Wenn ein serbisches Unternehmen zahlungsunfähig wird, müssen ausländische Gläubiger schnell handeln. Hier erfahren Sie, worauf Sie sich einstellen müssen und wie Sie Gläubigerforderungen wirksam schützen können.
Das Risiko der Insolvenz besteht in jedem Markt. Tritt sie jedoch in einem fremden Land ein, ist man mit dem rechtlichen Terrain möglicherweise nicht vertraut. Für Unternehmen, die in Mittel- und Osteuropa (MOE) tätig sind, ist es von entscheidender Bedeutung, die Rahmenbedingungen für Insolvenzen in Serbien zu verstehen, insbesondere wenn ein lokaler Partner oder Schuldner zahlungsunfähig wird.
Dieser Artikel umreißt die wichtigsten Rechtsfolgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Serbien, die Schritte, die Gläubiger* unternehmen müssen, sowie die verfügbaren Optionen zum Schutz und zur Beitreibung von Forderungen. Er ist insbesondere relevant für ausländische Unternehmen, deren serbische Geschäftspartner Insolvenz angemeldet haben.
Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
Das Insolvenzverfahren in Serbien wird durch das Insolvenzgesetz geregelt, das jüngst in diesem Jahr novelliert wurde. Gemäß diesem Gesetz kann ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden, wenn ein Unternehmen als zahlungsunfähig oder überschuldet gilt oder nicht im Einklang mit dem vereinbarten Sanierungsplan handelt.
Ein Unternehmen gilt als zahlungsunfähig, wenn es nicht in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen bei Fälligkeit nachzukommen. Belege hierfür sind typischerweise andauernde Nichtbegleichung von Schulden, gesperrte Bankkonten oder Vollstreckungsmaßnahmen. Zahlungsunfähigkeit wird vermutet, wenn das Unternehmen eine fällige Verbindlichkeit nicht innerhalb von 45 Tagen nach Fälligkeit beglichen hat oder wenn seine Konten seit mehr als 30 Tagen ununterbrochen gesperrt sind.
Ein Unternehmen gilt als überschuldet, wenn seine Verbindlichkeiten den Wert seiner Aktiva übersteigen. Es handelt sich dabei um eine bilanzielle Überschuldung (Unterbilanz), die durch Finanzberichte oder Sachverständigenanalysen festgestellt werden kann.
Ein Insolvenzverfahren kann eingeleitet werden durch
- freiwilligen Antrag des schuldnerischen Unternehmens selbst,
- einen Gläubiger, der nachweisen muss, dass der Schuldner die oben genannten rechtlichen Kriterien für Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung oder fehlende Einhaltung des Sanierungsplans erfüllt,
- den Liquidationsverwalter, wenn es sich um einen im Gesellschaftsrecht vorgeschriebenen Fall handelt.
In bestimmten Branchen, wie dem Bank- oder Versicherungswesen, können auch andere befugte Stellen wie die serbische Nationalbank im Rahmen der für diese Branche geltenden Gesetzgebung eine Rolle spielen.
Das Handelsgericht prüft den Antrag und die vorgelegten Beweise, um festzustellen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegeben sind. Ist dies der Fall, erlässt es einen Beschluss zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und bestellt einen Insolvenzverwalter. Der Beschluss wird dann im Amtsblatt der Republik Serbien veröffentlicht, und der Firmenname des Schuldners erhält den Zusatz „in Insolvenz″.
Rechtsfolgen einer Insolvenzeröffnung
Sobald das Handelsgericht einen Beschluss zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassen hat bzw. sobald der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens veröffentlicht wurde, ergeben sich mehrere unmittelbare Rechtsfolgen:
- Die Geschäftsführung des Schuldners verliert alle Befugnisse, im Namen des Unternehmens zu handeln, und ein Insolvenzverwalter wird bestellt, um die Verwaltung der Vermögensgegenstände und die Leitung des Geschäftsbetriebs des Schuldners zu übernehmen.
- Alle Vollstreckungs- und Gerichtsverfahren gegen den Schuldner werden ausgesetzt, d. h. die Gläubiger können keine individuellen Vollstreckungsmaßnahmen mehr verfolgen.
- Das Vermögen des Schuldners wird in der Insolvenzmasse konsolidiert, und jede Veräußerung von Vermögensgegenständen, insbesondere von solchen mit höherem Wert, ist ohne gerichtliche Genehmigung nichtig.
