29. September 2025
Rückforderung Insolvenzverwalter Kroatien
Restrukturierung in CEE

Rückforderung durch den Insolvenzverwalter in der CEE-Region

Besteht für deutsche Unternehmen das Risiko, erhaltene Zahlungen zurückzahlen zu müssen?

Mit der Zunahme grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit zwischen Deutschland einerseits und Mittel- und Osteuropa (CEE) andererseits ist das Risiko der Rückforderung von Zahlungen, die ein Unternehmen von einem nun insolventen Geschäftspartner erhalten hat, weiterhin von wesentlichem Belang für deutsche Unternehmen.

Deutsche Investoren können durchaus wohlwollend auf Kroatien schauen, ein Land, dessen insolvenzrechtlicher Rahmen sowohl mit deutschen als auch mit EU-Standards im Einklang steht und dessen weiteres wirtschaftliches Umfeld strategische Vorteile bietet. Als voll integriertes EU-Mitglied, verankert durch den Euro und seit 2023 im Schengen-Raum, verbindet Kroatien geopolitische Stabilität mit nahtlosem grenzüberschreitendem Handel und finanzieller Integration.

Der Rechtsrahmen in Kroatien

In Übereinstimmung mit dem EU-Rahmen errichtet das kroatische Insolvenzgesetz ein Gläubigerschutzsystem zur Anfechtung von Rechtshandlungen, die ein Schuldner* vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat. Das zentrale Grundprinzip besteht darin, eine unfaire Wertminderung der Insolvenzmasse des Schuldners zum Nachteil der Gläubiger zu verhindern und die Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger bei der Vermögenverteilung sicherzustellen.

In diesem Sinne kennt das kroatische Recht verschiedene Kategorien von Rechtsgeschäften, die der Rückforderung unterliegen können:

  1. Kongruente Deckung (Kongruentno namirenje): Hierbei handelt es sich um Zahlungen oder Sicherungsrechte, die einem Gläubiger auf eine Weise und zu einem Zeitpunkt gewährt werden, die mit seinen tatsächlich bestehenden Rechten konform sind (z. B. die Begleichung einer Rechnung zum Fälligkeitsdatum). Solche Handlungen können angefochten werden, wenn sie innerhalb von drei Monaten vor Insolvenzantragstellung vorgenommen wurden, sofern der Schuldner zahlungsunfähig war und der Gläubiger von der Zahlungsunfähigkeit wusste oder hätte wissen müssen.
  2. Inkongruente Deckung (Inkongruentno namirenje): Hierbei handelt es sich um Zahlungen oder Sicherheiten, die auf eine Weise oder zu einem Zeitpunkt geleistet wurden, auf die der Gläubiger keinen Anspruch hatte (z. B. vorzeitige Tilgung, Gewährung einer Sicherheit für eine Altschuld). Diese unterliegen noch strengeren Regelungen und können angefochten werden, wenn sie innerhalb eines Monats vor Insolvenzantragstellung vorgenommen wurden oder, wenn der Schuldner zahlungsunfähig war oder der Gläubiger wusste, dass die Zahlung andere Gläubiger schädigen würde, innerhalb von zwei bis drei Monaten.
  3. Rechtsgeschäfte unter Wert (Pravne radnje bez naknade ili uz neznatnu naknadu): Dazu gehören Geschenke, Zuwendungen und Rechtsgeschäfte, bei denen der Schuldner eine geringe oder gar keine Gegenleistung erhält. Solche Geschäfte gelten als gläubigerbenachteiligend und können angefochten werden, wenn sie innerhalb von vier Jahren vor der Insolvenzantragstellung getätigt wurden. In diesem Fall muss der Insolvenzverwalter den Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung nicht nachweisen; es ist ausreichend zu zeigen, dass das Rechtsgeschäft unentgeltlich oder für eine geringfügige Gegenleistung erfolgte.
  4. Vorsätzliche Schädigung von Gläubigern (Namjerno oštećenje vjerovnika): Das ist die umfassendste und weitreichendste Kategorie. Jede Rechtshandlung, die in der Absicht vorgenommen wurde, Gläubiger zu schädigen, kann bis zu zehn Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefochten werden, sofern der Empfänger von der Absicht des Schuldners wusste oder hätte wissen müssen. Dieser Zeitraum ist außergewöhnlich lang und dient dazu, betrügerische Machenschaften und geheime Absprachen zu erfassen, selbst wenn diese viele Jahre vor der Insolvenz stattgefunden haben.

