22. Mai 2025
IT-Projekt Vertrag Mitwirkungsleistung Auftraggeberpflicht
IT-Projekte

Die Bedeutung von Mitwirkungsleistungen in IT-Projektverträgen

Mitwirkungsleistungen des Auftraggebers sind für den Erfolg eines IT-Projekts maßgeblich. Regelungen zu Mitwirkungsleistungen sollten in IT-Verträgen nicht vernachlässigt, sondern im erforderlichen Umfang vereinbart werden.

Im Rahmen von IT-Projekten ist nicht nur der Auftragnehmer verpflichtet, bestimmte Leistungen zu erbringen, sondern häufig auch der Auftraggeber. Die Pflichten des Auftraggebers, meist als „Mitwirkungsleistungen“ bezeichnet, ergeben sich entweder aus vertraglichen Vereinbarungen oder aus gesetzlichen Vorschriften. Mitwirkungsleistungen können dabei vielfältig sein, z.B.: 

  • die Bereitstellung von Informationen, Materialien oder Daten (etwa die Bereitstellung von Informationen zu vorhandenen IT-Systemen, von Unterlagen wie dem Lastenheft oder von verschiedenen Schnittstellen- oder Testdaten);
  • die Gewährung von technischen Zugängen zu IT-Systemen oder physischen Zugängen zu bestimmten Räumlichkeiten;
  • die aktive Mitwirkung des Auftraggebers am Projekt, u.a. die Teilnahme an Schulungen oder die Bereitstellung von personellen Ressourcen.

Mitwirkungsleistungen stellen den Auftraggeber häufig vor Herausforderungen

Die Erbringung von Mitwirkungsleistungen durch den Auftraggeber ist häufig ein entscheidender, jedoch oftmals unterschätzter, Faktor für das Gelingen von IT-Projekten. Denn ohne ausreichende Mitwirkung des Auftraggebers stoßen komplexe IT-Projekte in der Praxis oft auf erhebliche Herausforderungen. Häufige Probleme in der Praxis sind z.B.: 

  • IT-Projektverträge definieren Mitwirkungsleistungen nur vage oder gar nicht. Dies führt zu Unsicherheiten und Zeitdruck, wenn der Auftragnehmer während des Projekts konkrete Anforderungen an die Mitwirkung stellt.
  • Der Auftragnehmer fordert spontan Mitwirkungsleistungen an, die vorher nicht ausdrücklich vereinbart waren. Dies führt zu unüberschaubaren Zusatzaufwänden für den Auftraggeber.
  • Der Auftraggeber unterschätzt die Mitwirkungsleistungen. Erst im Projektverlauf wird ihm klar, dass er nicht die erforderlichen Ressourcen und Kapziäten hat, um die Mitwirkungsleistungen termingerecht und in der erforderlichen Qualität zu erbringen.

Unzureichende oder verspätete Mitwirkungsleistungen führen häufig zu Konflikten zwischen Vertragspartnern und gefährden den Projekterfolg. Auftraggeber und Auftragnehmer schieben sich dabei oft gegenseitig die Verantwortung zu. 

Rechtsnatur von Mitwirkungsleistungen

Mitwirkungsleistungen können als sog. Obliegenheiten oder als echte vertragliche Pflichten qualifiziert werden. Eine Obliegenheit ist ein Verhalten, welches zwar nicht verpflichtend, aber zur Vermeidung von Rechtsnachteilen im Eigeninteresse geboten ist. Im Unterschied zu einer Verpflichtung, sind Obliegenheiten gerichtlich nicht einklagbar und nicht vollstreckbar. Der Auftraggeber kann somit nicht zur Erfüllung von Obliegenheiten gezwungen werden.

Gesetzliche Regelungen zur Mitwirkung sind kaum vorhanden. Für IT-Projekte kann jedoch in der Praxis häufig die Regelung des § 642 BGB aus dem Werkvertragsrecht herangezogen werden. Nach der Rechtsprechung sind Mitwirkungshandlungen im Rahmen des § 642 BGB allerdings keine Verpflichtungen des Auftraggebers, sondern lediglich Obliegenheiten. Ferner beschreibt § 642 BGB die Mitwirkung lediglich als „erforderliche Handlungen des Bestellers″ und lässt dadurch einen großen Auslegungsspielraum. Mitwirkungshandlungen sind grundsätzlich als „erforderlich″ anzusehen, wenn ohne sie der Auftragnehmer die vereinbarte Leistung innerhalb der vereinbarten Fristen nicht ordnungsgemäß erbringen kann. Welche konkreten Mitwirkungshandlungen, insbesondere Inhalt und Umfang, dabei erforderlich sind, kann sich jedoch nur aus der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ergeben. 

