8. Februar 2024
Synthetische W&I Versicherung
W&I-Versicherungen

Synthetische W&I Versicherungen – Eine weitere Begrenzung der Verkäuferhaftung

W&I Versicherer sind bei der Begrenzung der Verkäuferhaftung teilweise sogar bereit, einen Schritt weiterzugehen und bieten zunehmend synthetische Lösungen an.

W&I Versicherungen sind in heutigen M&A Transaktionen nicht mehr wegzudenken. Im Vordergrund steht dabei die Beschränkung beziehungsweise Verlagerung von Haftungsrisiken des Verkäufers auf den W&I Versicherer im Falle von Verletzungen von im Kaufvertrag vereinbarten Verkäufergarantien. Es verwundert daher nicht, dass ein Verkäufer insbesondere in Bieterverfahren den Abschluss einer Käuferpolice voraussetzt. 

Zu Transaktionsrisiken und Nebenwirkungen verhandeln Sie mit dem Verkäufer – oder doch ausschließlich mit dem W&I Versicherer?

Wobei auch einem Käufer eine W&I Versicherung zugutekommt. Denn mit einem W&I Versicherer als haftende Partei in Fällen von Garantieverletzungen dürfte das Liquiditätsrisiko für den Käufer quasi auf null reduziert sein. Im dadurch immer kompetitiver werdenden W&I Markt steigen die Angebote seitens der W&I Versicherungen – auch synthetische Lösungen werden seitens der W&I Versicherung angeboten. Mit anderen Worten werden in der Versicherungspolice bestimmte Bausteine losgelöst vom zu versichernden Kaufvertrag geregelt. 

Auch die Vereinbarung von vollständig synthetisch versicherten Garantiekatalogen ist denkbar. Das bedeutet, dass Garantien zur Zielgesellschaft ausschließlich bilateral zwischen dem Käufer und der W&I Versicherungen verhandelt werden – der Verkäufer wiederum selbst gibt keine auf die Zielgesellschaft bezogenen Verkäufergarantien ab.

W&I Versicherungen bieten eine Palette an (synthetischen) Lösungen

Es gibt verschiedene Ausprägungen von „synthetischer W&I“. Im Ergebnis wird das im Kaufvertrag geltende Haftungsregime nicht spiegelbildlich übernommen.

So werden in Policen immer wieder Definitionen wie „Schaden“ oder „Kenntnis des Verkäufers“ weiter gefasst als im Kaufvertrag. Längere Verjährungsfristen oder niedrigere Bagatellgrenzen in der Police sind weitere Beispiele synthetischer Erscheinungsformen. Auch sind Versicherer bereit, im Kaufvertrag kenntnisqualifizierte Garantien als objektive Garantien abzusichern – sogenanntes „ Knowledge Scrape“. Oder W&I Policen eröffnen die Möglichkeit, Steuerfreistellungen vollständig synthetisch zu versichern, ohne dass eine solche im Kaufvertrag vorgesehen ist.

In der Praxis sind jedoch vollständig synthetische Garantiekataloge weiterhin die Ausnahme. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen W&I-Versicherung sichert die Police im Falle synthetischer Garantien – mangels Garantien des Verkäufers – keine Verkäufergarantien ab. Vielmehr definieren Versicherer und Käufer eigenständig eine garantieähnliche Deckung, die einem üblichen Verkäufergarantiekatalog gleichkommt. Es wird somit eine eigenständige Verpflichtung des Versicherers losgelöst vom Kaufvertrag begründet. Synthetische Versicherungen sind derzeit eher in Insolvenzszenarien anzutreffen; in diesen Fällen ist es einem Insolvenzverwalter häufig unzumutbar, Garantien in Bezug auf die Zielgesellschaft abzugeben.

Drum prüfe, wer sich ewig „synthetisch“ bindet

Grundvoraussetzung für den W&I Versicherungsschutz im Allgemeinen ist eine umfassende Due Diligence. Denn nur wenn das Risiko für die W&I Versicherung nachprüfbar und damit kalkulierbar ist, wird sich ein W&I Versicherer dazu bereit erklären, bestimmte Garantien abzusichern. Auch bei einem synthetischen Versicherungsschutz wird es stark von der „Übersichtlichkeit” sowie der Dokumentationslage abhängen. 