Das kroatische Insolvenzgesetz legt ausdrücklich fest, dass die entsprechenden Fristen (drei Monate, ein Monat, vier Jahre, zehn Jahre) vom Datum der Stellung des Insolvenzantrags bei Gericht, und nicht vom Datum der Verfahrenseröffnung zurück zu berechnen sind.

Grenzüberschreitende Geltung und EU-Harmonisierung

Der kroatische insolvenzrechtliche Rahmen ist mit der EuInsVO harmonisiert; dadurch ist sichergestellt, dass Rückforderungsklagen und entsprechende Urteile innerhalb der EU eine grenzüberschreitende Wirkung entfalten können. Das bedeutet, dass ein kroatisches Gericht verfügen kann, dass ein deutsches Unternehmen, das Zahlungen oder Vermögenswerte von einem kroatischen Schuldner erhalten hat, diese Vermögenswerte zurückgeben muss und die Verfügung in Deutschland vollstreckt werden kann.

Risiken für deutsche Unternehmen in der Praxis

Für deutsche Unternehmen ist das Risiko dann am höchsten, wenn sie Vermögenswerte unter Marktwert erwerben, konzerninterne Rechtsgeschäfte mit kroatischen Geschäftspartnern in finanzieller Not abschließen oder ähnliche Handlungen durchführen. Vor allem Zahlungen, die kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistet wurden, unterliegen dem Anfechtungsrisiko, insbesondere wenn der Schuldner bereits zahlungsunfähig war oder die Zahlung nicht im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs erfolgte.

In der Praxis trägt der Insolvenzverwalter die Beweislast für die Rückforderungsgründe, aber diese kann sich je nach Art des Rechtsgeschäfts verlagern. Bei vorsätzlicher Schädigung beispielsweise muss der Insolvenzverwalter sowohl den Vorsatz des Schuldners als auch die Kenntnis des Empfängers nachweisen, oft gestützt auf Indizien. Bei Rechtsgeschäften unter Wert geht das Gesetz jedoch von Gläubigerschädigung aus und der Empfänger muss nachweisen, dass das Rechtsgeschäft für angemessene Gegenleistung und nach Treu und Glauben durchgeführt wurde.

Für in Kroatien tätige deutsche Unternehmen sollte das Insolvenzrisiko nicht unterschätzt werden

Der beste Schutz ist Vorbeugung: Prüfen Sie die finanzielle Gesundheit von Geschäftspartnern mit der erforderlichen Sorgfalt, dokumentieren Sie alle Rechtsgeschäfte sorgfältig und stellen Sie sicher, dass Zahlungen und Übertragungen in Übereinstimmung mit dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb und für eine angemessene Gegenleistung erfolgen.

Fällt ein kroatischer Geschäftspartner in Insolvenz, sollten sich deutsche Unternehmen umgehend rechtlich beraten lassen, um ihr Risiko einzuschätzen und eine Verteidigung vorzubereiten für den Fall, dass sie mit Rückforderungen konfrontiert werden. In vielen Fällen kann der Nachweis von Treu und Glauben, des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs und der Nichtkenntnis der Insolvenz des Schuldners entscheidend sein.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der kroatische Rechtsrahmen zwar auf Gläubigerschutz und die Gewährleistung von Fairness bei Insolvenz ausgerichtet ist, aber für ausländische Geschäftspartner auch erhebliche Risiken birgt. Deutsche Unternehmen sollten proaktiv handeln sowie informiert und darauf vorbereitet sein, im Falle einer Rückforderung ihre Interessen zu verteidigen.

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* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Insolvenzverwalter Kroatien Restrukturierung in CEE Rückforderung