem ansprechen. So hat der Wahlvorstand die Möglichkeit, etwaige Fehler zu korrigieren und die Betriebsratswahl rechtssicher durchzuführen. Das erhöht die Akzeptanz des Betriebsrats bei den Arbeitnehmern und vermeidet möglicherweise die Anfechtung der Betriebsratswahl. Sollten die Fehler allerdings zu gravierend sein, kann der Arbeitgeber die Wirksamkeit der Betriebsratswahl erforderlichenfalls auch gerichtlich überprüfen lassen.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.