13. Dezember 2018
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Medienrecht Presserecht

OLG Köln: Unzulässigkeit von AfD-Kritik auf wir-sind-afd.de

Die AfD muss sich keine Kritik unter ihrem eigenen Namen gefallen lassen, entschied das OLG Köln und gab einer entsprechenden Klage der Partei statt.

Ein Berliner Informatiker, der sich in seiner Freizeit auch als Blogger betätigt, hatte sich im November 2015 die Domain wir-sind-afd.de registrieren lassen. Dort hat er fortan unter der einleitenden Überschrift „Wir sind eine rechtsextreme, rassistische, menschenverachtende Partei und wir sitzen unter anderem im Deutschen Bundestag“ fragwürdige Originalzitate von Parteimitgliedern der Alternative für Deutschland (AfD) veröffentlicht. Er wollte, dass sich die Öffentlichkeit kritisch mit den Inhalten der AfD auseinandersetzt, um so – nach eigener Aussage – eine weltoffene und pluralistische Gesellschaft zu fördern.

Die Partei klagte daraufhin erfolgreich auf Unterlassung bezüglich der Domainregistrierung und -nutzung sowie auf Freigabe der Domain. Das Urteil wurde im September 2018 vom OLG Köln bestätigt (OLG Köln, Beschluss v. 27. September 2018 – 7 U 85/18; Vorinstanz: LG Köln, Urteil v. 6. Februar 2018 – 33 O 79/17). Die Revision wurde durch das OLG Köln nicht zugelassen, jedoch kündigte der Beklagte an, ein Revisionszulassungsverfahren einzuleiten.

Seit September 2018 ist die Website des Beklagten unter der Domain das-ist-afd.de abrufbar.

OLG Köln: Unzulässige Namensanmaßung

Das OLG Köln hat vor allem auf die Ausführungen des LG Köln Bezug genommen und den Unterlassungsanspruch der Partei wegen einer Namensrechtsverletzung aus §§ 12, 1004 BGB bejaht.

Der Name der Partei sei unabhängig von ihrem verfassungsrechtlich garantierten Status zivilrechtlich nach § 12 BGB geschützt. Dieser Schutz beziehe sich auch auf nicht als Wort aussprechbare Buchstabenfolgen, wenn diesen originäre Unterscheidungskraft zukäme. Dies sei vorliegend schon wegen der hohen Bekanntheit der Partei und der Üblichkeit der Verwendung von Parteiabkürzungen im Alltag zu bejahen.

Nach Auffassung des Gerichts stellt die Registrierung und Verwendung der streitgegenständlichen Domain wir-sind-afd.de eine verbotene Namensanmaßung dar. Diese setzt einen unbefugten Namensgebrauch voraus, der zu einer namensmäßigen Zuordnungsverwirrung und der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person führt. Hierfür reicht eine bloße Namensnennung nicht aus. Vielmehr prüfte das Gericht, ob die streitgegenständliche Domain einen Identitätsirrtum hervorruft, der die angesprochenen Verkehrskreise schlussfolgern lässt, die Website werde von der Partei verantwortet oder mit ihrer Zustimmung betrieben.

Das OLG Köln stimmte dem LG Köln darin zu, dass die Domain den Sinngehalt beinhalte, die Person, welche die Website betreibe, sei der Partei zugehörig, da der Domainname vom Verkehr im Sinne einer Eigenbenennung wahrgenommen werde. Dieser Eindruck werde noch durch die farbliche Gestaltung der Website in den auch von der Partei verwendeten Farben hellblau und rot verstärkt. Das Gericht gab dem Beklagten zwar insoweit recht, dass dieser Zuordnungsirrtum beim aufmerksamen Lesen der Texte auf der Website und genauerer Betrachtung der Gestaltung schnell offenbar werde. Sowohl aus der Überschrift der Website als auch aus den aufgelisteten Zitaten ergebe sich, dass es sich bei der Website nicht um Werbung für, sondern gegen die AfD handele. Jedoch liege der Zweck der Domainbezeichnung gerade darin, zunächst einen Identitätsirrtum hervorzurufen, um Besucher und Besucherinnen auf die Website zu locken, die sonst vielleicht nicht auf diese Seite gestoßen wären. Das OLG Köln stellte fest, dass es sich daher zwar nicht um eine schwerwiegende Zuordnungsverwirrung handele, jedoch seien die berechtigten Interessen der Klägerin in besonders schwerwiegender Weise betroffen, da unter ihrem eigenen Namen gegen sie Propaganda betrieben werde.

Unterlassungsanspruch sei kein Eingriff in die Meinungsfreiheit

Den Einwand des Beklagten, der Unterlassungsanspruch verletze ihn in seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG, wiesen die Gerichte zurück. Die Meinungsfreiheit des Beklagten sei nicht tangiert, da er seine Inhalte auch unter anderem Domainnamen veröffentlichen und dabei eine alternative Domain wählen könne, unter der er ein breites Publikum erreiche. Obgleich aus Art. 5 GG auch das Recht folge, für die eigene Meinungsäußerung diejenigen Umstände zu wählen, von denen man sich die größtmögliche Verbreitung und stärkste Äußerungswirkung verspreche, so lasse sich daraus

kein Anspruch auf einen bestimmten Domainnamen herleiten, um die eigene Gesinnung nach außen zu tragen.

