10. April 2025
Koalitionsvertrag 2025 Commercial

Koalitionsvertrag: Die neue Verteidigungspolitik im Fokus 

Die neue Koalition aus CDU/CSU und SPD hat einen fundamentalen Veränderungsprozess für die Deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie eingeleitet. 

Unter der Überschrift „Verantwortungsvolle Außenpolitik, geeintes Europa, sicheres Deutschland“ finden sich ab Seite 125 des Koalitionsvertrages zentrale Aussagen zur neuen Außen- und Sicherheitspolitik: 

Das Ziel unserer Außen- und Sicherheitspolitik ist die Bewahrung eines Friedens in Freiheit und Sicherheit. Zur Bewahrung dieses Friedens müssen wir unserer Verantwortung zur Gewährleistung der eigenen Sicherheit gerecht werden. […]
[….]
Wir werden sämtliche Voraussetzungen schaffen, damit die Bundeswehr die Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung uneingeschränkt erfüllen kann. Unser Ziel ist es, dass die Bundeswehr einen zentralen Beitrag zur Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit der NATO leistet und zu einem Vorbild im Kreis unserer Verbündeten wird. Die beschriebene Bedrohungslage zwingt uns mit dem Ziel der Abschreckung zur Erhöhung unserer Verteidigungsausgaben.

Eingebettet in die bereits in das Grundgesetz eingeflossenen Vorgaben zur „Modifizierung der Schuldenbremse“, haben die Koalitionspartner sich auf ein Regierungsprogramm geeinigt, das für den Bereich Verteidigungspolitik – nicht nur für die kommende Legislaturperiode – signifikante Finanzmittel für die Neuausrichtung der Bundeswehr vorsieht. Diese soll über Investitionen in Sachmittel und Personal erfolgen.

Wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen werden die Verteidigungsindustrie nachhaltig prägen und verändern

Neben den politisch bedeutsamen Zielen, insbesondere die NATO-Mitgliedschaft durch eine aktive Rolle sowie die Handlungsfähigkeit der EU zu stärken und die Ukraine weiterhin umfassend zu unterstützen, soll ein Nationaler Sicherheitsrat im Kanzleramt die strategische Koordination übernehmen. Vor diesem Hintergrund justiert der Koalitionsvertrag die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die deutsche Verteidigungsindustrie in den kommenden Jahren neu. Die wichtigsten Vorhaben und Änderungen werden nachfolgend zusammengefasst:

Mehrjährige Investitionsplanung für die Verteidigungsfähgkeit

Die Verteidigungsausgaben sollen kontinuierlich und deutlich erhöht werden, ausgerichtet an den Fähigkeitszielen der NATO. Um notwendige Rüstungsprojekte über den üblichen Legislaturzyklus hinaus zu realisieren, plant die Bundesregierung einen mehrjährigen Investitionsplan. Ergänzt wird dies durch ein Beschleunigungsgesetz für Planungs- und Beschaffungsvorgänge. 

Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz

Besonderes Augenmerk legen die Koalitionäre auf die Modernisierung von Planung und Beschaffung. Dazu zählen schnellere Prozesse, die Anerkennung internationaler Zertifizierungen und die Priorisierung kritischer Ressourcen wie z.B. Munition. Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, unbemannte Systeme, Hyperschall und elektronische Kampftechnologien sollen bei der Bundeswehr zügig eingeführt werden.

Die bereits in der vergangenen Legislaturperiode begonnenen, aber in Stocken geratenen Arbeiten an einem Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Beschaffungsvorgänge sollen zeitnah fortgeführt und abgeschlossen werden. Dies wird im Detail insbesondere die Aufgaben und Abläufe des BAAINBW betreffen. 

Erhöhung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr / Schaffung eines aktiven Wehrdienstes

Die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr soll kurzfristig gestärkt werden. Dafür sollen die Truppenverbände, insbesondere die der NATO zugewiesenen Einheiten, vollständig und zeitgerecht ausgerüstet werden. Hierzu soll ein neuer freiwilliger Wehrdienst eingeführt werden. Dieser soll sich an Modellen wie in Schweden orientieren.

Auf den ersten Blick handelt es sich hierbei um ein rein verteidigungspolitisches Ziel, das zu einer Personalaufstockung bei der Bundeswehr führen wird. Betrachtet man aber die dahinterliegenden Anforderungen an die Sicherstellung der notwendigen Infrastruktur und Ausrüstung für die geplante neue Personalstärke (und berücksichtigt man ergänzend den derzeit maroden Zustand der aktuellen Bestandssituation), werden rasch die neuen Investitionsmöglichkeiten für die Planungs-, Bau- und Ausrüstungsindustrie sichtbar. Damit werden sich zukünftig verstärkt derzeit auch rüstungsfremde Industriezweige mit vergabe- und beschaffungsrechtlichen Vorgaben der Verteidigungswirtschaft auseinandersetzen müssen.