- Bestimmte Verträge können gekündigt oder ausgesetzt werden, je nachdem, wie der Insolvenzverwalter ihren Nutzen für die Insolvenzmasse einschätzt.
- Ab dem Tag der Verfahrenseröffnung werden alle Forderungen gegen den Schuldner fällig. Es fallen keine Zinsen mehr auf unbesicherte Forderungen an.
Diese Maßnahmen dienen dazu, die Insolvenzmasse zu erhalten und die Gleichbehandlung der Gläubiger zu gewährleisten. Der Insolvenzverwalter ist verantwortlich für die Verwaltung der Insolvenzmasse, die Identifizierung von Vermögensgegenständen, die Überprüfung von Forderungen und schließlich die Verteilung der Erlöse.
Forderungsanmeldung: Ein entscheidender Schritt für Gläubiger
Zur Teilnahme an der Verteilung der Insolvenzmasse müssen die Gläubiger ihre Forderungen innerhalb einer gesetzlichen Frist von höchstens 120 Tagen ab dem Datum der Veröffentlichung des gerichtlichen Verfahrenseröffnungsbeschlusses anmelden.
Die Forderungsanmeldung muss die folgenden Angaben enthalten:
- den geschuldeten Betrag und dessen Rechtsgrundlage, wie z. B. ein Vertrag, eine Rechnung oder ein Gerichturteil,
- Forderungsbelege,
- die Angabe, ob die Forderung besichert oder unbesichert ist und ob es Bürgen für die Verpflichtung gibt.
Die Forderungen müssen schriftlich beim Insolvenzverwalter angemeldet werden, der für die Überprüfung und Verifizierung zuständig ist. Bestreitet der Insolvenzverwalter die Forderung, wird die Angelegenheit an das Handelsgericht verwiesen, das endgültig über die Wirksamkeit und Höhe der streitigen Forderung entscheidet.
Alle Forderungen, die nach Ablauf der 120-Tage-Frist angemeldet werden, werden als verspätet zurückgewiesen. Daher ist eine rechtzeitige und vollständige Anmeldung entscheidend für die Wahrung der Gläubigerrechte und die Sicherstellung der Teilnahme an der Verteilung der Insolvenzmasse.
Sicherungsgläubiger im Vergleich zu ungesicherten Gläubigern: Wer erhält zuerst Zahlungen?
Sicherungsgläubiger
Nach serbischem Recht gibt es mehrere Arten von Sicherungsgläubigern. Ein Sicherungsgläubiger oder absonderungsberechtigter Gläubiger (razlučni poverilac) gilt als solcher, wenn er ein gesetzliches Recht an einem bestimmten Vermögensgegenstand des Schuldners hat, z. B. eine Hypothek auf eine Immobilie oder ein Pfandrecht auf eine bewegliche Sache, das seine Forderung gegenüber dem Schuldner absichert. Diese Gläubiger haben bei Zahlungen aus diesem Vermögensgegenstand Vorrang.
Pfandgläubiger (založni poverioci) können ein Pfandrecht am Vermögen des Schuldners besitzen, haben jedoch eine Geldforderung gegen einen Dritten, nicht den Schuldner. Auch wenn sie keine direkte Forderung gegen den Schuldner besitzen, können sie dennoch am Verfahren beteiligt werden, um ihr Sicherungsrecht zu schützen. Dazu müssen sie das Gericht innerhalb der Frist für die Anmeldung von Forderungen in Kenntnis setzen, einen Nachweis über das Pfandrecht vorlegen und die Höhe der gegenüber einem Dritten bestehenden besicherten Forderung angeben.
Wesentlich sind u. a. folgende Punkte:
- Die Sicherheit muss ordnungsgemäß zum Beispiel im Pfandregister oder Immobilienkataster eingetragen sein.
- Der Sicherungsgläubiger muss seine Forderung dennoch im Insolvenzverfahren anmelden.
- Wenn der Vermögensgegenstand verkauft wird, ohne dass die Schulden damit vollständig abgedeckt werden, wird der verbleibende Teil der Forderung als ungesichert behandelt.
- Der Vermögensgegenstand wird in der Regel vom Insolvenzverwalter veräußert. Das Gericht kann dem Sicherungsgläubiger jedoch gestatten, innerhalb von 9 Monaten nach der Veröffentlichung des Beschlusses über die Insolvenzeröffnung direkt in die Sicherheit zu vollstrecken.