Sollen Mitwirkungshandlungen als verbindliche Leistungen des Auftraggebers eingefordert werden können, müssen diese als rechtsverbindlich geschuldete Vertragspflicht ausgestaltet werden. Die Regelungen im IT-Projektvertrag sollten dabei zum Ausdruck bringen, dass die Parteien eine selbstständige Einklagbarkeit der Mitwirkung vereinbaren und entsprechende Haftungsfolgen an das Unterlassen der Mitwirkung knüpfen. Sofern keine vertraglichen Regelungen getroffen wurden, welche die Mitwirkung ausdrücklich als Pflicht ausgestalten, besteht häufig Rechtsunsicherheit über die Rechtsnatur sowie den Umfang von Mitwirkungshandlungen einschließlich der Rechtsfolgen bei nicht ordnungsgemäßer Erbringung dieser.

Rechtsfolgen bei unterlassener Mitwirkung als Obliegenheit

Erbringt der Auftraggeber eine erforderliche Mitwirkungsleistung gar nicht, nicht fristgerecht oder nicht in der geforderten Qualität, liegt ein Fall der unterlassenen Mitwirkung vor. Die Ansprüche des Auftragnehmers bei unterlassener Mitwirkung des Auftraggebers hängen maßgeblich davon ab, ob es sich um eine bloße Mitwirkungsobliegenheit oder eine echte Mitwirkungspflicht handelt.

Liegt lediglich eine Obliegenheit vor, hat der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch. Für den Auftragnehmer kommt in diesem Fall eine Entschädigung gemäß § 642 Abs. 1 BGB sowie eine Kündigung gemäß § 643 BGB in Betracht. Voraussetzung für §§ 642, 643 BGB ist vor allem ein Annahmeverzug des Auftraggebers gemäß § 293 BGB. Dieser liegt grundsätzlich vor, wenn dem Auftraggeber die vertraglich geschuldete Leistung in der ordnungsgemäßen Art und Weise angeboten wird. Da der Werkunternehmer (Auftragnehmer) nach § 631 Abs. 1 BGB zur Herstellung eines Werkes verpflichtet ist, kann der Annahmeverzug in diesem Sinne grundsätzlich nur eintreten, wenn die vereinbarte Leistung (z.B. das Software-Produkt) abnahmereif angeboten wird. Da der Auftragnehmer aufgrund unterlassener Mitwirkung die vereinbarte Leistung gerade nicht fertigstellen und abnahmereif anbieten kann, soll es daher nach überwiegender Ansicht für den Annahmeverzug ausreichen, wenn sich der Auftragnehmer leistungsbereit zeigt und den Auftraggeber ausdrücklich zur Mitwirkung auffordert.

Die Entschädigung nach § 642 BGB beschränkt sich grundsätzlich auf die Kompensation für die Bereithaltung von Geräten, Personal und Material im Zeitraum des Annahmeverzuges, welche tatsächlich nicht anderweitig eingesetzt werden konnten. Die Höhe richtet sich daher nach der Dauer des Verzuges und der Höhe der vereinbarten Vergütung, wobei ersparte Aufwendungen und anderweitiger Erwerb zulasten des Auftragnehmers in Abzug zu bringen sind. Auch die Kündigung nach § 643 BGB ist nur unter engen Voraussetzung möglich. Die Vorschrift regelt, dass der Auftragnehmer im Falle des § 642 BGB berechtigt ist, den Vertrag zu kündigen, wenn er dem Auftraggeber zur Nachholung der Mitwirkungshandlung eine angemessene Frist bestimmt hat und wenn die Handlung nicht bis zum Ablauf der Frist vorgenommen wurde.

Rechtsfolgen bei unterlassener Mitwirkung als Vertragspflicht

Liegt hingegen eine Mitwirkungspflicht, entweder als Neben- oder Hauptpflicht, vor, kann der Auftragnehmer Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280 ff. BGB, einschließlich des entgangenen Gewinns geltend machen. Voraussetzung dafür ist, dass der Auftragsgeber seine vertraglich vereinbarte Mitwirkungspflicht nicht in der erforderten Qualität, nicht fristgerecht oder gar nicht erbringt. 

