22. Mai 2025
Koalitionsvertrag Erneuerbare Energien Genehmigung
Koalitionsvertrag 2025

Genehmigungsbeschleunigung: Koalition bleibt vage

Schnellere Genehmigungen sind für die Energiewende und den Infrastrukturausbau zentral. Der Koalitionsvertrag bleibt bei konkreten Maßnahmen vage.

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD räumt dem Thema Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung an verschiedenen Stellen eine prominente Rolle ein. Dargestellt sind konkrete Maßnahmen, aber auch vage Versprechen. In der letzten Legislatur lag der Fokus auf Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende. Zukünftig sollen auch andere Infrastruktur- und Industrieprojekte leichter umzusetzen sein. Hierfür plant die Koalition, Beteiligtenrechte zu beschränken und materielle Standards zu senken.

Umsetzung der RED-III unter Zeitdruck 

Eines der umfassendsten Gesetzesvorhaben zur Genehmigungs- und Planungsbeschleunigung wird die weitere Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED-III RL (EU) 2023/2413) sein. Danach sind die Mitgliedsstaaten insbesondere verpflichtet, Beschleunigungsgebiete ausweisen, in deren Geltungsbereich Erneuerbare-Energien-Anlagen unter deutlich vereinfachten Voraussetzungen zugelassen werden können. Bereits bis zum 21.05.2024 wurden bestehende Windenergiegebiete zu solchen Beschleunigungsgebieten erklärt. Der im Herbst 2024 für weitere wichtige Weichenstellungen vorgesehene Gesetzesentwurf (Gesetzesentwurf Umsetzung der RED-III) wurde wegen des Bruchs der Ampel-Koalition nicht mehr verabschiedet. Zum 21.05.2025 müssen vereinfachte Genehmigungsverfahren eingeführt werden, die in diesen Gebieten gelten sollen. Die neue Regierung wird sich zeitnah entschließen müssen, die Richtlinie konkret umzusetzen. 

Der Koalitionsvertrag betont, die RED-III zügig umsetzen zu wollen (S. 30, 37). Die konkrete Umsetzung bleibt vage, so sollen verschiedene Maßnahmen „geprüft“ werden, insbesondere die Anwendung der Vereinfachungen auf Infrastrukturprojekte der Energiewende. Unklar bleibt, ob die in den Beschleunigungsgebieten geltenden Vereinfachungen nach dieser Vorstellung auch außerhalb der Beschleunigungsgebiete anwendbar sein sollen, oder ob die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten für Infrastrukturprojekte geprüft werden soll. Die RED-III sieht eine solche Ausweisung von „Infrastrukturgebieten“ fakultativ vor. 

Neben der Umsetzung der RED-III planen die Koalitionspartner verschiedene Einzelmaßnahmen zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Eingeleitet werden diese mit der Forderung nach einer „grundsätzlichen Überarbeitung des Planungs-, Bau-, Umwelt-, Vergabe- und (Verwaltungs-)Verfahrensrechts“.

Konkrete Verfahrenserleichterungen für Infrastrukturvorhaben und Großprojekte

Auf Verfahrensebene plant die Koalition konkrete Vereinfachungen. So soll ein einheitliches Verfahrensrecht („one-for-many“) für Infrastrukturvorhaben geschaffen werden (S. 22). Dies ist zu begrüßen. Denn die verschiedenen Verfahrensarten mit ihren jeweils unterschiedlichen Fristen, Verfahrensschritten und Beteiligungsrechten führen zu Unsicherheiten bei allen Beteiligten und kosten Zeit. 

Daneben soll die Plangenehmigung zum Regelverfahren werden (S. 22). Derzeit ist die Plangenehmigung nur zulässig, wenn Rechte Dritter nicht berührt werden oder diese dem Vorhaben zugestimmt haben. Aus diesem Grund kann auf eine umfangreiche Öffentlichkeitsbeteiligung verzichtet werden, was Zeit und Kosten spart. Es bleibt abzuwarten, wie die Plangenehmigung unter diesen Voraussetzungen zu einem „Regelverfahren“ umgestaltet werden kann, ohne Rechte Dritter zu verletzen oder das Plangenehmigungsverfahren dem Planfeststellungsverfahren stark anzunähern.  

Überdies soll die Beteiligung Dritter im Verfahren eingeschränkt werden: Unter anderem sollen Erörterungstermine in Zukunft fakultativ ausgestaltet sein. In einem Erörterungstermin werden die zuvor schriftlich vorgebrachten Einwendungen mit allen Beteiligten mündlich erörtert. Bereits jetzt existieren verschiedene Ausnahmeregelungen vom grundsätzlich im Planfeststellungsrecht obligatorischen Erörterungstermin. 

Außerdem soll eine Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit nur noch einmal stattfinden (S. 22), statt wie bisher zweimal (frühzeitige und förmliche Beteiligung). Eine solche Verkürzung der Beteiligungsrechte kann Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigen. Sie wird sich aber auch negativ auf die Akzeptanz großer Projekte auswirken. 

