4. November 2025
Betriebsratswahl 2026 digital analog
Betriebsratswahl 2026 – Was Arbeitgeber jetzt wissen müssen

Online-Stimmabgabe bleibt Zukunftsmusik – Betriebsratswahl 2026 erneut nur analog

Möglichkeit der „digitalen Stimmabgabe“ gesetzlich weiterhin nicht vorgesehen – auch die Briefwahl bleibt die Ausnahme zur Urnenwahl. 

Der Reformbedarf ist offensichtlich. Dennoch liegt bislang weder ein konkreter Gesetzesentwurf vor noch ist gar mit dem Abschluss eines entsprechenden Gesetzgebungsverfahrens vor Start der „Wahlsaison“ 2026 zu rechnen.  

Die im Vergleich zur Urnenwahl „moderne“ Variante bleibt also weiterhin die Briefwahl. Hier lauern erhebliche – potentiell zur Anfechtbarkeit der Wahlen führende – Fallstricke  

Denn auch im Zeitalter von flächendeckendem Homeoffice bleibt die Briefwahl im Ausgangspunkt bei Betriebsratswahlen weiterhin die Ausnahme gegenüber der Urnenwahl. Hinsichtlich der korrekten Durchführung von Briefwahlen bedarf es umfassender Kenntnis der Wahlordnung und der diesbezüglichen Rechtsprechung. 

Im vergangenen Jahr hat sich das Bundesarbeitsgericht gleich zweimal mit der Briefwahl und einer damit verbundenen Wahlanfechtung auseinandergesetzt.

Bevor auf die Hintergründe der Entscheidungen einzugehen ist, ein paar Basics zu der Rolle des Wahlvorstands bei Betriebsratswahlen: 

Der Wahlvorstand als „Herr der Betriebsratswahl“

Die Durchführung einer jeden Betriebsratswahl obliegt dem Wahlvorstand, § 18 Abs. 1 BetrVG. Ein solcher Wahlvorstand wird in Betrieben mit Betriebsrat spätestens zehn Wochen vor Ablauf der Amtszeit von dem Betriebsrat bestellt, § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Besteht acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats noch kein Wahlvorstand, so kann auch der Gesamtbetriebsrat oder der Konzernbetriebsrat oder auf Antrag von mindestens drei Wahlberechtigten oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft auch das Arbeitsgericht einen Wahlvorstand bestellen. In Betrieben ohne Betriebsrat bestellt der Gesamtbetriebsrat oder der Konzernbetriebsrat den Wahlvorstand, § 17 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Bestehen auch solche Gremien nicht, so wird in einer Betriebsversammlung von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer* ein Wahlvorstand gewählt. Auch hier gibt es – etwa wenn die Betriebsversammlung sich nicht auf einen Wahlvorstand einigen kann – die Möglichkeit der Bestellung durch das Arbeitsgericht. 

Der Arbeitgeber hat auf die Bestellung eines Wahlvorstands in keinem Szenario Einfluss.   

Die Anzahl der Mitglieder im Wahlvorstand muss ungerade sein – in der Regel besteht er jedenfalls in kleineren und mittelgroßen Bertrieben aus drei, manchmal fünf Personen. Der Betriebsrat kann – ohne die Zustimmung des Arbeitgebers – eine Vergrößerung des Wahlvorstands beschließen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist. Die Erforderlichkeit ist als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich nachprüfbar, wobei insbesondere die betrieblichen Verhältnisse (Größe des Betriebes; Schichtsystem, räumliche Entfernung der Betriebsteile) und die nach § 12 Abs. 2 WO BetrVG, vorgeschriebene Mindestzahl von zwei Wahlvorstandsmitgliedern im Wahlraum zu berücksichtigen sind (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil v. 11. September 2019 – 13 TaBV 85/18). Solche Überprüfungen sind in der Regel aber langwierigen Hauptsacheverfahren vorbehalten. 

Verantwortung des Wahlvorstandes

Kernaufgabe des bestellten Wahlvorstands ist dann, die Wahl unverzüglich einzuleiten, sie durchzuführen und das Wahlergebnis festzustellen, § 18 Abs. 1 BetrVG. Der Wahlvorstand ist „Herr des Verfahrens“, § 1 Abs. 1 WO. Das nähere Verfahren der Wahl regelt die Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz (WO BetrVG).  

Bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl kann es zu zahlreichen Fehlern kommen, die die Anfechtung (oder ausnahmsweise, d. h. letztlich bei besonders krassen Fehlern, auch die Nichtigkeit) der Betriebsratswahl begründen. 

Briefwahl ist auch im Jahr 2025 die Ausnahme zur Urnenwahl 

Auch eine Verletzung der Vorschriften zur schriftlichen Stimmabgabe (§§ 24 ff. WO BetrVG) kann die Anfechtung einer Betriebsratswahl begründen.  

Grundsätzlich erfolgt die Stimmabgabe bei einer Betriebsratswahl durch Abgabe von Stimmzetteln, die persönlich in die Wahlurne eingeworfen werden, §§ 11 Abs. 1 Satz 2, 12 Abs. 3 WO BetrVG. Aufgrund der einschränkenden Voraussetzungen des § 24 WO BetrVG ist die schriftliche Stimmabgabe nach wie vor als Ausnahme von der Urnenwahl zu verstehen. Lediglich für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, kann der Wahlvorstand eine generelle Briefwahl beschließen, § 24 Abs. 3 WO BetrVG. Hierunter fallen aber nicht alle außerhalb des umschlossenen „Werkgeländes“ liegenden Betriebsteile und Kleinstbetriebe. Es kommt darauf an, dass diese „räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind“. Dabei ist maßgeblich, ob es den Arbeitnehmern zumutbar ist, im Hauptbetrieb persönlich ihre Stimme abzugeben. Eine etwaige Unzumutbarkeit der persönlichen Stimmabgabe kann aus der geografischen Entfernung und dem daraus resultierenden wegebedingten Zusatzaufwand folgen (vgl. BAG, Urteil v. 16. März 2022 – 7 ABR 29/20). Außerdem ist Voraussetzung dafür, dass es einen „Hauptbetrieb“ gibt. Dies war bei einer sehr großen, aus vielen Filialen bestehenden Lebensmittel-Discountkette nicht der Fall. Das BAG (Beschluss v. 22. Januar 2025 –7 ABR 23/23) hielt die Briefwahlen deswegen für ungesetzlich. Selbst wenn es keinen Hauptbetrieb gibt, kann die Briefwahl nicht einfach angeordnet werden, denn eine „analoge Anwendung“ von § 24 Abs. 3 WO unzulässig.

Im Übrigen ist die schriftliche Stimmabgabe nur zulässig, wenn ein Arbeitnehmer zur Zeit der Wahl voraussichtlich nicht im Betrieb sein kann und deshalb an der persönlichen Stimmabgabe verhindert ist. Dabei ist danach zu unterscheiden, ob sich die Abwesenheit aus der „Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses“ ergibt. Ist dies der Fall, hat der Wahlvorstand die Briefwahlunterlagen von Amts wegen dem Arbeitnehmer zu übergeben oder zuzusenden, § 24 Abs. 2 WO BetrVG. Andernfalls ist ein konkretes Verlangen des einzelnen Arbeitnehmers erforderlich, § 24 Abs. 1 WO BetrVG. 

Briefwahlverlangen durch Arbeitnehmer muss nicht mehr konkret begründet werden

Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Januar 2025 (7 ABR 1/24) muss ein solches konkretes Verlangen nicht mehr begründet werden. Die Vorinstanz hatte noch die Ansicht vertreten, dass Arbeitnehmer ihren Antrag auf Briefwahl zumindest darauf stützen müssten, dass sie im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb (voraussichtlich) verhindert seien (Hessisches LAG, Urteil v. 20. November 2023 – 16 TaBV 83/23). 

Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu – lebensnah – festgestellt, dass der Wahlvorstand bei einem von dem Wahlberechtigten geäußerten Verlangen nach der Aushändigung oder Übersendung von Briefwahlunterlagen grundsätzlich davon ausgehen könne, dass der Wahlberechtigte im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert ist. Das Verlangen unterliege keinen besonderen Formanforderungen und bedürfe prinzipiell weder einer näheren Begründung noch einer Plausibilitätsüberprüfung durch den Wahlvorstand. Lediglich für den Fall, dass sich dem Wahlvorstand Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen aufdrängen, kann dieser den Wahlberechtigten zu einer entsprechenden Erklärung auffordern. Eine solche Überprüfungspflicht wird etwa bei einem Briefwahlverlangen ausgelöst, von dem ein Wahlvorstandsmitglied weiß, dass der verlangende Wahlberechtigte am Wahltag im Betrieb anwesend sein wird. 

Insgesamt soll nach aktueller Rechtslage die Möglichkeit der Briefwahl jedenfalls gerade nicht im Belieben oder Ermessen des Wahlvorstandes (oder gar der Wähler) stehen, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen eröffnet sein. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeiten der schriftlichen Stimmabgabe zwar schrittweise erweitert; die gesetzliche Regelung verdeutlicht aber, dass die Briefwahl weiterhin nur unter strikter Bindung an die näher festgelegten Maßgaben zulässig ist (vgl. BAG, Urteil v. 16. März 2022 – 7 ABR 29/20). 

LAG Niedersachsen als Vorinstanz subsumierte das Homeoffice unter § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO BetrVG

Gegenstand der zweiten hier besprochenen Entscheidung (Vorinstanz Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil v. 30. August 2023 – 13 TaBV 46/22) ist die Betriebsratswahl bei VW aus dem Jahr 2022. Nach der Bekanntmachung des Wahlausschreibens ordnete die Arbeitgeberin pandemiebedingt für eine Vielzahl von Beschäftigten für die darauffolgende Woche „bis auf weiteres“ die mobile Arbeit von zu Hause an. Ausgenommen waren Beschäftigte, deren Anwesenheit im Betrieb zwingend erforderlich war. Die Anordnung betraf auch den Zeitraum, in dem die Wahl durchgeführt werden sollte. Daraufhin beschloss der Wahlvorstand, dass allen Beschäftigten, die grundsätzlich mobil arbeiten können, und dies auch bereits seit der Anweisung der Arbeitgeberin ganz oder teilweise getan haben, Briefwahlunterlagen ohne gesondertes Verlangen „von Amts wegen“ zugesendet werden. Der Betriebsrat behauptete, er habe im Anschluss an diesen Beschluss die Führungskräfte aufgefordert, alle Beschäftigten zu melden, für die eine Anwesenheit an den Wahltagen geplant gewesen sei. Auf Basis der erhaltenen Informationen wären die Briefwahlunterlagen für die von mobiler Arbeit betroffenen Beschäftigten versandt worden. Da es aus Sicht des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen hierauf allerdings nicht ankam, wurde dieser Vortrag nicht weiter aufgeklärt. 

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen stellte fest, dass der Wahlvorstand mit Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO BetrVG in Bezug auf alle Beschäftigten ausgegangen sei, die mobil arbeiten können und deren Anwesenheit im Betrieb nicht zwingend erforderlich ist. Zu den in § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO BetrVG aufgezählten Beschäftigten gehörten auch Arbeitnehmer, die aufgrund einer Pandemiesituation vorübergehend von zu Hause aus arbeiten müssen, wenn zu erwarten sei, dass die vorübergehende Verpflichtung auch über den Zeitraum der Stimmabgabe andauern wird. Dies betreffe auch die teilweise mobil und teilweise im Betrieb arbeitenden Beschäftigten. Da die Anwesenheit im Betrieb nur für Funktionen und Aufgaben vorgesehen war, für die die Anwesenheit zum jeweiligen Arbeitszeitpunkt zwingend erforderlich war, sei für den Wahlvorstand regelmäßig nicht frühzeitig feststellbar gewesen, ob diese im Zeitpunkt der Wahl im Betrieb oder mobil arbeiten würden. Auf die Anfrage an die Führungskräfte komme es nicht an, da für den Wahlvorstand keine besondere Nachforschungspflicht bestanden habe, um sich Kenntnis von einer ausnahmsweisen Anwesenheit Einzelner während des Wahlzeitraums im Betrieb zu verschaffen 

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Oktober 2024 – 7 ABR 34/23

Das Bundesarbeitsgericht hat mit der Entscheidung vom 23. Oktober 2024 die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zurückverwiesen und der Rechtsbeschwerde somit stattgegeben. Denn die Fälle einer zulässigen Briefwahl seien abschließend in § 24 WO geregelt. Auf der Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen könne indes nicht beurteilt werden, ob der Wahlvorstand die Briefwahlunterlagen auch an zur mobilen Arbeit berechtigte Arbeitnehmer übersandt hat, von denen er wusste, dass sie im Wahlzeitraum wegen Unabkömmlichkeit ihrer Tätigkeit im Betrieb verrichten. 

