Über die boulevardmediale Skandalisierung der TV-Verträge zu Promi-Dschungeln und -Almen hatten wir im Sommerloch des letzten Jahres mit gewisser Verwunderung ob der damals behaupteten Sittenwidrigkeit berichtet. Das Landgericht Berlin hat jetzt einen Mitwirkendenvertrag unter einem anderen rechtlichen Aspekt bewertet und die Ausstrahlung einer „Frauentausch″-Folge untersagt. Beginnt mit diesem (noch nicht rechtskräftigen) Urteil ein besonderer „Verbraucherschutz″ für Fernseh-Laien? Im Ergebnis wohl eher nicht – allerdings hat das Gericht die Bedeutung transparenter und ehrlicher Informationen als Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung nochmals ausdrücklich gestärkt. Und das könnte für die mediale Mitwirkung von Laiendarstellern in Zukunft durchaus relevant sein.
Einer der ersten Medienberichte über das Berliner Urteil sprach noch vollmundig von einem „Schlag gegen die mediale Hinrichtung″ und in der Tat scheint die fragliche „Frauentausch″-Folge für die Betroffenen erhebliche Nachwirkungen gehabt zu haben: Im Prozess hat die Klägerin vorgetragen, dass ihre Kinder nach der Ausstrahlung gehänselt, die Familie beschimpft worden sei und sie unter anderem deshalb ihren Wohnort gewechselt hätten. Den rechtlichen Ansatzpunkt für das ausgesprochene Verbot sieht das Gericht allerdings nicht in diesen Konsequenzen, sondern in der der Ausstrahlung zugrundeliegenden Einwilligung (§ 22 KUG). Eine solche sei von der klagenden Mutter in der Mitwirkendenvereinbarung zwar erteilt worden, allerdings habe sich die Einwilligung lediglich auf eine „TV-Dokumentationsserie″ bezogen. Die tatsächlich ausgestrahlte Folge sei hierüber aber zum Nachteil der Klägerin weit hinausgegangen und die erteilte Einwilligung deshalb nicht ausreichend:
„Tatsächlich wurde das Verhalten der Klägerin nicht nur dokumentiert, sondern durch Einspielung von graphischen Elementen (…), von Musik und durch die Off-Stimme des Erzählers kommentiert. Diese Kommentare beschränken sich nicht auf die Bewertung der dokumentierten Erlebnisse, sondern dienen vor allem dazu, die Klägerin als Person lächerlich zu machen. (…) Insbesondere beschränken sich die von der Beklagten vorgenommenen Ergänzungen nicht auf harmlose ironische Kommentare, sondern stellen die Schwächen der Klägerin in den Mittelpunkt der gesamten Folge.″
Das Landgericht stellt hierzu fest, dass eine erteilte Einwilligung entsprechend der konkreten Zweckbestimmung eng auszulegen sei – in diesem Zusammenhang komme der Aufklärung über den Inhalt der Einwilligung eine erhebliche Bedeutung zu:
„Eine Bekanntmachung der beabsichtigten Verwendung ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Einwilligung des Betroffenen vor allem dann, wenn dieser im Umgang mit Medien unerfahren ist und wenn der Beitrag Vorgänge betrifft, deren Veröffentlichung für den Betroffenen unangenehm ist. Je weitergehender die geplante Veröffentlichung die Privatsphäre des Betroffenen betrifft, desto klarer muss er über die Verwendung und Art des Beitrags aufgeklärt worden sein.″
Bemerkenswert sind die weiteren Ausführungen des Gerichts, wonach es (entgegen der Auffassung der beklagten Produktionsfirma) nicht ausreicht, wenn sich der Betroffene freiwillig für ein bestimmte Format bewirbt oder andere Folgen der nämlichen Serie gesehen hat:
„Dabei wären hier die Aufklärungspflichten der Beklagten besonders umfangreich gewesen. Es kann ihren Mitarbeitern nicht verborgen geblieben sein, dass die Klägerin intellektuell schnell überfordert ist und offensichtlich keinerlei Erfahrungen im Umgang mit Medien hatte. Gerade deshalb hätte sie ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, dass sich die Beklagte die nachträgliche Bearbeitung der Aufnahmen vorbehält und dies auch dazu führen kann, dass Familienmitglieder lächerlich gemacht und verspottet werden.″
Gerade diese Ausführungen bergen einen gewissen Sprengstoff: Denn für eine wirksame Einwilligung des Mitwirkenden muss das Produktionsunternehmen mit einer „Politik des offenen Visiers″ agieren, bei der sowohl die nachträgliche Bearbeitung und Dramatisierung angefertigter Aufnahmen als auch die möglichen negativen Begleiterscheinungen der Mitwirkung ggf. ausdrücklich zur Sprache kommen müssen. Zudem darf das Produktionsunternehmen nicht per se von einer umfassenden eigenen Kenntnis des Einwilligenden im Hinblick auf die möglichen Konsequenzen der Medienpräsenz ausgehen. Das ist ein nachvollziehbarer Beitrag zu mehr Transparenz im Vorfeld einer Einwilligung (und ist auch in anderen Rechtsbereichen gang und gäbe). Allerdings wird dies in Zukunft auch nicht zwingend dazu führen, dass ausnahmslos jedem TV-Laien zusammen mit seinem Mitwirkendenvertrag ein Beipackzettel ausgehändigt werden muss, der über jede erdenkliche Nebenwirkung aufklärt – zu speziell sind die Umstände des entschiedenen Falles.
So begründet das Gericht die besonderen Anforderungen an die Aufklärungspflicht vor allem mit der Betroffenheit der Privatsphäre. Die Teilnehmer der gängigen Castingshows dürften deshalb mit weit weniger Pardon rechnen, auch wenn sie mit vergleichbaren optischen, musikalischen und stimmlichen Gestaltungselementen ins Lächerliche gezogen werden – immerhin finden diese Auftritte quasi-öffentlich statt und sind der Sozialsphäre zuzurechnen. Und auch die dschungelnde und almende Semiprominenz wird aus dem Urteil wenig für sich ableiten können, denn ihr wird wegen der Vermutung besonderer Medienkompetenz auch in Zukunft kaum Mitleid zuteil werden.
Nicht zuletzt betont das Landgericht Berlin auch im „Frauentausch″-Fall das verbleibende Maß an Eigenverantwortung des TV-Mitwirkenden. Denn die Zuerkennung einer (neben dem Unterlassungsanspruch geltend gemachten) Geldentschädigung hat das Gericht abgelehnt. Die Klägerin könne sich nicht dagegen wenden, dass Zuschauer aus der Abbildung des realen Geschehens in ihrem Hause negative Schlüsse ziehen. Durch ihre freiwillige und mit einer Aufwandsentschädigung vergütete Mitwirkung und ihr Nichteinschreiten gegen vermeintlich gestellte Szenen bei den Dreharbeiten habe sie erheblich zu ihrer Persönlichkeitsrechtsverletzung beigetragen. Trotz der nachgewiesenen intellektuellen Einschränkungen lägen jedenfalls keine Anhaltspunkte für Beeinträchtigungen nahe der Geschäftsunfähigkeit vor. Jedenfalls darauf durfte sich wohl auch der „Frauentausch″-Produzent verlassen.