Restrukturierungsinstrumente in CEE: Welche Optionen bieten vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren und formelle Insolvenzverfahren für Schuldner und Gläubiger?
In der CEE-Region stehen Unternehmen und Kreditgebern verschiedene Restrukturierungsinstrumente zur Verfügung, um auf Krisensituationen bei Immobilienprojekten oder anderen Unternehmensfinanzierungen zu reagieren. Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal ist dabei unabhängig von der Rechtsordnung, ob die Restrukturierung vorinsolvenzlich bzw außergerichtlich – also außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens oder Restrukturierungsverfahrens (auf Grundlage der RL 2019/1023, in CEE-Staaten, die EU-Mitglied sind) – oder im Rahmen eines gerichtlichen Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahrens erfolgt.
Gläubiger* können zwischen verschiedenen Strategien wählen. Neben der aktiven Mitwirkung an einer Restrukturierung (siehe Pkt 1) besteht die Möglichkeit, notleidende Kredite (NPLs) zu verkaufen oder Assets direkt zu übernehmen (zB durch eine Verwertung von Sicherheiten wie Pfandrechten). Je nach Risikobereitschaft und Strategie kann ein Gläubiger auch als (temporärer) Eigentümer auftreten, um ein Upside-Potenzial zu realisieren. Wichtig ist dabei die sorgfältige Prüfung der rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen, insbesondere bei komplexen Strukturen.
Außergerichtliche Restrukturierung
Vorinsolvenzliche Restrukturierungen bieten die Möglichkeit, eine Krise frühzeitig und ohne Einschaltung des Gerichts zu bewältigen. Hierbei handelt es sich meist um bilaterale oder multilaterale Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubigern, mit dem Ziel, eine vertragliche Einigung über die Sanierung zu erzielen.
Grundlage
Eine außergerichtliche Restrukturierung wird typischerweise durch den Schuldner angestoßen, der (hoffentlich rechtzeitig) merkt, dass er sich in einer (drohenden) Krise befindet. Im besten Fall gelingt eine außergerichtliche Restrukturierung, die das Unternehmen stabilisiert und den Fortbestand sichert.
Voraussetzung ist neben dem tragfähigen Sanierungskonzept auch die Bereitschaft aller Gläubiger zur Zusammenarbeit. Ein Steering Committee und professionelle Berater sorgen für Transparenz und die Gleichbehandlung aller Beteiligten. Besonders wichtig: Frisches Kapital wird in der Regel als „super senior“ behandelt, um neue Investoren zu schützen.
Der große Vorteil vorinsolvenzlicher Verfahren liegt in der Flexibilität und der Möglichkeit, Imageschäden sowie Kosten eines öffentlichen Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahrens zu vermeiden. Allerdings ist die Einigung aller Gläubiger erforderlich – einzelne Gläubiger können durch Blockadehaltung den Erfolg gefährden.
Gläubiger müssen für sich prüfen, ob eine Teilnahme an einer solchen außergerichtlichen Restrukturierung (a) wirtschaftlich sinnvoll und (b) rechtlich vertretbar ist.
Rechtliche Vertretbarkeit
Rechtlich vertretbar ist die Teilnahme, dann, wenn durch die Maßnahmen keine Insolvenzverschleppung erfolgt und die Restrukturierung auf einem tauglichen Sanierungskonzept basiert. Die Tauglichkeit ist durch zB eine Fortbestehensprognose oder ein IDW S6-Gutachten (Sanierungsgutachten nach Standard Nr. 6 des Instituts der Wirtschaftsprüfer) nachzuweisen. Dies ist insbesondere nötig, um das Risiko
Wirtschaftliche Sinnhaftigkeit
Wirtschaftlich sinnvoll ist die Teilnahme für Gläubiger zB dann, wenn die Restrukturierung die Recovery Quote für die Verbindlichkeiten im Vergleich zu einem Insolvenzverfahren erhöht oder den Ausfall durch einen gesicherten Fortbestand eventuell sogar verhindert.
Maßnahmen in der Restrukturierung
Typische Maßnahmen sind die Anpassung von Kreditbedingungen, Stundungen, Prolongationen oder die Bereitstellung von frischem Kapital.