Blick in die Zukunft: Reformbedarf bei Betriebsratswahlen

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht die strengen Vorgaben für die schriftliche Stimmabgabe bei einer Betriebsratswahl. Nach der derzeitigen Gesetzeslage kann sich ein Wahlvorstand nicht allein von dem Ziel einer möglichst hohen Wahlbeteiligung in der Belegschaft leiten lassen. Die Briefwahl bleibt die Ausnahme und bei einem Verstoß gegen die starren gesetzlichen Vorgaben kann die Betriebsratswahl angefochten werden. 

Online-Stimmabgabe ist im Betriebsverfassungsgesetz nicht vorgesehen 

2018 hatte das LAG Hamburg über die Frage der Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl zu entscheiden, bei die Arbeitnehmer die Möglichkeit der Online-Wahl als Alternative zur Briefwahl hatten. Rund die Hälfte aller Stimmen wurden bei dieser Betriebsratswahl digital abgegeben. Während das Arbeitsgericht Hamburg die Wahl noch für nichtig gehalten hat (Urteil v. 7. Juni 2017 – 13 BV 13/16), erklärte das LAG Hamburg die Betriebsratswahl lediglich für unwirksam (Urteil v. 15. Februar 2018 – 8 TaBV 5/17). Die Zulassung oder Nichtzulassung der Online-Wahl sei eine rechtspolitische Entscheidung, bei der Vor- und Nachteile beider Lösungen gegeneinander abzuwägen seien. Die Zulassung der Online-Wahl sei aus Sicht des LAG Hamburg auch nicht zwingend erforderlich, was allein dadurch belegt werde, dass Betriebsräte in Tausenden von Betrieben auch ohne dieses Mittel wirksam gewählt würden. Die Entscheidung einer etwaigen Anpassung der Wahlordnung an geänderte technische Rahmenbedingungen sei Aufgabe des Gesetzgebers. Die Gerichte seien nicht befugt, diese Entscheidung an sich zu ziehen. Dennoch sei die Nichtigkeitshürde nicht „gerissen“. Ob dies von anderen Landesarbeitsgerichten ebenso gesehen wird, ist indes fraglich. 

Gesetzgeber muss tätig werden

Dem LAG Hamburg ist insoweit zuzustimmen, als dass die Einführung der Online-Stimmabgabe eine rechtspolitische Entscheidung ist, die dem Gesetzgeber vorbehalten bleibt. Auch die Feststellung, dass eine Online-Wahl grundsätzlich mit demokratischen Grundsätzen vereinbar ist, überzeugt. Die Auffassung des LAG Hamburg, wonach die Online-Wahl nicht zwingend erforderlich sei, da Betriebsräte auch ohne dieses Mittel in Tausenden von Betrieben wirksam gewählt würden, ist aus Sicht der Verfasser allerdings recht optimistisch und greift auch zu kurz. Zwar ist die Durchführung von Betriebsratswahlen nach geltendem Recht grundsätzlich möglich, doch die entscheidende Frage ist, wie viele Beschäftigte tatsächlich erreicht und zur Teilnahme motiviert werden. Die Einführung einer rechtssicheren Online-Wahl würde aus Sicht der Verfasser nicht nur die Wahlbeteiligung deutlich erhöhen, sondern auch die demokratische Legitimation des Betriebsrats stärken. Gerade in Zeiten zunehmender mobiler Arbeit, hybrider Arbeitsmodelle und Homeoffice ist es erforderlich, neue Wege der Beteiligung zu eröffnen, um alle Beschäftigtengruppen gleichermaßen zu erreichen. Darüber hinaus ließe sich der organisatorische Aufwand für Wahlvorstände erheblich reduzieren – etwa durch den Wegfall des Drucks von Wahlzetteln und Wahlunterlagen, des Versands dieser Unterlagen sowie der Auszählung physischer Stimmzettel. Die Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz muss daher dringend an die technischen und gesellschaftlichen Realitäten angepasst werden. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, hierfür die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen und die digitale Mitbestimmung endlich zu ermöglichen.