Mitwirkungspflichten bei IT-Projekten sind in der Regel als selbständig einklagbare Nebenpflichten, die die Hauptleistungspflichten ergänzen, zu qualifizieren. Bei der Verletzung einer selbstständigen Nebenpflicht können Schadensersatzansprüche nach §§ 280, 281 Abs. 1 (Schadensersatz statt der Leistung sowie Ersatz des positiven Interesses) nach einer erfolglosen Fristsetzung geltend gemacht werden. Der Auftragnehmer könnte sich bei einer Verletzung der Mitwirkung als Nebenpflicht auch auf die Entschädigung aus § 642 BGB stützen. Denn die Ansprüche der §§ 280 ff. BGB und § 642 BGB schließen sich nicht aus. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Entschädigungsansprüche gemäß § 642 BGB zwar keine Fristsetzung erfordern. Sie sind jedoch auch weniger vorteilhaft für den Auftragsnehmer, da ein Anspruch aus § 642 BGB nicht den Ersatz des entgangenen Gewinnes beinhaltet. 

Von selbständig einklagbaren Nebenpflichten zu unterscheiden sind hingegen nicht leistungsbezogene Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB, die lediglich als unselbstständige Nebenpflichten einzustufen sind. Die Verletzung von unselbstständigen Nebenpflichten führt lediglich zu einer Haftung aus §§ 311 Abs. 2 und 3, 280 BGB (Schadensersatz neben der Leistung – Ersatz des zurechenbar verursachten Schadens).

Eine Mitwirkungshandlung kann nur dann als Hauptpflicht in Betracht kommen, wenn im Vertrag ausdrücklich geregelt ist, die jeweilige Mitwirkung eine Hauptpflicht darstellen soll, der eine gesonderte, eigenständige Bedeutung im Vertragsverhältnis zukommt. Eine Verletzung von Mitwirkungshandlungen als Hauptpflicht berechtigt den Auftragnehmer ebenfalls zum Schadensersatz gemäß §§ 280 ff. BGB

Ausdrückliche Regelungen zur Mitwirkung im IT-Projektvertrag sind geboten

Die Organisation, Steuerung und Umsetzung von Mitwirkungsleistungen werden in komplexen IT-Projekten oft unterschätzt. Eine ausschließliche Orientierung an den gesetzlichen Bestimmungen ist in den meisten Fällen unzureichend und schafft Rechtsunsicherheit. Vor dem Hintergrund der Wichtigkeit von Mitwirkungspflichten für das Gelingen von IT-Projekten sowie das Haftungspotenzial für die nicht ordnungsgemäße Erbringung von Mitwirkungspflichten ist ein rechtlicher Konflikt bei unzureichender vertraglicher Vereinbarung zu den Mitwirkungshandlungen häufig vorprogrammiert.

Aufgrund der zurückhaltenden gesetzlichen Regelungen zu Mitwirkungshandlungen, der umstrittenen Rechtsnatur von Mitwirkungsleistungen sowie der damit einhergehenden Rechtsunsicherheiten, empfiehlt es sich vielmehr die Mitwirkung des Auftraggebers ausreichend vertraglich zu vereinbaren. Insbesondere sollte der Projektvertrag Regelungen zur Rechtsnatur der Mitwirkungsleistungen enthalten. Dies erhöht die Rechtssicherheit hinsichtlich der Rechtsfolgen bei unterlassener Mitwirkung. Es empfiehlt sich zudem, den Zeitpunkt der Erbringung der Mitwirkungshandlung zur Verringerung von Konfliktpotenzial zu regeln. Ferner wird der Auftraggeber dadurch ohne eine weitere Aufforderung des Auftragnehmers in Annahmeverzug versetzt. Möglich ist eine genaue Festlegung des Zeitablaufes in einem Fristenplan, welcher den Beweis, dass eine Mitwirkung rechtzeitig angefordert wurde, erleichtern kann.

Aus praktischer Sicht erscheint es daher sinnvoll, sich frühzeitig einen Überblick zu verschaffen in welcher Art und in welchem Umfang die Mitwirkungen des Auftraggebers erforderlich werden. Dies hilft dem Auftraggeber auch sich einen Überblick zu verschaffen, welche Mitwirkungsleistungen er selbst erfüllen kann, und welche externe Hilfe erfordern. Diese Vorbereitungen sind häufig maßgeblich, um die Mitwirkungsleistungen im Vertrag ausreichend und konkret vereinbaren zu können.

Wir informieren Sie in unserer Blog-Serie zu IT-Projekten fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert. Den Auftakt zur Blogserie hat der Einführungsbeitrag „IT-Projekte – mit Vertragsgestaltung zum Erfolg″ gemacht, gefolgt von dem Beitrag „Vertragstyp bei IT-Projekten – eine bewusste Wahl und „Die Bedeutung von Mitwirkungsleistungen in IT-Projektverträgen“.

Tags: Auftraggeberpflicht IT-Projekte Mitwirkungsleistung