Der Deckungsumfang einer synthetischen Police wird vom Deckungsumfang jedoch eher hinter dem einer „klassischen W&I Versicherung“ zurückbleiben. Das Risiko ist für einen W&I Versicherer in Fällen synthetischer Garantien häufig(er) unkalkulierbar, weil die spezifische Offenlegung von Sachverhalten hinsichtlich einzelner Garantien durch den Verkäufer entfällt. Diese sind nicht nur für den Käufer im Hinblick auf operative Garantien entscheidend, sondern auch für eine W&I Versicherung zur Risikoidentifizierung. Zudem fehlt insbesondere der Anreiz für den Verkäufer, aufgrund einer möglichen Vorsatzhaftung sorgsam mit dem Thema Offenlegung umzugehen. Ist ein Verkäufer nicht gewillt, Garantien für die Richtigkeit seiner Aussagen im Kaufvertrag zu übernehmen, entsteht bei einem W&I Versicherer nachvollziehbarerweise eine gewisse Skepsis. 

Aus Verkäufersicht wird das Risiko einer Haftung aufgrund von Aussagen ins Blaue hinein minimiert

Ein vollständig synthetischer Garantiekatalog ist für den Verkäufer aufgrund der zusätzlichen Reduzierung seines Haftungsrisikos vorteilhaft. Grundsätzlich trägt der Verkäufer auch beim Einsatz einer herkömmlichen W&I-Versicherung stets das Risiko der Vorsatzhaftung. Gibt ein Verkäufer „vorsätzlich“ falsche Garantien ab, wird das vertraglich vereinbarte Haftungsregime durch die Hintertür ausgehebelt. Mit den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Wissenszurechnung und Aussagen ins Blaue hinein ist ein Verkäufer, ehe er sich versieht, schnell in der Vorsatzhaftung – das war es dann mit der schönen Idee der Haftungsverlagerung. Mangels Verkäufergarantien und entsprechender Rechtsfolgenregelungen fehlt es im Kaufvertrag an einer Haftungsgrundlage. Wenn der Verkäufer keine Garantien abgibt, kann er über diese auch nicht mehr „arglistig“ täuschen. Dadurch verzichten W&I Versicherer auf ihr letztes Sicherheitsnetz, den Verkäufer im Falle von vorsätzlich falsch abgegebenen Garantien in Regress nehmen zu können.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Versicherer beim Thema synthetische Versicherungspolicen (bislang) eher zurückhaltend auftraten und diese meist nur in Fällen anbieten, welche für sie als „kalkulierbar“ erscheinen. Aus Verkäufersicht ist zu beachten, dass eine gesetzliche Deliktshaftung bzw. eine cic-Haftung auch bei synthetischen Garantien weiterhin möglich ist. 

Synthetische Versicherungen auf dem Vormarsch?

Es lässt sich feststellen, dass sich der W&I Markt im Hinblick auf das Bedürfnis nach synthetischen Produkten in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt hat. In bestimmten Situationen gibt es bereits heute die Möglichkeit, umfassende Garantiekataloge synthetisch zu versichern, auch wenn diese nicht zwischen den Parteien ausgehandelt wurden, wie etwa in Insolvenzszenarien.

Gleichwohl steht dieses W&I Teilgebiet weiterhin am Anfang. Gerade für die Frage, ob der Abschluss von synthetischen Versicherungen in einer Transaktion in Frage kommt, eignet sich die Zwischenschaltung eines Versicherungsmaklers. Er prüft anhand des Unternehmenskaufvertrages und der Risiken, die abgesichert werden sollen, ob es einen Versicherungsmarkt für die entsprechenden Risiken gibt und ob eine W&I Versicherung grundsätzlich willens wäre, eine synthetische Versicherung abzuschließen. Durch eine gute Argumentation des Versicherungsmaklers erhöht sich die Chance, dass sich eine W&I Versicherung zu synthetischen Garantien bereit erklärt. Dabei müsste ein Versicherungsmakler klar darlegen, weshalb der Verkäufer in einer bestimmten Transaktion gerade keine Garantien abgeben kann oder die Vereinbarung eines Garantiekatalogs zwischen Käufer und Versicherer in der spezifischen Situation der bessere Weg ist.

Mit der rasanten Weiterentwicklung des W&I Markts bleibt es spannend, inwieweit synthetische Versicherungen weiter ausgebaut werden.

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