Absenkung europarechtlicher Schutzstandards?

Des Weiteren plant die Koalition die Aufweichung von Standards, die europarechtlich bislang zwingend vorgesehen sind. Hier ist abzuwarten, wie diese Vorhaben konkret umgesetzt werden (können). So will die Koalition auf die Einführung einer materiellen Präklusion hinwirken. Wenn Betroffene ihre Einwendungen nicht im Genehmigungsverfahren vorgetragen haben, sollen sie zukünftig also auch im Klageverfahren ausgeschlossen sein. Eine solche Änderung ist geeignet, Genehmigungsverfahren sowie mögliche nachfolgende Gerichtsverfahren deutlich zu straffen. Sie zwingt Betroffene, ihre Einwände frühzeitig substantiiert vorzutragen. Sie ist nach derzeit geltendem EU-Recht aber größtenteils unzulässig. Die Koalition will daher auf eine Änderung der europäischen Standards hinwirken.

Auch im Verbandsklagerecht sind Änderungen geplant. Dieses ermöglicht Umweltverbänden bislang, Fehler im Genehmigungsverfahren zu rügen, ohne eine persönliche Betroffenheit darlegen zu müssen. Nach dem Willen der Koalitionsparteien soll es reformiert und „auf die tatsächliche Betroffenheit“ ausgerichtet werden. Es bleibt abzuwarten, wie dies in der Praxis umgesetzt wird. Denn Umweltverbände können als juristische Personen regelmäßig durch geplante Vorhaben kaum in ihren Rechten selbst betroffen sein. Da das Verbandsklagerecht europarechtlich verankert ist und durch den EuGH wiederholt gestärkt wurde, soll es zunächst bis auf das europarechtliche Mindestmaß abgesenkt werden und durch Initiativen der Bundesregierung auf eine weitere internationale Reduzierung hingewirkt werden. 

Außerdem sind Erleichterungen für den Arten- und Naturschutz geplant. Insbesondere soll bundeseinheitlich der Populationsansatz angewendet werden (S. 22, 30). Dies bedeutet, dass im Grundsatz nicht mehr die Verletzung oder Tötung jedes einzelnen Tiers verhindert werden muss, sondern der Fokus auf der Erhaltung ganzer Populationen einer Art liegen wird. Angesichts häufiger artenschutzrechtlicher Hürden bei Infrastrukturvorhaben dürfte dieser Ansatz einen erheblichen Beschleunigungseffekt haben. Auch für diese Maßnahme ist zumindest in dieser Pauschalität die Vereinbarkeit mit EU-Recht, etwa der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie aber zweifelhaft. 

Beschleunigung von Industrieprojekten 

Die Beschleunigung von Industrieprojekten soll insbesondere durch eine schlankere Umsetzung von EU-Richtlinien geschehen, um hierdurch eintretende Belastungen so gering wie möglich zu halten. Für Industrieprojekte sollen daneben im Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie in verschiedenen untergesetzlichen Regelungen (TA Luft und TA Lärm) Beschleunigungspotenziale verwirklicht werden, ohne jedoch weiter konkretisiert zu werden. Eine Überarbeitung insbesondere der TA Lärm war bereits in der vergangenen Legislaturperiode geplant. Der Koalitionsvertrag lässt aber offen, wie diese konkret umgesetzt werden soll und ob dies tatsächlich die Umsetzung von Vorhaben beschleunigen wird. Auch der Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung soll für Industrieprojekte „weiterentwickelt“ werden. Die Beschleunigung von Industrieprojekten bleibt daher bislang wohl eher eine Absichtserklärung. 

Verstärkter Fokus auf Infrastrukturvorhaben statt auf Ausbau der Erneuerbaren Energien

Die von der künftigen Bundesregierung geplanten Maßnahmen beinhalten ein klares Bekenntnis zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung. Anders als in der vergangenen Legislaturperiode wird der Fokus dabei weniger auf Vorhaben der Erneuerbaren Energien liegen als auf Infrastrukturprojekten. Auch Industrieprojekte sollen schneller umgesetzt werden können. 

Im Koalitionsvertrag vorgesehen ist dabei eine Bandbreite von zum Teil sehr konkreten Maßnahmen bis hin zu eher vagen Prüfungsabsichten. Im Detail bleibt abzuwarten, welche Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden und wie diese ineinandergreifen. Vorhabenträger können sich daher auch in Zukunft darauf einstellen, dass das Planungs- und Genehmigungsrecht einem steten Wandel unterliegt und die rechtliche Entwicklung dynamisch bleibt. Vorhabenträger sollten rechtliche Neuerungen deshalb aufmerksam verfolgen und frühzeitig in ihre Projektplanung einbeziehen. 

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Tags: erneuerbare Energien Koalitionsvertrag 2025 RED-III