Jedenfalls aber seien die berechtigten Interessen der Klägerin am Schutz vor einer Namensanmaßung gegenüber den berechtigten Interessen des Beklagten als gewichtiger zu bewerten.

Auf die Inhalte der Website des Beklagten, insbesondere die von der Klägerin beanstandete Überschrift der Website, gingen die Gerichte inhaltlich nicht ein.

Kritik: Alle Aspekte der digitalen Wirklichkeit berücksichtigt?

Die Annahme einer Zuordnungsverwirrung im Rahmen des geschilderten Sachverhalts erscheint nicht zwingend. Schon angesichts des Umstandes, dass sich weder in der Domainbezeichnung noch innerhalb der Website der Name der Partei in Langform wiederfindet und sich aus dem Websiteimpressum eindeutig ergibt, dass die Partei gerade nicht Inhaberin der Domain ist, lässt sich an einem Identitätsirrtum zweifeln.

Auch die Formulierung „Wir sind AfD“ könnte bei genauer Betrachtung eher gegen einen offiziellen Parteiauftritt sprechen. Der grammatikalisch falsche, aber gebräuchliche Slogan-Aufbau, bei dem der eigentlich zu setzende Artikel im Sinne einer stärkeren Popularisierung weggelassen wird, findet vor allem im umgangssprachlichen Alltagskontext Verwendung. So titelte die BILD beispielsweise in der Vergangenheit „Wir sind Papst!“. Daher erscheint es zumindest fraglich, ob eine Partei, die mit dem Anspruch auftritt, ernst genommen zu werden, eine derart umgangssprachliche Domain für ihren offiziellen Internetauftritt wählen würde.

Die Entscheidungen des LG Köln und des OLG Köln regen zudem zu einer näheren Betrachtung des Einflusses der Meinungsfreiheit des Beklagten auf die zur Feststellung einer Namensanmaßung erforderliche Interessenabwägung an.

Obgleich das OLG Köln selbst feststellte, dass der Schutz der Meinungsfreiheit auch die Wahl der Äußerungsumstände umfasse, von denen sich eine Person die größtmögliche Verbreitung und Wirkung der Äußerung verspricht, ging es auf die Bedeutung der Domainwahl für Äußerungen auf Websites nicht näher ein. Wenn für Äußerungen in der „analogen Welt“ der Ort der Meinungsäußerung von entscheidender Bedeutung ist und seine freie Wahl daher durch die Meinungsfreiheit geschützt ist, dann wäre zu überlegen gewesen, ob dasselbe angesichts gewandelter Verhältnisse auch für die Domain als Ort einer Äußerung in der „digitalen Welt“ gelten muss.

Dass die besondere inhaltliche Gestaltung einer Verlautbarung zur Erreichung einer größeren Öffentlichkeit im Internet unter dem Schutz des Art. 5 GG steht, hatte bereits das Kammergericht Berlin in einer Entscheidung (KG Berlin, Urteil v. 23. Oktober 2001 – 5 U 101, 01) zur Verwendung einer fremden Unternehmensbezeichnung innerhalb einer Domain festgestellt. Die in diesem Fall hervorgerufene Zuordnungsverwirrung bestand ebenfalls nur auf den ersten Blick. Das KG Berlin entschied jedoch, dass

eine vorübergehende Unklarheit in der Zuordnung einer Domain […], grundsätzlich noch keine hinreichende Interessenbeeinträchtigung [begründe]

und wies den Unterlassungsanspruch des klagenden Unternehmens ab.

Dieser angesprochene Aspekt wäre auch im vorliegenden Fall erwähnenswert und diskutabel. Dies auch unabhängig davon, dass die Gestaltung der Website in dem vom KG Berlin entschiedenen Fall eine Zuordnungsverwirrung bereits weitestgehend ausschloss und das dort klagende Unternehmen, dem von Verfassung wegen nicht derselbe Schutz wie einer Partei zukommt, auch an deren Bekanntheit nicht heranreichte.

Fazit: Auswirkungen für Blogger und Bloggerinnen in Deutschland

Die Entscheidung des OLG Köln hat erneut verdeutlicht, dass bereits die Registrierung einer Domain, die eine fremde namensmäßige Bezeichnung enthält, einen Unterlassungsanspruch auslösen kann, ohne dass es auf die konkrete Verwendung der Domain und die Ausgestaltung der mit dieser Domain verknüpften Website ankommt. Argumentationsspielraum ergibt sich dabei lediglich bezüglich der vorzunehmenden Interessenabwägung.

Diese beurteilt sich nach der konkreten Ausgestaltung der Domain. Domainbezeichnungen, die ausschließlich aus einem fremden Namen bestehen, beeinträchtigen die Interessen der betroffenen Person regelmäßig in unzumutbarer Weise. Soweit der Name innerhalb der Domain mit einem neutralen Zusatz in Verbindung steht, ist der Inhalt der Website zur Beurteilung einer Interessenabwägung im Rahmen der Verwechslungsgefahr heranzuziehen.

Tags: Domain Meinungsfreiheit Zulässigkeit
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Annina Barbara Männig