Aussonderungsberechtigte Gläubiger (izlučni poverioci) haben ein dingliches oder persönliches Recht, den Ausschluss eines bestimmten Gegenstands aus der Insolvenzmasse zu verlangen. Wenn sie beispielsweise einen Eigentumsvorbehalt oder ein Nutzungsrecht an dem Vermögensgegenstand innehaben, können sie geltend machen, dass dieser nicht als Teil der Insolvenzmasse des Schuldners liquidiert werden darf.
Ungesicherte Gläubiger
Ungesicherte Gläubiger erhalten eine Zahlung aus dem allgemeinen Vermögensbestand, nachdem die besicherten Forderungen befriedigt worden sind. Die gesetzliche Rangfolge ist wie folgt:
- die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten für den Insolvenzverwalter und der Gerichtskosten,
- Ansprüche von Arbeitnehmern wie Löhne und Abfindungen,
- öffentlich-rechtliche Forderungen, einschließlich Steuern und Sozialabgaben,
- ungesicherte Gläubiger,
- nachrangige Forderungen wie beispielsweise Gesellschafterdarlehen.
Ungesicherte Gläubiger werden im Verhältnis der Höhe ihrer Forderungen zur verfügbaren Insolvenzmasse berücksichtigt. In der Praxis ist die durchschnittliche Insolvenzquote für ungesicherte Gläubiger in Serbien relativ gering. Sie liegt je nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und dem Wert der Insolvenzmasse häufig zwischen 5 % und 15 %.
Einstweilige Maßnahmen: Frühzeitiger Schutz Ihrer Interessen
Bei der Einreichung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens können Gläubiger beim Handelsgericht einstweilige Maßnahmen beantragen, um eine Vermögensverschiebung des Schuldners oder die Vernichtung von Geschäftsunterlagen zu verhindern.
Diese Maßnahmen sind besonders wichtig im Zeitraum zwischen der Einreichung des Insolvenzantrags und der Entscheidung des Gerichts über die Eröffnung des Verfahrens, wenn die Gefahr besteht, dass der Schuldner sein Vermögen verschleiert, überträgt oder auf andere Weise dessen Wert mindert.
Das Gericht kann auf Antrag eines Gläubigers eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen anordnen:
- Bestellung eines vorläufigen Verwalters, der die Geschäfte des Schuldners bis zur Bestellung eines Insolvenzverwalters überwacht,
- Verbot von Zahlungen oder Banküberweisungen,
- Verbot der Veräußerung von Vermögensgegenständen durch den Schuldner,
- Verbot oder einstweilige Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner.
Diese Instrumente sind besonders hilfreich für ausländische Gläubiger, die möglicherweise keinen direkten Zugang zu lokalen Vollstreckungsmechanismen oder Echtzeit-Einblick in das Verhalten des Schuldners haben.
Praktische Empfehlungen für ausländische Gläubiger
Im Fall der Insolvenz Ihres serbischen Schuldners sind folgende Schritte zu unternehmen:
- Vergewissern Sie sich bezüglich der Eröffnung des Verfahrens über das Amtsblatt und die serbische Handelsregisterbehörde (achten Sie auf den Zusatz „in Insolvenz” in der Firma).
- Stellen Sie Nachweise wie Verträge, Rechnungen und relevante Korrespondenz zusammen.
- Melden Sie Ihre Forderung innerhalb von 120 Tagen nach Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses an.
- Im Fall, dass Sie einen Insolvenzantrag stellen, ziehen Sie vorläufige Maßnahmen in Betracht, wenn die Gefahr besteht, dass Vermögenswerte dem Zugriff der Gläubiger entzogen werden.
- Beteiligen Sie sich am Verfahren, indem Sie an Gläubigerversammlungen teilnehmen und die Berichte des Insolvenzverwalters prüfen.
- Ziehen Sie einen Rechtsberater vor Ort hinzu, der Sie durch die verfahrensrechtlichen und sprachlichen Herausforderungen führt.
Mit der richtigen Strategie und lokaler rechtlicher Unterstützung ist es möglich, den Prozess effektiv zu steuern und die Zahlung aus der Insolvenzmasse zu maximieren.
Wir informieren Sie in unserer Blog-Serie zu Restrukturierung in CEE fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert. Den Auftakt zur Blogserie hat der Einführungsbeitrag gemacht, weitere Beiträge folgen.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.