Gesetzesentwurf 2024 zur Online-Stimmabgabe bei Betriebsratswahlen

In dem Gesetzesentwurf der ehemaligen „Ampel“-Bundesregierung (20. Legislaturperiode) zum Tariftreuegesetz (Drucksache 20/14345 vom 20. Dezember 2024) war eine dahingehende Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vorgesehen. In einem neu einzufügenden § 18b BetrVG sollte die Möglichkeit einer Online-Stimmabgabe bei den regelmäßigen Betriebsratswahlen im Jahr 2026 erprobt werden. Der Gesetzesentwurf sah vor, dass der Betriebsrat im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber für den Wahlvorstand die Möglichkeit eröffnen kann, die Wahl des Betriebsrats ergänzend zu den bestehenden Möglichkeiten der Stimmabgabe auch im Wege der elektronischen Stimmabgabe durchzuführen (Onlinewahl). Aufgrund der vorgezogenen Neuwahl konnte das Gesetzgebungsverfahren nicht abgeschlossen werden und die Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes sind nicht wie geplant zum 1. Juli 2025 in Kraft getreten. 

Auch Betriebsratswahl 2026 wird nicht digital

Der Koalitionsvertrag der 21. Bundesregierung sieht zwar vor, dass „zusätzlich [..] die Option, online zu wählen, im Betriebsverfassungsgesetz verankert werden“ solle (vgl. S. 19). Ob an den vorgenannten Gesetzesentwurf angeknüpft werden soll und wann hier konkrete gesetzgeberische Aktivitäten anstehen, ist allerdings auch weiter offen. 

Das Gesetzesvorhaben hinsichtlich des Tariftreuegesetzes wurde in der laufenden 21. Legislaturperiode neu eingebracht und durchläuft aktuell das Gesetzgebungsverfahren, allerdings ohne den Abschnitt zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes. 

Damit bleibt es bei der anstehenden Betriebsratswahl 2026 nach derzeitigem Stand bei den bisherigen analogen Verfahren – und die Chance, die Mitbestimmung zeitgemäß und zukunftsfähig zu gestalten, wurde vertan.

In der „Entschließung des Bundesrates zur Modernisierung der betrieblichen Mitbestimmung“ vom 11. Juli 2025 (Drucksache 239/25) bittet der Bundesrat die Bundesregierung zu prüfen, „welche gesetzlichen Befugnisse zur Nutzung digitaler Formate sowohl die Wahl als auch die Arbeit von Betriebsräten erleichtern können“. Betriebsräten solle die Entscheidungshoheit eingeräumt werden, Wahlverfahren digital oder hybrid zu gestalten. Digitale Formate würden die Chance bieten, in Zeiten abnehmender Präsenzkultur Zugangshürden zu senken und die Rahmenbedingungen für die Einbeziehung sämtlicher Beschäftigter zu erleichtern. 

Der Druck auf die Bundesregierung wächst, denn wie sie ihr im Koalitionsvertrag angekündigtes Vorhaben zur Einführung der Online-Stimmabgabe konkret umsetzen will, ist weiterhin unklar. Umso wichtiger ist es, dass zeitnah gesetzgeberische Schritte eingeleitet werden, damit bis zur nächsten regulären Betriebsratswahl im Jahr 2030 eine klare und verlässliche Gesetzeslage für Arbeitgeber sowie Wahlvorstände besteht. Denn nicht nur die gesetzlichen Grundlagen müssen geschaffen werden – auch die Entwicklung und Zertifizierung sicherer Softwarelösungen benötigt eine entsprechende Vorlaufzeit. 

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Anfechtung Arbeitsrecht Betriebsratswahl 2026 Briefwahl digital