Neue Vertragskonzeptionen durch Einführung von Vorhalteverträgen und Abnahmegarantien

Am konkreten Beispiel der Munitionsbeschaffung bringt der Koalitionsvertrag die Implementierung neuer Realisierungswege, insbesondere die verstärkte Verwendung von Vorhalteverträgen und Abnahmegarantien ins Spiel. Vorhalteverträge als Instrument der öffentlichen Hand sind grundsätzlich nichts Neues für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. So sind Vorhalteverträge bereits in der Vergangenheit vor allem in den Bereichen Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Energieversorgung zum Einsatz gekommen. Sie bieten eine praktische Möglichkeit, zivile Unternehmen in die Aufgabenerfüllung des Staates einzubeziehen und so die Bereitstellung wichtiger Infrastruktur- und Versorgungsleistungen auf einem hohen Niveau zu halten. Im Bereich von Beschaffungsprojekten sind Vorhalteverträge sowie Abnahmegarantiezusagen jedoch Neuland und dürften, insbesondere für den deutschen wehrtechnischen Mittelstand mit der Bearbeitung ungewohnter rechtlicher Fragestellungen verbunden sein.

Förderung von Zukunftstechnologien

Der Austausch zwischen Bundeswehr, Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Start-ups und Industrie soll dauerhaft intensiviert werden. Hiermit sollen die Innovationszyklen verkürzt und der Zugang zu Hochtechnologie beschleunigt werden. Die Forschung im sicherheitsrelevanten Bereich soll erleichtert werden. Bislang bestehende Hürden, insbesondere bei Dual-Use-Projekten oder der Zusammenarbeit zwischen zivilen Hochschulen und der Bundeswehr sollen reduziert werden. Dadurch soll ein innovationsfreundlicheres Umfeld für moderne Rüstungstechnologien geschaffen werden.

Die Entwicklung und Integration neuer Technologien (z. B. KI, unbemannte Systeme, Hyperschall, Cyberabwehr, Software Defined Defense) soll aktiv gefördert und  Projekte wie FCAS (Future Combat Air System) und MGCS (Main Ground Combat System) sollen als Leuchtturmprojekte europäischer Verteidigungskooperation weitergeführt werden.

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Verteidigungsindustrie insbesondere des deutschen wehrtechnischen Mittelstands

Zur Sicherstellung der Einsatzfähigkeit will die Koalition die Lieferketten der Verteidigungsindustrie robuster gestalten und verstärkt ein europäisches Kooperationsmodell  verfolgen. Hierbei soll insbesondere das Prinzip „Simplification, Standardization, Scale“ dafür sorgen, dass Ausrüstung für die Bundeswehr und die europäischen Armeen einheitlicher, effizienter und kostengünstiger beschafft werden kann. Dazu will die Koalition auf eine gemeinsame Beschaffung in Europa hinwirken und damit Vorteile bei Produktqualität und Verfügbarkeit ermöglichen.

Strategische Beteiligung des Bundes an systemrelevanten Unternehmen der Verteidigungsindustrie

Die Verteidigungsindustrie in Deutschland und Europa soll nun langfristig gestärkt werden. Dazu gehören nach dem Willen der Koalition stabile Beauftragungen von Unternehmen, ein vereinfachter Kapitalzugang und strategische Beteiligungen des Bundes bei sicherheitsrelevanten Unternehmen. Auch strategisch ausgerichtete Rüstungsexporte sollen künftig mit klaren Regeln zur Neuausrichtung der deutschen Verteidigungspolitik gehören.

Beschleunigung der Verfahren zu Exportgenehmigungen 

Rüstungsexportgenehmigungen sollen künftig schneller und koordinierter geprüft werden. Gleichzeitig wird eine EU-weite Harmonisierung der Exportregeln angestrebt. Die Koalition stellt aber auch deutlich klar, dass Exporte, die mit einem hohen Risiko für Völkerrechtsverletzungen oder Repressionen verbunden sind, weiterhin kategorisch abgelehnt werden und somit nicht möglich sind. 

Steigerung der Investitionen in die militärische Infrastruktur

Die Militärische Infrastrukturmaßnahmen sollen als ein übergeordnetes öffentliches Interesse behandelt werden, hierfür soll ein eigenes Gesetz zur Beschleunigung von Infrastrukturprojekten der Bundeswehr auf den Weg gebracht werden. Dieses soll Ausnahmen vom Bau-, Umwelt- und Vergaberecht schaffen. Somit können Kasernen, Übungsplätze und logistische Einrichtungen zügig modernisiert oder neu gebaut werden. Gleichzeitig soll die Resilienz der Gesellschaft und der deutschen Wirtschaft gegenüber hybriden Bedrohungen und Cyber-Angriffen gestärkt werden.

Zusammenfassung und Ausblick: wie geht es weiter?

Mit dem Koalitionsvertrag liegt ein sehr ambitioniertes Programm vor, wenn dieses tatsächlich nun so umgesetzt wird, wird es zu einem grundlegenden Wandel der deutschen Verteidigungspolitik und somit auch der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Deutschland und Europa kommen. Dieser Veränderungsprozess wird von einer Vielzahl von rechtlichen Fragestellungen begleitet sein.

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Tags: Koalitionsvertrag 2025 Verteidigungspolitik