In einer außergerichtlichen Restrukturierung können verschiedene Instrumente bzw Ausgestaltungsvarianten zum Einsatz kommen, etwa:
- der Verkauf von Vermögenswerten (Asset-Sale);
- der (Teil-)Verkauf von notleidenden Krediten (NPL) an neue Investoren;
- die Übernahme des gesamten betroffenen Projektes durch neue Investoren; oder
- oder die Umwandlung von Schulden in Eigenkapital (Debt/Equity Swap).
Ein weiteres Instrument ist das „Warehousing“, bei dem Vermögenswerte (meist Liegenschaftsprojekte) vorübergehend „geparkt″ (in der sprichwörtlichen „Lagerhalle″) werden, um sie zu einem späteren Zeitpunkt – etwa nach einer Markterholung – zu veräußern.
In größeren Unternehmensgruppen kann Teil des Sanierungskonzepts auch sein, einzelne Vermögensteile der Gruppe zu trennen, durch einen „Carve-out″ aus dem Rest der Gruppe zu lösen. Das kann zB bei einem Immobiliendeveloper Sinn machen, wenn man einzelne Projekte, die typischerweise in SPVs finanziert sind von der Holding-Ebene trennen will. Ein solche Carve-out kann zB durch eine doppelseitige Sanierungstreuhand implementiert werden, bei der ein unabhängiger Dritter als Treuhänder für den Schuldner und die Gläubiger (daher die Doppelseitigkeit)
Formelle Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahren: Strukturierte Sanierung unter gerichtlicher Aufsicht
Ist eine außergerichtliche Restrukturierung nicht möglich, bleibt oft nur der Weg, über ein gerichtliches Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahren eine kontrollierte Abwicklung oder einen Neustart unter veränderten Bedingungen herbeizuführen. Hier werden die Rechte und Pflichten von Schuldnern und Gläubigern klar geregelt, und es besteht die Möglichkeit, Vermögenswerte zu verwerten oder das Unternehmen im Rahmen eines Sanierungs- oder Restrukturierungsplans zu sanieren.
Nationale Gesetzgeber haben unterschiedliche Möglichkeiten geschaffen, Unternehmen in der Insolvenz zu sanieren. Mit der RL 2019/1023 wurde in CEE-Staaten, die EU-Mitglied sind, ein harmonisierter Verfahrenstyp zur gerichtlichen Restrukturierung geschaffen, dessen Effektivität aber sehr von der konkreten in den einzelnen Staaten abhängt. Dies hängt insbesondere davon ab, ob bei der konkreten Umsetzung die RL quasi 1:1 übernommen wurde oder ob der Gesetzgeber darüber hinaus „kreativ″ tätig war, um zB eine operative Restrukturierung zu fördern (bei der über die RL hinaus nötig ist, ähnlich wie bei Insolvenzverfahren, „tiefer″ in zB Verträge mit Lieferanten oder Vermietern einzugreifen). Der „Grundtyp″ des Restrukturierungsverfahrens nach der RL, wie zB in Österreich umgesetzt, ist auf die Regulierung von Finanzschulden gerichtet. Hier empfiehlt sich eine konkrete rechtliche Analyse, der nach der anwendbaren Rechtsordnung verfügbaren Optionen.
Auch sogenannte Credit Bids, bei denen Gläubiger ihre Forderungen mit dem Kaufpreis für das Asset aufrechnen und so aus der Insolvenz herauskaufen können, sind möglich.
Der Nachteil formeller Verfahren liegt in den oft höheren Kosten, längeren Zeiträumen und der geringeren Flexibilität. Zudem reduziert sich die Recovery-Quote für Gläubiger durch Verfahrenskosten und mögliche Steuern (z.B. Grunderwerbsteuer).
Fazit: Flexibilität und Strategie sind entscheidend
Die Restrukturierung von Unternehmen oder Immobilienprojekten in CEE erfordert maßgeschneiderte Lösungen. Vorinsolvenzliche außergerichtliche Restrukturierungen bieten Flexibilität und Diskretion, während formelle Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahren Rechtssicherheit und Struktur bieten. Für Schuldner und Gläubiger ist es entscheidend, frühzeitig die passende Strategie zu wählen und professionelle Berater einzubinden, um die bestmögliche Recovery-Quote zu erzielen und Wertverluste zu minimieren.
Wir informieren Sie in unserer Blog-Serie zu Restrukturierung in CEE fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert. Den Auftakt zur Blogserie hat der Einführungsbeitrag gemacht, weitere Beiträge folgen.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.